Testament schreiben: Irrmeinungen und Fakten des Erbrechts

Die Verteilung des weltlichen Besitzes im Todesfall ist in Deutschland über die gesetzliche Erbfolge geregelt. „Doch diese sieht lediglich vor, mit welcher Quote ein Erbe beteiligt ist“, sagt Jan Bittler, Rechtsanwalt für Erbrecht. Wer einzelne Nachlassgegenstände zuordnen und mögliche Streitigkeiten vermeiden möchte, sollte deshalb ein Testament schreiben. Wir klären dazu die wichtigsten Fragen und räumen mit gängigen Mythen auf.

Was regelt die gesetzliche Erbfolge?

3,1 Billionen Euro: Das ist die Summe, die nach Angaben des Deutschen Instituts für Altersvorsorge im Zehnjahreszeitraum von 2015 bis 2024 vererbt wird. Damit der Nachlass im Todesfall geregelt ist, gibt es in Deutschland die gesetzliche Erbfolge. Hier ist das Verwandtschaftsverhältnis der ausschlaggebende Faktor: Nähere Verwandte werden dabei stets zuerst berücksichtigt und schließen weiter entfernte Verwandte vom Erbe aus. Die gesetzliche Erbfolge richtet sich nach Ordnungen. Hier die drei häufigsten:

  • 1. Ordnung: Kinder und Enkelkinder
  • 2. Ordnung: Eltern, Geschwister, Nichten und Neffen
  • 3. Ordnung: Großeltern, Tanten, Onkel, Cousinen, Cousins
     

Darüber hinaus werden auch Ehe- beziehungsweise eingetragene Lebenspartnerinnen und Lebenspartner berücksichtigt. Entgegen der landläufigen Meinung erbt die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner nicht automatisch alles. Gibt es Erbinnen oder Erben der 1. Ordnung, stehen der Ehe- beziehungsweise Lebenspartnerin oder dem Lebenspartner je nach Güterstand des Ehevertrages ein Anteil des Erbes zu. Der Rest wird dann gleichmäßig unter den Kindern aufgeteilt. Leben alle Kinder zum Zeitpunkt des Erbfalles, sind die Enkelkinder von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Enkelkinder erben nur, wenn im Erbfall ein Kind schon vorher verstorben ist. Dann treten sie an die Stelle des Kindes und erben dessen Anteil gemeinsam.

Darum ist ein Testament sinnvoll

Jede oder jeder, der abweichend von der gesetzlichen Erbfolge Personen oder Organisationen als Erbinnen oder Erben benennen möchte, oder jemandem gezielt einen bestimmten Gegenstand zukommen lassen möchte, ist gut beraten, ein Testament zu verfassen. Rechtsanwalt Jan Bittler erklärt dazu: „Über die Frage, wie der Nachlass im Einzelnen verteilt werden soll, kann schnell ein Streit entstehen. Häufig passiert es, dass sich Erben nicht darüber einigen können, was mit einem Haus im Nachlass passieren soll: Ein Erbe will hierin weiterhin wohnen bleiben, ein anderer es verkaufen, ein Dritter es vermieten. Kann keine Einigung erzielt werden, welcher Weg verfolgt werden soll, droht die Versteigerung der Immobilie.“ Das wiederum kann dramatische Folgen haben, wenn dort etwa noch die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner wohnt – sie oder er muss dann das Haus räumen.

Wer kann ein Testament machen?

Ein eigenhändiges, handschriftliches Testament kann jeder ab 18 Jahren errichten („errichten“ ist im Falle eines Testaments der korrekte Terminus). Ab 16 Jahren ist zudem bereits die Errichtung eines notariellen Testaments möglich. Wer ein Testament erstellt, muss testierfähig sein, also Umfang und Tragweite des Testaments erfassen können. Jan Bittler weiß: „Bei neurologisch-psychiatrischen Erkrankungen kann dies ein Problem sein.“

Testament selbst schreiben: Welche rechtlichen Vorgaben gibt es?

Grundsätzlich lässt sich zwischen zwei Formen von Testamenten unterscheiden: einem öffentlichen beziehungsweise notariellen und einem eigenhändig verfassten Testament.

