Wo ist Gott im Leid?

Grafik zu Status G - Glaube(n) unter Blaulicht

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rettungsdienst,

heute geht es um ein Thema, zu dem es, das sagen wir direkt, keine letzten und alles klärenden Antworten gibt.

Wo ist Gott im Leid?

Mit dieser Frage beschäftigen sich seit Menschengedenken die Gelehrten, und ein jeder Mensch kommt irgendwann in seinem Leben an einen Punkt, wo er diese Frage stellt.

Im Einsatz

Reanimation in häuslicher Umgebung. Plötzlich und unerwartet hat das Herz des Familienvaters aufgehört zu schlagen. Der Rettungsdienst trifft ein und übernimmt mit professioneller Selbstverständlichkeit. Möbel rücken, Beatmung und Herzdruckmassage, EKG, Defibrillation, Intubation, i. V.-Zugang und Adrenalin. Der inzwischen eingetroffene Notarzt beendet nach einer Stunde die Bemühungen und stellt den natürlichen Tod des Mannes fest. Damit ist der Einsatz aber nicht beendet. Wer kümmert sich um die trauernde Witwe und ihre kleinen Kinder? Was können Sie ihr sagen? Finden Sie die richtigen Worte? Wer kümmert sich um sie, wenn Sie mit Ihren Kollegen abfahren?

Nie Routine

Es sagt sich so leicht: „Der Tod gehört zum Leben“. Oder „Da muss man als Retter durch. Wir sind doch Profis.“ Doch auch wenn Tod und Sterben medial allgegenwärtig sind, berührt es uns, wenn wir ganz in die Nähe des schweren Leidens oder sogar des Todes kommen. Da stellen sich Fragen, die ganz in die Tiefe gehen und die nicht mal eben so zu beantworten sind. Da kommt Trauer auf und oft auch Wut, Hilflosigkeit und Resignation.

Wo bist du, Gott?

Papst Franziskus hat diese Frage auf dem Weltjugendtag 2016 in Krakau so gestellt: „Wo ist Gott, wenn in der Welt das Böse existiert, wenn es Hungrige, Durstige, Obdachlose, Heimatvertriebene und Flüchtlinge gibt? Wo ist Gott, wenn unschuldige Menschen aufgrund von Gewalt, Terrorismus und Kriegen sterben? Wo ist Gott, wenn erbarmungslose Krankheiten Lebensverbindungen und Bande der Liebe zerreißen? Oder wenn Kinder ausgebeutet und gedemütigt werden und wenn auch sie unter schweren Pathologien leiden? Wo ist Gott angesichts der Ruhelosigkeit der Zweifelnden und der seelisch Gequälten?“

Die Antwort Jesu lautet: Gott ist nicht weg. Er ist mitten im Leid, er ist in den Menschen, die leiden und sterben. Papst Franziskus sagte in Krakau: „Jesus ist in ihnen, leidet in ihnen, ist zutiefst mit ihnen identisch. (…) Am Kreuz sterbend überantwortet er sich in die Hände des Vaters und trägt mit hingebungsvoller Liebe auf und in sich die physischen, moralischen und spirituellen Wunden der gesamten Menschheit. Indem er das Kreuzesholz ergreift, umfasst Jesus die Nacktheit und den Hunger, den Durst und die Einsamkeit, den Schmerz und den Tod der Menschen aller Zeiten.“

Wie (mit-)leiden?

Jesus Christus leidet also ganz mit uns mit, auch wenn wir meinen, er sei nicht da. Wir können ihn nicht immer einfach fühlen, wie wir bei der Berührung von Feuer fühlen, dass es heiß ist. Wir haben keine „Standleitung“ in den Himmel, keine unerschütterliche Gewissheit von Gottes Gegenwart. Das hat kein Mensch. Insbesondere im Leid brauchen wir dann Menschen, die uns an die unendliche Liebe Gottes erinnern, die für uns bitten, die Gottes Zusage vertrauen können, der uns verspricht „Ich bin bei euch alle Tage eures Lebens“. Und die all dieses an uns weitergeben, so dass ihre Hoffnung unsere Hoffnung, ihr Glaube unser Glaube und ihr Vertrauen unser Vertrauen werden kann .Solche Menschen braucht es – und solche Menschen können auch die Retter für die Patienten und die Patienten für die Retter sein. Im Licht des Glaubens mitzuleiden heißt dann, daran festzuhalten, dass Gott der ganz und gar Gute ist. Es heißt, hoffen und erwarten, dass er die Antwort geben wird, die wir einander nicht geben können. Es heißt, im Vertrauen durchzuhalten und der Liebe zu glauben, die stärker ist als der Tod.

Und ganz konkret?

Wir möchten Sie ermuntern, für sich selber einen Weg zu finden, der Ihnen entspricht.

  • Sie können den Verstorbenen mit einem Kreuzzeichen auf der Stirn segnen, begleitet von den Worten: „Der Herr behüte Dich.“
  • Sie können ein Gebet für die Familie sprechen, auch im Stillen, es braucht nicht viele Worte. Wir vertrauen und hoffen, dass Gott uns hört und unser Rufen erhören wird.
  • Sie können eine Kerze auf der Wache aufstellen und die Kolleginnen und Kollegen bitten, für die Familie zu beten.
  • Sie können für sich selber und Ihre Lieben beten „Gott, pass auf uns auf“.
  • Und zuletzt: Manchmal müssen wir uns eingestehen, dass wir an einen Punkt kommen, an dem wir selber nichts mehr machen können, an dem wir keine Antworten mehr wissen und die Last sehr groß wird. Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als alle unsere offenen Fragen, unsere Sorgen und alles Schwere in die Hände Gottes zu legen.

Einfache Antworten gibt es nicht, aber wir hoffen, wir konnten Ihnen einige Impulse zum Nachdenken geben.


Zurück zu allen Meldungen