Miteinander-Füreinander: Kontakt und Gemeinschaft im Alter

Evaluation des Modellprojektes zur Wirksamkeit präventiver Angebote gegen Einsamkeit im Alter

Im Rahmen der Einsamkeitsstrategie der Bundesregierung förderte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) von 2020 bis 2024 das Modellprojekt „Miteinander – Füreinander: Kontakt und Gemeinschaft im Alter“ des Malteser Hilfsdienstes. Insgesamt wurden an 112 Standorten deutschlandweit niedrigschwellige ehrenamtliche Einzel- und Gruppenangebote erprobt und umgesetzt, um sowohl präventiv als auch aktiv gegen Einsamkeit im Alter zu wirken. Die Wirksamkeitsstudie zum Projekt liefert wichtige Erkenntnisse über den Erfolg des Projekts sowie Handlungsempfehlungen. 

Seit einigen Jahren ist das Thema „Einsamkeit“ Bestandteil politischer Strategien und des gesellschaftlichen Diskurses. Die Bundesregierung verabschiedete 2023 eine Strategie gegen Einsamkeit. Hierin wird Einsamkeit als gesellschaftliche sowie politische Herausforderung beschrieben, die eine interdisziplinäre Bearbeitung erfordert. 

Kontakt

Elena Oster

Elena Oster
Referentin Soziales Ehrenamt
Tel. 0221 9822-2665
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Überblick zu Projekt und Studie

“Miteinander-Füreinander” in Zahlen

  • Zeitraum: 1.7.2020 – 31.12.2024
  • 241 etablierte Angebote, davon 85% nachhaltig fortgeführt
  • 14.674 begleitete Seniorinnen und Senioren 
  • 3.954 Ehrenamtliche 
  • 80 Hauptamtliche Referentinnen und Referenten 

Die übergeordneten Ziele des Projektes:

  • Reduktion oder Prävention von Einsamkeit und sozialer Isolation im Alter
  • Schaffung von Engagement-Möglichkeiten für ältere Menschen
  • Enttabuisierung von Einsamkeit

Erfahren Sie mehr über das Projekt Miteinander Füreinander

Welche Maßnahmen gegen Einsamkeit im Alter wirksam sind und welche Bedeutung und auch Grenzen ehrenamtliche Angebote haben, wurde in der Studie analysiert. Die Evaluation wurde gemeinsam durch Univation, Institut für Evaluation - Dr. Beywl & Associates GmbH aus Köln und dem Institut für Gerontologische Forschung e.V. aus Berlin durchgeführt.

Zeitraum der Erhebungen: vom 15. Mai bis 30. September 2023  

Befragungsmethoden:  

  • schriftliche Fragebögen an allen Standorten  
  • qualitative Fallstudien an acht ausgewählten Standorten.  

Folgende Personengruppen wurden befragt:  

  • Hauptamtliche Projektreferentinnen und -referenten  
  • Aktive Ehrenamtliche  
  • Teilnehmende Seniorinnen und Senioren  

An folgenden Angeboten wurde teilgenommen:

  • Besuchs- und Begleitungsdienst, Telefonbesuchsdienst, Seniorentreffs, Kulturausflüge, Einkaufshilfen, Rikschafahrten, Digitale Angebote, Besuchsdienst mit Hund, Bewegungsangebote wie Tanzen, Yoga und Wandern und weitere

Einsamkeit im Alter

Etwa jeder zehnte ältere Mensch in Deutschland ist von Einsamkeit betroffen. Im Alter nimmt die Anzahl der sozialen Beziehungen häufig ab und Netzwerke werden kleiner. Es kann ein objektiv messbarer Mangel an Beziehungen oder Kontakten zu anderen Menschen bestehen, wodurch das Risiko sozialer Isolation steigt. Ein geringer Kontakt zu anderen Menschen muss jedoch nicht als unangenehm empfunden werden. Resultiert daraus hingegen ein Gefühl von Einsamkeit, wird es subjektiv als belastend erlebt.  

Das Empfinden, dass die Anzahl oder die Qualität der sozialen Beziehungen nicht den eigenen Erwartungen entsprechen, kann sich negativ auf die körperliche und seelische Gesundheit, auf Lebensqualität und Wohlbefinden auswirken.
Ein hohes Alter ist an sich keine Ursache für Einsamkeit und bedeutsame Risikofaktoren für Einsamkeit wie Armut oder ein Migrationshintergrund sind altersunabhängig. Allerdings treten im Alter andere Einflussfaktoren wie gesundheitliche oder Mobilitätseinschränkungen, Pflegebedarf oder Verwitwung mit höherer Wahrscheinlichkeit auf. Zudem ist es mit fortgeschrittenem Alter zunehmend schwieriger, Einsamkeit zu überwinden. 

Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Malteser Hilfsdienstes aus dem Frühjahr 2021 ergab, dass sich mehr als jede fünfte Person ab 75 Jahren (22 %) häufig oder zumindest hin und wieder einsam fühlt.

Mehr über das Thema Einsamkeit: Kompetenznetz Einsamkeit (KNE)

Wirksamkeit der Angebote

Von den Seniorinnen und Senioren, die an der Befragung teilnahmen ... 

  • waren 86% weiblich und 14% männlich 
  • lebten etwa drei Viertel allein 
  • waren ungefähr die Hälfte 80 Jahre alt und älter  
  • litten 86% unter einigen oder schweren gesundheitlichen Einschränkungen 
  • waren über die Hälfte, die Angaben zu ihrem Familienstand machten, verwitwet, ein knappes Viertel war verheiratet, rund 16% waren geschieden und ca. 8% ledig  

Drei Viertel der Befragten gaben an, durch das Angebot hilfreiche Informationen erhalten zu haben, und fast zwei Drittel hatten von weiteren Angeboten des Malteser Hilfsdienstes erfahren. Für jeweils 57% hat sich der Freundes- oder Bekanntenkreis vergrößert bzw. fand häufiger Austausch mit anderen Menschen statt


Teilnehmende von Gruppenaktivitäten (Seniorentreff, Kulturbegleitung oder Mobiler Einkaufswagen) gaben mit 65% häufiger an, dass sich ihr Freundes- oder Bekanntenkreis vergrößert hat oder dass sie sich häufiger mit anderen Menschen austauschen als die Personen, die am Besuchs- und Begleitdienst (inkl. Telefonbesuchsdienst) teilnehmen (43 % bzw. 48 %). 


Die Antworten nach der Zufriedenheit wurden zusätzlich differenziert nach Teilnehmenden an Gruppenaktivitäten und an Besuchs- und Begleitdiensten ausgewertet. Während 98% der Teilnehmenden an Besuchs- und Begleitdiensten angaben, dass das Angebot für sie wichtig ist, galt dies für 85% der Teilnehmenden an Gruppenaktivitäten. Mehr als vier Fünftel der Personen im Besuchs- und Begleitdienst würden sich ohne das Angebot einsamer fühlen (85 %) im Vergleich zu knapp zwei Drittel (61 %) der Teilnehmenden an Gruppenaktivitäten. Da die Besuchs- und Begleitdienste individuell an die Bedürfnisse der älteren Menschen angepasst werden konnten, überrascht es nicht, dass nahezu alle Befragten aus diesen Angeboten, nämlich 92%, angaben, dass ihre Interessen und Wünsche berücksichtigt werden (Teilnehmende an Gruppenaktivitäten: 79 %). 

Erreichbarkeit von Seniorinnen und Senioren

Die sogenannte „Mundpropaganda“ war von großer Bedeutung. Von ihr profitierten allerdings vor allem jene Personen, die bereits soziale Kontakte hatten. Sozial isolierte Menschen wurden auf diesem Weg vermutlich nicht gut erreicht. Das Internet wurde zwar an vielen Standorten zur Werbung eingesetzt, aber es wurde nur selten als Informationsquelle genannt. Dennoch sollte der Nutzen des Internets nicht unterschätzt werden, da sich auf diesem Weg Zu- und Angehörige, die möglicherweise nicht vor Ort leben, über Angebote für ältere Verwandte und Bekannte informieren können. 

Wichtigkeit von Vernetzung 

Die Zusammenarbeit und Vernetzung von lokalen Angeboten und Akteuren an den Standorten erweist sich als Schlüssel, um Angebote bekannt zu machen, Seniorinnen und Senioren für die Angebote zu gewinnen und die Angebote zu verstetigen. Es zeigt sich deutlich, dass die Kommunen an den Standorten des Projekts „Miteinander-Füreinander“ zentrale Partner bei der Förderung ehrenamtlichen Engagements und der Schaffung einer seniorengerechten Infrastruktur sind. 