Erbrechtsanwalt Jan Bittler erklärt die Mindestanforderungen an ein selbst verfasstes Testament: „Es muss mit der Hand geschrieben und unterschrieben sein. Es soll darüber hinaus eine entsprechende Überschrift haben (wie beispielsweise „Mein Testament“ oder „Mein letzter Wille“) und mit Ort und Datum versehen werden.“ Diese Vorgaben sind in § 2247 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt. Auch sollten die richtigen juristische Begriffe verwendet werden. Deshalb rät Bittler, ein handschriftliches Testament durch eine Fachanwältin oder einen Fachanwalt für Erbrecht prüfen zu lassen, um etwaige Zweideutigkeiten zu vermeiden: „In Laientestamenten werden oftmals Begriffe wie Nacherbe, Ersatzerbe und Schlusserbe verwechselt.“  

Alternativ kann das Testament vollständig durch eine Expertin oder einen Experten verfasst werden (also eine Notarin oder einen Notar beziehungsweise eine Fachanwältin oder einen Fachanwalt für Erbrecht) und muss von der testierenden Person lediglich noch unterschrieben werden. Ein solches Testament empfiehlt Jan Bittler, wenn „komplexe Familienstrukturen vorliegen, umfangreiches Vermögen vorhanden ist, gegebenenfalls auch ein Auslandsbezug, oder die Familienverhältnisse problembehaftet sind“. Und: Die Errichtung eines notariellen Testaments ist zwingend geboten, wenn eine Behinderung vorliegt, die das eigenhändige Schreiben eines Testaments unmöglich macht.

Was kann über ein Testament geregelt werden?

Halten Sie sich an diese Vorgaben, können Sie über Ihr Testament den Umgang mit Ihrem Nachlass genau regeln. So tragen Sie Sorge, dass es im Falle Ihres Ablebens nicht zu Erbstreitigkeiten kommt und können eventuell Erbschaftsteuer vermeiden.

Folgende Punkte werden für gewöhnlich über den letzten Willen geregelt:

  • Benennen von Erbinnen beziehungsweise Erben
  • Vermächtnisnehmerinnen und Vermächtnisnehmer und deren Vermächtnisse genau bestimmen
  • Benennung von Ersatzerbinnen beziehungsweise Ersatzerben
  • Bestimmung einer Testamentsvollstreckerin oder eines Testamentsvollstreckers – bei namentlicher Nennung auch den Fall regeln, dass diese Person ausfällt
  • Bedingungen, die zum Beispiel an die Erfüllung eines Vermächtnisses geknüpft sind

Wer kann als Erbe beziehungsweise Erbin eingesetzt werden?

Das Aufsetzen eines Testaments ist vor allem dann sinnvoll, wenn Sie abweichend von der gesetzlichen Erbfolge nach eigenen Wünschen Ihren Nachlass geregelt haben möchten. Entsprechend sollten Sie in Ihrem letzten Willen zunächst aufführen, wer Ihre Erbin beziehungsweise Ihr Erbe und damit Ihre Rechtsnachfolge antreten soll.

Als Erbinnen und Erben können nicht nur Ehefrau, Ehemann oder die eigenen Kinder benannt werden – sondern auch jede andere natürliche oder juristische Person (mit Ausnahme von Tieren). Achten Sie beim Aufsetzen Ihres Testaments immer auf klare Formulierungen. Bestimmen Sie mehrere Erbinnen oder Erben, sollten Sie in Ihrem Testament außerdem regeln, zu welchen Teilen Sie Ihr Erbe aufteilen möchten. Dabei kann es sich sowohl um jeweils gleiche als auch um jeweils unterschiedliche Anteile handeln. Sinnvoll ist es, entweder einen Prozent- oder Bruchteil anzugeben.

Kann ich mein Vermögen gänzlich gemeinnützigen Organisationen vermachen?

„Ja“, sagt Fachanwalt Jan Bittler, „auch gemeinnützige Organisationen können als juristische Personen Erbe werden, auch Alleinerbe des gesamten Nachlasses. Sollen diese lediglich Teile des Vermögens erhalten, so werden sie als Vermächtnisnehmer eingesetzt.“

Wie können einzelne Gegenstände vererbt werden?

„Möchte ich lediglich Teile meines Erbes weitergeben, so kann dies über die Anordnung von sogenannten ‚Vermächtnissen‘ erfolgen“ erklärt der Experte, „hierbei wird zunächst ein Erbe eingesetzt, der seinerseits verpflichtet ist, einzelne Gegenstände oder auch gewisse Geldbeträge aus dem Erbe herauszugeben beziehungsweise auszuzahlen.“

Kann ich Bedingungen an das Erbe oder Vermächtnis knüpfen?

