Leben und Einsamkeit im Alter

Fakten zu einem immer wichtiger werdenden gesellschaftlichen Problem

Forsa-Umfrage im Rahmen des Projekts „Miteinander-Füreinander“ beleuchtet die Lebenssituation von Menschen über 75 Jahren.
Wie ist die Lebenssituation älterer Menschen in Deutschland und wie groß ist das Problem der sozialen Isolation und Einsamkeit? Aktuelle Erkenntnisse liefert eine Befragung von Forsa im Auftrag der Malteser.

Im Rahmen des vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Projekts „Miteinander – Füreinander: Kontakt und Gemeinschaft im Alter“ wurden im Zeitraum vom 15. Januar  bis 1. Februar 1.000 in Privathaushalten lebende Personen ab 75 Jahre im Gebiet der 112 Projektstandorte befragt. Mittels computergestützter Telefoninterviews wurde die Einschätzung zu folgenden Aspekten erhoben:

Hinsichtlich der Altersverteilung, der  Wohnsituation und des wahrgenommenen Gesundheitszustandes verteilen sich die 1.000 Befragten wie folgt:

Größtenteils mit dem Leben zufrieden – aber mit Unterschieden

Der Großteil der Befragten aller Altersgruppen gibt an, insgesamt zufrieden mit der eigenen Lebenssituation zu sein. Zwischen den Altersgruppen oder zwischen Männern und Frauen ergeben sich dabei kaum Unterschiede.

Unterschiede in der Zufriedenheit zeigen sich jedoch vor allem in Abhängigkeit von

  • der Wohnsituation,
  • dem subjektiven Gesundheitszustand und dem
  • Ausmaß der empfundenen Einschränkung durch die Corona-Pandemie.

Menschen, die allein wohnen, und solche, die größere gesundheitliche Probleme haben oder sich durch die Corona-Pandemie stark eingeschränkt fühlen, sind tendenziell unzufriedener. Dabei ist zu beachten: Mit zunehmendem Alter verändert sich die Wohnsituation Richtung alleinlebend. Und bereits heute leben deutlich mehr Frauen als Männer allein ohne Kinder im Haushalt.

Alleinlebend oder schon einsam?

22 Prozent der befragten Älteren fühlen sich häufig oder zumindest hin und wieder einsam. Überdurchschnittlich häufig sagen dies die über 84-Jährigen (31 %), Alleinlebende (35 %) und Befragte mit größeren gesundheitlichen Problemen (41 %). 
 

Die besonderen Umstände der Corona-Zeit haben das Gefühl der Einsamkeit (nochmals) verstärkt: 40 Prozent derjenigen, die sich zumindest hin und wieder einsam fühlen, berichten, dass dies schon vor der Corona-Krise so gewesen sei. Die Mehrheit (58 %) derer, die sich auch mal einsam fühlen, gibt an, dass dies erst seit Beginn der Corona-Krise der Fall sei.

Regelmäßige Alltagskontakte mit begrenztem Radius

Wie gut sind die älteren Menschen sozial eingebunden? Fragt man nach regelmäßigen (persönlichen oder telefonischen) Kontakten im Familien- und Freundeskreis und in der Nachbarschaft, so sind diese durchaus vorhanden. Weitere regelmäßige Kontakte wie Bekannte, Kollegen und Dienstleister, die die Befragten spontan ergänzen konnten, werden – zumindest zum Befragungszeitpunkt in der Corona-Pandemie – nur sehr selten genannt.

37 Prozent der Befragten geben an, bei der Erledigung alltäglicher Dinge Hilfe in Anspruch zu nehmen. Neben Familie und Freunden sind vor allem Haushaltshilfe und Pflegedienste ein wichtiger Zugangsweg, um ältere Menschen mit Informationen und Angeboten zu erreichen.

