Plötzlich Rente – ein großer Einschnitt ins Leben
Auf das Leben im Ruhestand freuen sich die meisten: Wenig Zeitdruck, keine Verpflichtungen – endlich Zeit für Enkelkinder, Hobbys und Reisen. Doch ist es dann so weit, kommt für viele die Erkenntnis, wie bestimmend der Job in ihrem Leben war. Plötzlich fühlen sie sich nutzlos. Woran das liegt und was man dagegen tun kann, erörtern wir hier.
Empty-Desk-Syndrom: Plötzlich fehlt die Struktur
Auf einmal ist der Schreibtisch leer – was lange eine Wunschvorstellung war, ist für manche Neu-Rentnerinnen und Neu-Rentner plötzlich gar nicht mehr erstrebenswert. Die Tatsache, dass sie keine berufliche Aufgabe mehr haben, führt bei manchen zu einem psychischen Ungleichgewicht. Es gibt sogar einen Begriff dafür: Empty-Desk-Syndrom.
Das neue Rentendasein wird nicht mehr als Bereicherung, sondern als Verlust von Einfluss und Verantwortung empfunden. Es fehlt die Struktur des Arbeitstages, neue Gewohnheiten müssen sich erst entwickeln. Soziale Bindungen, die auf dem Job basierten, nehmen ab und es kann zu einem Gefühl der Leere und zu echter Einsamkeit kommen. Die Folgen reichen von allgemeiner Lustlosigkeit über verzweifelte Sinnsuche bis hin zu depressiven Verstimmungen. Mehr über die Auswirkungen von Einsamkeit auch hier. Vor allem betroffen davon sind Männer, die Führungspositionen innehatten. Frauen pflegten in der Regel mehr soziale Beziehungen auch außerhalb des Jobs, so die Meinung vieler Expertinnen und Experten. Das erleichtert für viele den Wechsel in den Ruhestand.
Konfliktpotential Ruhestand: Als Paar in Rente
Der Ruhestand verändert häufig auch die Partnerschaft. Hatte man vorher nur abends, an den Wochenenden und in den Ferien gemeinsam Zeit, sieht das plötzlich ganz anders aus. Das kann gerade am Anfang eine ziemliche Umstellung sein – wie Loriot in dem Film „Pappa ante portas“ sehr anschaulich und humorvoll gezeigt hat. Doch nicht nur der gemeinsame Ruhestand birgt Konfliktpotenz: Selbst, wenn einer der beiden noch arbeitet und der andere nicht, kann das belastend sein. Auf jeden Fall ist es hilfreich, offen über die Situation zu sprechen, gemeinsam Pläne zu schmieden und vor allem auch darauf zu vertrauen, dass sich die Dinge fügen werden. Der Eintritt ins Rentendasein ist ein großer Einschnitt und es bedarf einiger Zeit, sich an die neuen Freiheiten zu gewöhnen.
Endlich Zeit für Hobbys und Reisen
Die beste Möglichkeit, seinen Alltag neu zu strukturieren und sich so angenehm wie möglich zu gestalten, ist, Dinge zu tun, die einem Spaß machen. Und das idealerweise in einer gewissen Regelmäßigkeit. Der beginnende Ruhestand ist der perfekte Moment, um etwas ganz Neues zu lernen oder Hobbys zu pflegen, für die man lange keine Zeit hatte. Ob es eine Sportart wie Yoga oder Pilates, eine neue Fähigkeit wie Fotografieren, Töpfern oder Bridgespielen ist – es gibt jede Menge Hobbys, die ideal für Rentnerinnen und Rentner sind. Wer sich manchmal einsam fühlt, kann sich etwa in einem Buchclub engagieren oder einer Walking-Gruppe anschließen. Auch Volkshochschulen bieten unterschiedlichste Kurse an, in denen man in Gesellschaft anderer neue Dinge lernen kann. Und das in jedem Alter. Die Forsa-Umfrage zum Thema „Einsamkeit im Alter“ zeigte, dass 85 Prozent der Seniorinnen und Senioren ab 75 Jahren einem Hobby nachgehen. Manche Ruheständler und Ruheständlerinnen schaffen sich einen Hund an, andere schreiben sich an der Universität ein oder legen sich einen Kleingarten zu. Auch Reisen stehen bei Älteren hoch im Kurs: 31 Prozent der Befragten über 75 Jahren gaben an, wieder mehr reisen zu wollen. Ob in der Gruppe, allein oder mit Betreuung – Reiseangebote auch speziell für Seniorinnen und Senioren gibt es reichlich.