Auch Bedingungen und Aufgaben können im Testament formuliert werden, die an den jeweiligen Erbteil geknüpft sind. Jan Bittler erklärt: „Werden die Vorgaben in einem Testament juristisch einwandfrei formuliert, so sind sie für die Erben auch bindend. Will ich zum Beispiel nicht, dass minderjährige Kinder sofort über das Erbe verfügen, kann ich eine sogenannte Testamentsvollstreckung anordnen. Der Testamentsvollstrecker verwaltet dann den Nachlass der Kinder bis zu einem gewissen Alter.“ Der Experte warnt aber vor sittenwidrigen Bedingungen: „Eine Klausel wie beispielsweise ‚Meine Tochter bekommt ihr Erbe nur, wenn sie verheiratet ist, dürfte einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten.“

Können Kinder oder nahe Verwandte enterbt werden?

„Jeder Erblasser ist frei, Kinder und nahe Verwandte zu enterben“, sagt Rechtsanwalt Jan Bittler, „gewisse Personen können jedoch nicht vollständig vom Erbe ausgeschlossen werden.“ Das betrifft die genannten Pflichtteilsberechtigten – also Ehegatten, Abkömmlinge und, falls keine Abkömmlinge vorhanden sind, auch die Eltern des Erblassers. Pflichtteilsberechtigte können ihren Anspruch in Höhe des halben gesetzlichen Erbteils in Geld vom Erben einfordern. „Geschwister, Nichten und Neffen und weitere Verwandte könnten jedoch unproblematisch enterbt werden. Ihnen steht dann kein weiterer Anspruch am Nachlass zu.“

Wann ist eine Testamentsvollstreckung zweckmäßig?

Eine Testamentsvollstreckung ist laut Bittler dann zweckmäßig,

  • wenn bei der Verteilung des Nachlasses zwischen den Erbinnen und Erben ein Streit droht,
  • wenn es minderjährige Erbinnen und Erben gibt, die ihren Erbteil noch nicht selbst verwalten können beziehungsweise sollen,
  • wenn vermieden werden soll, dass der Staat beispielsweise auf das Vermögen einer Erbin oder eines Erben mit Behinderung zugreift,
  • oder wenn die Erbinnen und Erben schlichtweg mit der Abwicklung des Nachlasses überfordert sind.

Letzteres ist oft der Fall, wenn die Erbinnen und Erben geografisch weit verstreut und zum Teil auch im Ausland leben.

Was ist ein Erbschein und wann ist er wichtig?

Ein Erbschein bezeugt, wer der Rechtsnachfolger des Verstorbenen wurde. Ein Erbschein ist zwingend notwendig, wenn sich Immobilien im Nachlass befinden. Denn ohne Erbschein kann die Erbin oder der Erbe nicht als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden. Auch Banken verlangen häufig einen Erbschein, damit Sie wissen, an wen die Vermögensanlagen übergehen.

Wie oder wo hinterlege ich ein Testament?

„Ein Testament wird am besten in die sogenannte amtliche Verwahrung zum Nachlassgericht, also dem Amtsgericht, gegeben“, rät Jan Bittler. Dies kostet einmalig 93 Euro. „Die Verwahrung wird im Zentralen Testamentsregister registriert. Damit ist gewährleistet, dass das Testament im Erbfall auf jeden Fall aufgefunden wird.

Wie verbindlich ist ein Testament? Wann können Erbinnen beziehungsweise Erben ein Testament anfechten?

Ein Testament ist verbindlich, wenn die Formvorschriften eingehalten wurden und die Verfasserin oder der Verfasser testierfähig war. Wichtig sind zudem die exakte Formulierung und die richtige Verwendung von juristischen Fachbegriffen. „Anfechten im juristischen Sinn kann man ein Testament nur, wenn der Testierende unter Gewaltanwendung oder Drohung gezwungen wurde, ein Testament zu errichten beziehungsweise er sich über den Inhalt seines Testaments geirrt hat“, sagt Jan Bittler.

Wo finde ich weiterführende Informationen und Hilfe?

Wenn Sie sich weiter über das Thema Testament informieren möchten, können Sie zum Beispiel den Ratgeber Testament der Malteser bestellen. Zudem können Sie sich auch fachkundig beraten lassen, beispielsweise von einem Erbrechtsjuristen oder einer -juristin der "Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e.V.". Adressen in Ihrer Nähe finden Sie unter www.erbrecht.de.


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