Die Klage der Erde und die Klage der Armen
„Schöpfung“ ist nicht nur unsere Umwelt. „Schöpfung“ ist auch der Mensch. Dem Papst ist daher an einer „ganzheitlichen Ökologie“ gelegen, die gleichermaßen ökologische und soziale Fragen im Blick hat: „Wir kommen […] heute nicht umhin anzuerkennen, dass ein wirklich ökologischer Ansatz sich immer in einen sozialen Ansatz verwandelt, der die Gerechtigkeit in die Umweltdiskussionen aufnehmen muss, um die Klage der Armen ebenso zu hören wie die Klage der Erde“ (Laudato si‘, Nr. 49). Darin finden wir uns als Malteser sofort wieder!
Die Geschwister hüten
Ein Blick auf den Anfang der Bibel zeigt, dass der Mensch als vernunftbegabtes Geschöpf von Gott berufen ist, sowohl die Erde zu „hüten“ (vgl. Genesis 2,15), als auch „Hüter“ seiner Mitmenschen zu sein (vgl. Genesis 4,9). Für Franziskus legt es sich daher nahe, die Welt mittels der Kategorie der „Geschwisterlichkeit“ anzuschauen: Weil alles seinen Ursprung in Gott, dem Schöpfer, hat, wohnt der gesamten Schöpfung eine verborgene, universale Geschwisterlichkeit inne (vgl. Laudato si‘, Nr. 89–92; 221; 228). Bereits Franz von Assisi, der Namenspatron des Papstes, scheute sich nicht, in seinem berühmten Sonnengesang von „Bruder Sonne“, „Schwester Wasser“, „Bruder Wind“ oder gar „Schwester Tod“ zu sprechen.
„Ökologische Umkehr“
Letztlich legen diese Überlegungen drei grundlegende Beziehungen des Menschen offen: die zu den Mitmenschen, die zur Erde – und die zu Gott. Eine „ganzheitliche Ökologie“ beinhaltet nach Papst Franziskus daher auch eine „ökologische Spiritualität“. Und „ökologische Umkehr“ meint eben nicht nur ein Überdenken des eigenen Lebensstils, sondern auch eine Auffrischung des geistlichen Lebens. Von einer gesunden Beziehung zu Gott, dem Schöpfer, her können auch die Beziehungen zu allen anderen Geschöpfen „in Ordnung“ kommen und durch geschwisterliche Liebe heilen.
So lädt der heutige „Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung“ dazu ein, in der betenden Hinwendung zu Gott erneut „Ja“ zu sagen zu unserer aller „Berufung, Beschützer der Werke Gottes“ (Laudato si‘, Nr. 217) zu sein.
Liebevoller Gott,
Schöpfer des Himmels, der Erde und von allem,
was sich in ihnen befindet.
Öffne unseren Geist und rühre an unsere Herzen,
damit wir Teil der Schöpfung sein können,
deines Geschenks.
Sei in diesen schwierigen Zeiten den Bedürftigen,
insbesondere den Ärmsten und Schwächsten nahe.
Hilf uns, kreative Solidarität zu zeigen im Umgang
mit den Folgen dieser globalen Pandemie.
Lass uns mutig sein, die Veränderungen anzunehmen,
die der Suche nach dem Gemeinwohl gelten.
Dass wir heute mehr denn je spüren können,
dass wir alle miteinander verbunden
und voneinander abhängig sind.
Lass uns den Schrei der Erde und den Schrei
der Armen hören und ihm entsprechen.
Damit die gegenwärtigen Leiden
die Geburtswehen einer geschwisterlicheren und
nachhaltigeren Welt sein können.
Unter dem liebevollen Blick Marias,
Hilfe der Christen, bitten wir dich
durch Christus, unseren Herrn.
Amen.
Gebet von Papst Franziskus zum 5. Jahrestag von Laudato si‘ am 24. Mai 2020
Impuls von Frederik Brand, Referent im Geistlichen Zentrum