Weiterarbeiten im Ruhestand
Laut Statistischem Bundesamt haben 2019 ganze acht Prozent der Menschen im Alter ab 65 Jahren weitergearbeitet. Das sind doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. Der finanzielle Aspekt spielt dabei sicher in vielen Fällen eine Rolle – Altersarmut ist traurigerweise ein Thema, das in unserer Gesellschaft mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Doch es gibt auch Rentnerinnen und Rentner, die aus anderen Gründen eine Beschäftigung suchen; weil ihnen eine bestimmte Tätigkeit Freude bereitet, weil sie die sozialen Kontakte missen würden oder die Urlaubskasse aufbessern möchten. Die Hälfte der erwerbstätigen Rentnerinnen und Rentner übt laut Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Minijobs aus. Vor allem jüngere, gesundheitlich fitte und gut ausgebildete Ruheständler und Ruheständlerinnen würden demnach weiterarbeiten. Unter den 65- bis 69-Jährigen waren es 2019 sogar mehr als 18 Prozent. Je nach Ausbildung und Qualifikation bieten sich unterschiedlichste berufliche Tätigkeiten für Rentnerinnen und Rentner an.
Aber Vorsicht: Im Gegensatz zur Teilzeittätigkeit im Ruhestand ist ein grundsätzlich späterer Renteneinstieg nicht empfehlenswert: Ein höheres Renteneintrittsalter fördert Krankheiten, besonders psychische, aber auch physische. Das ergab eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die speziell die Folgen der Abschaffung der Altersrente für Frauen untersuchte.
Ehrenamtliches Engagement für Seniorinnen und Senioren
Eine weitere tolle Möglichkeit, sich im Alter zu beschäftigen und seinem Tag eine Struktur zu geben, ist ein Ehrenamt. Mit anderen in Kontakt treten, etwas für die Gemeinschaft tun, dem eigenen Leben einen Sinn geben: Ob im Verein, in der Nachbarschaft oder bei Hilfsorganisation wie den Maltesern – Seniorinnen und Senioren können sich in vielen Ehrenämtern engagieren. Und das machen sie auch rege: Ganze 33 Prozent der Befragten der Forsa-Umfrage sind bereits ehrenamtlich tätig, weiter 14 Prozent können es sich vorstellen.
Zeit für die Familie
Das neue Leben als Rentnerin oder Rentner bietet viele Möglichkeiten – auch die, sich mehr um die Familie kümmern zu können und Zeit mit den Enkelkindern zu verbringen. Das geht übrigens auch „leihweise“ – zum Beispiel als sogenannte Wunschgroßeltern.
Gut geplant in den Ruhestand
Wer sich auf seinen Ruhestand vorbereitet hat, hat es meist etwas leichter, in der neuen Situation anzukommen. Nehmen Sie sich gerade für die erste Zeit gezielt Dinge vor, die Sie in Angriff nehmen wollen: Gibt es etwas, das Sie schon lange aufgeschoben haben – wie etwa eine Renovierung? Wollten Sie schon immer etwas Neues lernen? Haben Sie ein Sehnsuchtsziel? Der beginnende Ruhestand ist auch eine Zeit der neuen Freiheit: Das kann am Anfang etwas verunsichern, bietet aber auch viele aufregende Möglichkeiten. Und: Scheuen Sie sich nicht davor, Hilfe anzunehmen: Reden Sie mit Freundinnen und Freunden, die den Eintritt in den Ruhestand bereits hinter sich haben, über die neue Situation, involvieren Sie die Familie oder sprechen Sie im Bedarfsfall mit Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin, damit Sie die dritte Lebensphase unbeschwert genießen können.