Ehrenamtliches Engagement zur Einsamkeitsprävention

Im Projekt engagierten sich Menschen aller Altersgruppen, wobei fast die Hälfte 60 Jahre und älter war. 70% der befragten Engagierten waren Frauen, 30% Männer. Die Hauptmotivation für das Engagement war der Wunsch zu helfen und der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Besonders nach der Pensionierung suchten viele nach einer sinnvollen Aufgabe.

Das Engagement wirkte sich positiv auf die Lebensqualität aus. Viele Engagierte fühlten sich durch ihre Tätigkeit eingebunden und knüpften neue soziale Kontakte. Es wurde deutlich, dass das Engagement präventiv gegen Einsamkeit wirkt. Ein Fünftel der Befragten gab an, sich ohne ihr Ehrenamt einsamer zu fühlen. 

Fortführung der Angebote nach Ende der Projektförderung

Bereits in der Modellprojektphase des „Miteinander-Füreinander“-Projekts wurde versucht, für jedes Angebot ehrenamtliche Leitungen zu etablieren, was an mehreren Standorten teilweise gelungen ist. Die ehrenamtlichen Leitungen waren jedoch nicht flächendeckend für alle Angebote vorhanden. Obwohl innerhalb der Angebote viele Aufgaben von Engagierten selbst organisiert wurden, wurde die hauptamtliche Unterstützung im Hintergrund als unverzichtbar bewertet, insbesondere wenn es um Öffentlichkeitsarbeit, die Gewinnung von Engagierten, die Entwicklung und Koordination von Angeboten und die Vernetzung mit anderen Akteurinnen und Akteuren sowie in herausfordernden Situationen, die zusätzliche Kenntnisse oder Kompetenzen im Umgang erfordern, geht. Insgesamt konnten am Ende der Projektlaufzeit mehr als 85% der etablierten Angebote nachhaltig fortgeführt werden, entweder unter ehrenamtlicher oder hauptamtlicher Leitung oder in Kooperation mit anderen Trägern sowie der Kommune. 

Schlussfolgerung

  • Im Modellprojekt „Miteinander-Füreinander: Kontakt und Gemeinschaft im Alter“ konnten erfolgreiche Zugänge und Angebote für einsame und einsamkeitsgefährdete ältere Menschen entwickelt und erprobt werden. Hierbei spielte die Organisation der hauptamtlichen Koordination, Anleitung und Reflexion der ehrenamtlichen Umsetzung sowie die Beteiligung der älteren Menschen eine wesentliche Rolle.
     
  • Diese Maßnahmen bieten wertvolle Erfahrungen in der Konzeption und Umsetzung von Angeboten, die auf andere Träger und Standorte des Malteser Hilfsdienstes übertragen werden können. Die Einzel- und Gruppenangebote erreichten insbesondere Personen, die aufgrund bekannter Risikofaktoren wie gesundheitlichen Einschränkungen, Mobilitätsproblemen, Verwitwung oder geringem Einkommen besonders einsamkeitsgefährdet sind oder bereits Einsamkeit erleben.
     
  • Die Zusammenarbeit und Vernetzung von lokalen Angeboten und Akteuren an den Standorten erweist sich als Schlüssel, um Angebote bekannt zu machen, Seniorinnen und Senioren für die Angebote zu gewinnen und die Angebote zu verstetigen. Es zeigt sich deutlich, dass die Kommunen an den Standorten des Projekts „Miteinander-Füreinander“ zentrale Partner bei der Förderung ehrenamtlichen Engagements und der Schaffung einer seniorengerechten Infrastruktur sind. Neben Angeboten, die sich direkt an die älteren Menschen richten, sind strukturelle Veränderungen notwendig, um Einsamkeit nachhaltig zu bekämpfen. Hierzu gehören u. a. die Förderung von Nachbarschaftsnetzwerken, die Verbesserung der Mobilität und die Schaffung öffentlicher Begegnungsorte. Um bedarfsgerechte Angebote und Strukturen für ältere Menschen sicherzustellen, ist eine einheitlichere und besser finanzierte kommunale Altenhilfe unerlässlich.
     