Interessen und Hobbys – Gesellige Anlässe stehen im Vordergrund

85 Prozent aller Befragten geben an, einem Hobby oder Interesse regelmäßig nachzugehen. Über 84-Jährige und Befragte mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen geben etwas seltener an, Hobbies nachzugehen. Die Bandbreite der Freizeitaktivitäten ist groß: Am häufigsten ausgeübt werden Lesen (30 %), Spaziergehen (25 %), allgemein Sport (16 %). Es folgen Gartenarbeit (11 %), Fitness/Gymnastik (9 %) sowie Reisen und Kulturbesuche (jeweils 8 %).

Knapp die Hälfte der Befragten der „Generation 75+“ berichtet von Beschäftigungen, denen sie künftig gerne nachgehen bzw. die sie gerne häufiger ausüben würde als bisher. Frauen, Alleinlebende und Befragte mit einem schlechteren Gesundheitszustand äußern diesen Wunsch dabei etwas häufiger. An erster Stelle der gewünschten Aktivitäten steht mit großem Abstand das Reisen (31 %). 12 Prozent würden gerne (häufiger) Freunde, Bekannte oder Angehörige treffen bzw. kulturelle Angebote wahrnehmen. 10 Prozent würden gerne (mehr) Sport treiben, 9 Prozent wandern oder spazieren gehen und 8 Prozent (mehr) lesen. Offenbar sind die Befragten gerade an geselligen Angeboten und Aktivitäten interessiert, die aufgrund der Lebenssituation  - und möglicherweise aufgrund von Corona – nicht einfach stattfinden können.

Angebote im Alltag – Begegnungen sind wichtiger als Service-Hilfen

Den Befragten wurden verschiedene Angebote vorgestellt, die sich speziell an ältere Menschen richten, verbunden mit der Frage, ob ein solches Angebot aktuell grundsätzlich für sie interessant wäre. Der Besuch eines Treffpunkts mit Begegnung, Gesprächen und Ausflügen in der Gruppe stößt auf das vergleichsweise größte, der mobile Einkaufsdienst auf eher geringes Interesse. Bewegungsangebote sind in ihrer aktuellen Lebenssituation für 13 Prozent (bei Frauen häufiger als bei Männern) interessant. Insgesamt werden eher Angebote zur Geselligkeit und Gemeinschaft eher gesucht als reine Dienstleistungen. Und für alle Angebote gilt: Sie sind für Alleinlebende durchweg deutlich interessanter als für ältere Menschen, die nicht allein leben.

Die Corona-Pandemie zeigt, dass situativ dennoch Bedarf nach praktischer Unterstützung bestehen kann: Immerhin 11 Prozent der Befragten geben an, dass Sie sich ganz praktische Hilfen wie Hilfe bei der Impfterminvergabe, beim Einkaufen, im Haushalt oder Fahrdienste  wünschen.

Ehrenamtlich aktiv – eine Option auch für Menschen über 75

Ein weitere Freizeitaktivität, um mit anderen in Kontakt zu treten – und zugleich eine wirksame Prävention von Einsamkeit –  ist ehrenamtliches Engagement. Ältere Menschen können sich in der Nachbarschaft oder im Verein engagieren, sich für Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund einsetzen oder anderen Älteren.

33 Prozent der Befragten sind bereits ehrenamtlich engagiert. 14 Prozent könnten sich ein Engagement grundsätzlich vorstellen. Für mehr als die Hälfte käme dies nicht (mehr) in Frage.

Am häufigsten engagiert sind unter 80-Jährigen und diejenigen, die ihren Gesundheitszustand als (sehr) gut bezeichnen. Befragte in kleineren Gemeinden engagieren sich häufiger als in der (Groß-)Stadt. Aber auch für Menschen über 80 ist das Ehrenamt eine Option oder Möglichkeit, sich aktiv zu betätigen und damit auch der sozialen Isolation vorzubeugen.

Über 75 – und digital

Ein erheblicher Teil der Befragten nutzt Endgeräte für die digitale Kommunikation. 60 Prozent der über 74-Jährigen haben ein Smartphone, auch Laptop (49 %), Desktop-PC (41 %) und Tablet (37 %) sind weit verbreitet. Nur 6 Prozent nutzen keines dieser Geräte und auch kein Handy ohne Internetzugang. 

