Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rettungsdienst,
wie angekündigt, setzen wir unsere Reihe von Briefen mit Impulsen rund um die Fragen nach der christlichen Dimension in unserem Rettungsdienst fort. Heute soll es um die Frage gehen, was es bedeutet, einen Menschen bei seinem Namen zu nennen.
Im Einsatz
Einsatz für RTW 8/84-3 knarrt es aus dem Melder, Fichtenweg 9, vermutlicher Apoplex. Das Rettungsteam erreicht nach fünf Minuten die Einsatzstelle. Eine Frau, ca. 70 Jahre, liegt im Bett. Sie ist blass und unruhig. Der sichtlich überforderte Ehemann berichtet, dass seine Frau bereits vor vier Stunden über Schwindel und Übelkeit geklagt hat, sie hätte es aber strikt abgelehnt, den Hausarzt zu verständigen. Routiniert beginnt die Erstdiagnostik: Bewusstsein scheint getrübt zu sein, Pupillen isokor, Atmung regelrecht, Puls 95 arrhythmisch, SaO2 94%, das EKG zeigt Vorhofflimmern, RR 180/100, einseitig hängender Mundwinkel, Hemiparese rechts, Urininkontinenz. Die Diagnose steht. Ohne viel Worte läuft die Versorgung der Patientin: Indikationsgerechte Lagerung, O2-Gabe, IV-Zugang, Laborblut, NaCl zum Offenhalten. Nach kurzer Rücksprache mit der Leitstelle wird die Patientin in die 30 Kilometer entfernte Stroke-Unit transportiert.
Alles in Ordnung?
Die medizinische Versorgung war gut, Routine eben. Sicherlich kann man im Detail darüber diskutieren, ob nicht ein Notarzt hätte gerufen werden müssen. War die rosa Viggo ausreichend? Sind acht Liter Sauerstoff pro Minute nicht zu viel? Braucht die Klinik überhaupt das Laborblut? War die deutlich längere Fahrt zur Spezialklinik unter diesen Umständen gerechtfertigt?
Am Ende der Einsatznachbesprechung lobt der Notfallsanitäter den Praktikanten, dass er zu der Patientin gesagt hat „Haben Sie keine Angst, Frau Schmidt, wir werden Ihnen helfen!“ Das habe der Frau wirklich Mut gemacht und geholfen, die Situation zu entspannen.
Sind Namen Schall und Rauch?
Woran könnten Sie eigentlich erkennen, dass Ihr Gegenüber wirklich Sie meint und nicht vielleicht einen, der Ihnen nur ähnlich sieht? Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist der Name: Wir sind nicht durchnummeriert oder wilden Buchstabenkombinationen zugeordnet, sondern jeder von uns hat seinen eigenen Namen.
In der rettungsdienstlichen Ausbildung haben Sie gelernt, dass es wichtig ist, sich namentlich vorzustellen und den Patienten immer wieder mit seinem Namen anzusprechen – wie der Praktikant das gut umgesetzt hat.
Warum tun wir das? Nur weil es höflich ist? Nein, wir glauben, dass diese scheinbare Kleinigkeit etwas verändert. Namen sind nicht Schall und Rauch!
Im Namen drückt sich etwas aus: Keiner ist einfach nur Patient oder einfach nur Retter, sondern die ganz bestimmte „Gisela Schmidt“, der ganz bestimmte „Michael Klein“. Eben eine einzigartige, unwiederholbare und unersetzliche Person. Indem wir den Namen verwenden, zeigen wir, dass wir diese Einzigartigkeit anerkennen, wir äußern unsere Achtung vor der Person des notleidenden Menschen.
Was macht den Menschen wertvoll?
Was aber macht die Einzigartigkeit und Kostbarkeit, man kann auch sagen: die Würde, einer jeden Person aus? Alles, was wir an Qualitäten nennen könnten, ist begrenzt und gefährdet, wie Sie besonders im Rettungsdienst immer wieder erleben. Geld, Beliebtheit, Intelligenz, Schönheit, Witz – dies alles ist immer in der Gefahr, zerstört zu werden.
Als Christen glauben wir, dass der tiefe Grund für die Kostbarkeit und die Einzigartigkeit des Menschen die Liebe Gottes ist: Jeder ist von Gott geschaffen, und zwar nicht aus Versehen, sondern aus echter Liebe. Jeder ist eine einzigartige Kostbarkeit, die Gott will, beschenkt und immer wieder ruft. Das gibt dem Menschen seine Würde, nicht sein Auto, seine Gesundheit oder seine Frau. Übrigens gilt das nicht nur für die Netten, sondern auch für die Anstrengenden, Lästigen, Komischen: Gott liebt jeden Menschen, und er bleibt bei seiner Liebe, auch wenn wir das kaum nachvollziehen können. Diese Einmaligkeit und Einzigartigkeit drückt sich auch aus in der Unterschiedlichkeit der Namen.
Gilt das nur für die Patienten?
Und noch eines ist wichtig: Das, was wir dem Patienten vermitteln wollen, gilt auch für jeden von uns, gilt auch für Sie: Sie sind kein Irgendwer, sondern ein einmaliges, kostbares Wesen, dessen Name für immer in die Hand Gottes geschrieben ist. Wenn Sie im Einsatz sind, handelt nicht irgendein Angestellter der Malteser, sondern eine einzigartige, von Gott auf unwiederholbare Weise beschenkte Person. Gott hat Sie bei Ihrem Namen gerufen, und dieser Name ist von einer Würde, von der Sie nie hoch genug denken können.
Unser Tipp für die nächste Zeit
Nennen Sie Ihren Patienten ganz bewusst bei seinem Namen und halten Sie im Hinterkopf: Er, Sie und ein jeder ist bei seinem Namen gerufen – von unserem Gott, dem ein jeder einzigartig und kostbar ist.