  • Gerade im Kontext einer immer längeren Lebensphase des Alters ist die wachsende Differenzierung und Diversität der Bedürfnisse älterer Menschen zu berücksichtigen. Angebote zur Einsamkeitsprävention müssen sich daher stärker an den verschiedenen Lebensphasen und vielfältigen Lebenslagen älterer Menschen orientieren. Insbesondere für vulnerable Gruppen wie Menschen mit Migrationshintergrund, LSBTIQ-Personen oder Menschen mit Behinderungen ist das Einsamkeitserleben bislang wenig erforscht und entsprechende präventive Maßnahmen sind nur unzureichend erprobt. Auch die Formen der Einsamkeit können je nach Lebenssituation unterschiedlich sein und erfordern eine differenzierte Betrachtung. Ältere Menschen sind bspw. durch kritische Ereignisse wie Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder den Verlust des Partners bzw. der Partnerin besonders anfällig für emotionale, soziale und physische Einsamkeit. Ebenso können bei älteren Menschen, insbesondere nach dem Eintritt in den Ruhestand, Formen der sozialen Einsamkeit auftreten oder auch bei Menschen mit Migrationshintergrund eine Form der kulturellen Einsamkeit. Die gezielte Ansprache der verschiedenen Formen von Einsamkeit ermöglicht eine passgenauere Unterstützung und Berücksichtigung der Bedürfnisse älterer Menschen. Dadurch wird der Zugang zu den Zielgruppen erleichtert und die Wirksamkeit der Angebote verbessert.
     
  • Das ehrenamtliche Engagement im Rahmen des Modellprojekts zeigt, dass es eine zentrale Rolle bei der Vorbeugung von Einsamkeit und der Förderung sozialer Teilhabe spielen kann. Programme wie „Miteinander-Füreinander“, die ältere Menschen aktiv in die Planung und Umsetzung von Angeboten einbeziehen, leisten einen doppelten Beitrag: Sie fördern nicht nur die gesellschaftliche Einbindung und Begegnung der älteren Menschen, sondern schützen auch die Engagierten selbst vor Einsamkeit.

Mehr zu unseren Angeboten

Malteser Besuchsdienst

Besuchsdienst

Unsere Ehrenamtlichen besuchen Sie zu Hause und Sie können gemeinsam etwas unternehmen. Das können verschiedene Aktivitäten sein wie Brett- und Kartenspiele, Musik hören, Backen, Stricken, gemeinsame Gartenarbeit und vieles mehr.

Seniorentreffs

Die Angebote für ältere Menschen stehen allen offen, unabhängig davon, ob Sie kontaktfreudig oder eher zurückhaltend sind, gerne aktiv oder in Ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sind und auch unabhängig von der Größe des Portemonnaies.

Malteser Kulturbegleitung

Kulturbegleitung

Unser Angebot richtet sich an alle, die an gemeinsamen Ausflügen sowie Kunst und Kultur interessiert sind. Mit unseren Ehrenamtlichen unternehmen Sie etwas Besonderes, erleben schöne Momente und haben Abwechslung in Ihrem Alltag. Gleichzeitig kommen Sie mit anderen Menschen in Kontakt.

Malteser Rikschafahrt

Rikschafahrten

Ein Ausflug durch den Park, die Fahrt zu einer Kulturveranstaltung oder zum Eis essen in der Innenstadt: Die Rikschafahrten der Malteser. Wenn Sie dieses oder andere Angebote in Ihrer Umgebung genauer kennenlernen möchten, informieren Sie sich hier kostenfrei und unverbindlich.

Malteser Telefonbesuchsdienst Telefonat

Telefonbesuch

Telefonieren Sie gerne? Suchen Sie jemanden, mit dem Sie auch mal Ihre Sorgen teilen können? Oder haben Sie einfach Lust auf neue Kontakte? Beim Malteser Telefonbesuch müssen Sie weder die Wohnung aufräumen noch vor die Tür gehen, sondern nur den Telefonhörer abnehmen.

Ein grau-weißer Hund mit rotem Malteser Halstuch.

Unsere Besuchshunde

Sie mögen Hunde oder hatten früher einen eigenen Hund? Unsere Ehrenamtlichen kommen Sie besuchen: zusammen mit ihren eigenen, zum Besuchshund ausgebildeten Hund. 

Malteser Einkaufshilfe

Mobile Einkaufshilfe

Gemeinsam einkaufen, durch den Supermarkt oder das Einkaufszentrum bummeln, sich dabei mit anderen austauschen und bei einem Kaffee zusammensitzen: unsere mobile Einkaufshilfe.

Digitale Angebote der Malteser für Ältere

Digitale Angebote für Senioren

Gesellschaftliche Teilhabe heißt auch digitale Teilhabe – auch in diesem Bereich gibt es Angebote gegen soziale Isolation im Alter.