Die Ausstattung mit Geräten nimmt allerdings mit dem Alter ab: Verfügen von den unter 80-Jährigen 73 Prozent über ein Smartphone, 60 Prozent über einen Laptop und 44 Prozent über einen Tablet-PC, sind es bei den über 84-Jährigen nur jeweils 33, 27 bzw. 21 Prozent. Nicht so stark ausgeprägt sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen.

Jeder Vierte ist nicht über das Internet erreichbar. Zwei Drittel der Befragten nutzen das Internet aber täglich oder mehrmals die Woche. Bei den unter 80-Jährigen nutzen sogar 64 Prozent das Internet täglich, von den über 84-Jährigen nur 24 Prozent. Wer in der Großstadt lebt, ist häufiger im Internet als Befragte in kleineren Städten und Gemeinden.

Die Genration 75+ nutzt das Internet überwiegend, um sich zu informieren, aktiv zu recherchieren und über Mails und Messenger zu kommunizieren.

Schlussfolgerungen

Die Umfrage zum Thema Leben und Einsamkeit zeigt, dass ein Großteil der Befragten insgesamt mit der eigenen Lebenssituation zufrieden ist und sich allenfalls hin und wieder einsam fühlt. Die Konsequenzen der Corona-Umstände haben jedoch das subjektive Gefühl der Einsamkeit im vergangenen Jahr verändert.

Angesichts des demografischen Wandels wird die Zahl der hochaltrigen Menschen und die Zahl alleinlebender älteren Menschen deutlich steigen – damit wächst auch die Zahl der für soziale Isolation und Einsamkeit besonders anfälligen Seniorinnen und Senioren. Da bereits heute wesentlich mehr Frauen als Männer allein leben, sollten neben hochaltrigen Menschen über 80 auch ältere alleinlebende Frauen aktuell und unter demographischen Entwicklungen bei der Gestaltung von Angeboten mehr Berücksichtigung finden. Die Angebotsgestaltung sollte sich auch an dem mittelmäßig bis eher schlechten Gesundheitszustand ausrichten, wie zum Beispiel Mobilitätsangebote. 

Unabhängig vom Einsamkeits- oder Zufriedenheitsgefühls haben Menschen über 75 eine Vielfalt von Bedarfen und Interessen an unterschiedlichen Angeboten. Entsprechend sollten Angebote so attraktiv gestaltet werden, dass sie sowohl die zufriedenen Menschen als auch diejenigen, die sich bedingt zufrieden fühlen, erreichen. Gesellige Angebote und Aktivitäten mit Erlebniswert finden mehr Interessenten als Hilfsangebote oder unterstützende Einzelbegleitungen.

Ehrenamtliches Engagement im Alter ist eine gelebte Realität beziehunsgweise auch jenseits des Lebensjahrs vorstellbar. Die Angebote sollten sich nach den Interessen und Einsatzmöglichkeiten richten, auch um Einsamkeit im Alter aktiv vorzubeugen.

Der direkte Familien- und Freundeskreis, aber auch Haushaltshilfe und Pflegedienste sind wichtige Alltagskontakte. Diese sekundären Zielgruppen sind ein wichtiger Zugangsweg zu älteren Menschen. Darüber hinaus ist die ältere Generation bereits heute digital aufgeschlossen – und wird in Zukunft immer besser digital erreichbar sein. Die digitale Kompetenz der Senioren sollte weiter gestärkt, Sicherheit im Umgang mit dem Internet vermittelt werden. Es bedarf zudem bedarfsgerechter Informations- und Beratungsangebote, die auch sekundären Zielgruppen wie Familie und Freunde sowie Interessierte für Fragen des Lebens im Alter ansprechen. Das im Rahmen des Projekts „Miteinander-Füreinander“ entwickelte Online-Magazin „dabei“ (www.dabei-online.de) ist eine speziell geschaffene Plattform für diese Zielgruppen.