3. Phase vom 1. bis zum 30. April
(starkes Nachbeben, Versuch der Rückkehr in den Alltag)
„Die Nachbeben sind furchtbar und trotzdem gewöhnt man sich an sie“, sagt ein Mittelschüler. Ein anderer sagt: „Die kleinen Dinge können mich schon zur Weißglut bringen, ich möchte wieder zurück in unsere Außengruppe“.
Die Kinder meiden stille und dunkle Räume oder suchen sie nur mit einer Erzieherin auf. Selbst zur Toilette wollen manche Kinder nicht alleine gehen.
Die Grundschüler spielen das Erdbeben nach: Sie legen zahlreiche Dinge auf den Tisch, rufen „Erdbeben, Erdbeben“, rütteln am Tisch und geraten in Panik. Sie ahmen auch den Tsunami nach, indem sie mit Wasser und Sand spielen. Die Menschen, die von den Tsunamis fortgerissen wurden, werden in ihrem Spiel von einem Hai gefressen.
Oft greifen sie im Spiel auch die Situation nach dem Erdbeben in Ichinoseki auf, z.B. die Autoschlange an der Tankstelle, wo das Benzin knapp ist. Die Mädchen und Jungen haben zudem ein ungemein großes Verlangen nach Naschereien.
Kleinkinder zeigen der Psychotherapeutin die kaputten Stellen im Heim: „Daran ist das Erdbeben schuld.“ Die Kommunikation der Kleinkinder wird immer heftiger und brutaler. Ein Grundschüler rüttelt absichtlich in der Kleinkindergruppe an den Glasscheiben, um die Kleinkinder zu erschrecken.
Immer wieder die Frage „Wenn wieder ein Erdbeben kommt: Was tun wir?“ Selbst die leichten Nachbeben verhärten die Gesichtszüge der Grundschüler.
Ein Oberschüler nennt den Namen einer Mitarbeiterin und fügt gleichsam belanglos hinzu „… vom Tsunami verschlungen“. Die älteren Schüler fragen ganz bewusst und gezielt nach den Erdbeben und den Tsunamis und versuchen nähere Auskunft zu bekommen.
Nach einem Nachbeben ruft ein Mittelschüler: „Der Tsunami kommt! Kommt er auch nach Ichinoseki?" Besonders die Mittelschüler können sich nicht satt sehen an den Szenarien des Erdbebens und den Tsunamis im Fernsehen. Ein Schüler berichtet, dass das Haus eines Freundes durch das Erdbeben zerstört sei, doch der Großvater lebe seit vielen Jahren dort und möchte nicht fort von dort. „Der kann einem leid tun.“
Das waren die ersten drei intensiven Phasen nach dem Erdbeben. Konkreter und ehrlicher geht´s wohl nicht. Ich habe der Psychotherapeutin davon berichtet, dass ich ihre Notizen übersetzen werde und diese einem breiten Leserkreis zur Verfügung stellen möchte. Diese Dinge sind mir sehr wichtig.
Ihre Schwester Caelina