Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rettungsdienst,
der Rettungsdienst ist kein Kindergeburtstag – das ist allen klar, die diesen Dienst machen. Es gibt viele schöne Erlebnisse, aber auch Erfahrungen, die den Helfern schwer zu schaffen machen. Dazu zählt die Erfahrung von Gewalt.
Im Einsatz
Randalierende „Fans“ beim Fußballspiel. Ein aggressiver Ehemann, der niemanden in die Wohnung lassen will. Pöbelnde Drogenabhängige am Hauptbahnhof. Aggressive Demonstranten in der Innenstadt. Es fängt vielleicht mit blöden Sprüchen an, dann abwertende Gesten, Geschubse, auch mal die Faust. Jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin im Rettungsdienst, nicht nur in der Großstadt, kennt die Eskalation von Gewalt und ist auf der Hut.
Mehr als ein Logo: Das Malteserkreuz
Sie kennen es alle, tragen es auf Ihrer Bekleidung, fahren es auf dem RTW durch die Gegend, sehen es sogar auf Ihrer Gehaltsabrechnung: das achtspitzige Malteserkreuz. Dieses ist halt kein Stern, wie manche bei schneller Betrachtung vermuten, sondern ein Kreuz, das natürlich zu allererst an das Kreuz, an dem Jesus Christus getötet wurde, erinnert. Aber es hat noch mehr Bedeutungen, die – wie so vieles aus der Tradition der Malteser – auch uns heute bei unseren Fragen helfen können.
Bereits die erste Regel der Malteserritter sah vor, dass die Mitglieder des Ordens vom Heiligen Johannes „Kreuze zu Ehren Gottes und des Heiligen Kreuzes auf ihrer Brust an ihren Umhängen und Mänteln tragen“, um sich so unter den Schutz Gottes zu stellen.
Seit dieser Zeit gibt es auch verschiedene Sinngebungen für das achtspitzige Malteserkreuz. In der heute geläufigsten Deutung, die bereits aus dem Jahr 1485 stammt, werden die acht Spitzen den acht Seligpreisungen zugeordnet, die sich zu Beginn der Bergpredigt im Matthäus-Evangelium (5,3–12) finden. Dort wird berichtet, wie Jesus auf einem Berg am See von Galiläa steht und sich sehr viele Menschen um ihn versammeln. Was er seinen gespannten Zuhörern dann verkündet, das ist keine leichte Kost: „Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich“, sagt er, und „Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden“. Was im Klartext heißt: Was hier auf der Erde keine Bedeutung hat, was von den Menschen abgetan ,kleingeredet, geringgeschätzt wird, das erhält vor Gott eine Größe, das ist vor ihm richtig wichtig, das vergisst er nicht.
Selig, die keine Gewalt anwenden, …
Die fünfte Seligpreisung lautet „Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.“ Keine Gewalt gegenüber Patienten anzuwenden, ist für Sie selbstverständlich, denn Gewalt erzeugt Gegengewalt. Gewalt lässt immer einen Verlierer zurück. Gewalt löst keinen Konflikt, sondern unterdrückt ihn nur. Wer dagegen keine Gewalt anwendet, der nimmt dem Gegenüber die Macht über sich, der lässt sich nicht beherrschen, der bleibt souverän und entscheidet sich für einen anderen Weg. Dieser Weg ist sicherlich gerade in unserer so gewaltvollen Zeit mühsam und unpopulär, aber richtig!
… denn sie werden das Land erben.
Denen, die keine Gewalt anwenden, wird das Erbe des Landes zugesprochen. Dieses Versprechen verweist auf eine neue Heimat. Es ist der Ort der Gemeinschaft mit Gott, der Ort eines erfüllten Lebens, das kein Ende haben wird. Gewaltlose Menschen machen es möglich, dass sich die Welt nicht erst irgendwann einmal, sondern schon jetzt so verändert, dass nicht mehr länger Unterdrückung und Macht herrschen, sondern Gerechtigkeit und Wertschätzung füreinander.
Es geht wohl letztlich um eine neue Haltung, die sich aber in ganz konkreten Handlungen zeigt:
- Bleiben Sie ruhig, auch wenn es hoch her geht: Sie sind kein „Feigling“, wenn Sie nicht zurückschlagen, sondern beweisen Mut.
- Lassen Sie sich nicht provozieren: Sie sind kein „Weichei“, wenn Sie nicht herumbrüllen, sondern schaffen eine neue Kultur des Zuhörens und der Wertschätzung.
- Versuchen Sie, die Situation zu entschärfen, den Ort zu wechseln, eine Hilfe dazuzuholen: Sie werden nicht klein, wenn Sie sich nicht aufblasen und keinen neben Ihnen dulden, sondern zeigen Ihre echte Größe.
Das war jetzt für Sie bestimmt nicht neu. Aber es ist gut und wichtig, sich zwischendurch auch Selbstverständliches noch einmal bewusst zu machen.