Einsamkeit bei jungen Menschen: Gründe, Folgen und Lösungen

Wer fühlt sich einsam? Das haben britische Forschende über 46.000 Menschen aus fast 300 Ländern gefragt. Die Antwort überrascht: Die einsamsten Menschen sind jung, männlich und leben in Individualgesellschaften. Warum ist das so? Und was hilft gegen Einsamkeit?

Darum geht's:


Darum leiden so viele junge Menschen unter Einsamkeit

Die Ergebnisse des BBC Loneliness Expertiments überraschen. Überwiegend junge Menschen fühlen sich einsam, hat die wissenschaftliche Auswertung ergeben. Betroffen sind vor allem Männer, die in individualisierten Gesellschaften wie den USA, Großbritannien und Deutschland leben. In kollektiven Gesellschaften wie Brasilien oder China fühlen sich weniger Menschen einsam. Ein Problem der Individualgesellschaften ist, dass Menschen oft auf sich selbst gestellt sind. Dazu kommt ein höherer Leistungsdruck, der auch den Jüngeren zu schaffen macht. Mit der Corona-Pandemie haben sich die Belastungen verschärft, allerdings war Einsamkeit bei den unter 30-Jährigen auch schon vor der Pandemie verbreitet. Warum ist das so?

Über die psychischen Folgen von Einsamkeit, auch bei älteren Menschen, erfährst du auf dieser Seite mehr. Die Gründe für Einsamkeit sind so unterschiedlich wie wir Menschen. Das hier sind die häufigsten:

Sozialer Status

Bei einigen Bevölkerungsgruppen gibt es ein höheres Risiko, unter Einsamkeit zu leiden. Dazu gehören Singles, Alleinerziehende, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit gesundheitlicher Belastung, eingeschränkter Mobilität oder wenig Geld.

Schwierige Lebensphasen

Der Winter ist bekannt dafür, bei einigen Menschen die Stimmung runterzuziehen und das Gefühl von Einsamkeit zu verstärken. Man spricht dann vom Winterblues. Manchmal ist es – unabhängig von der Jahreszeit - eine bestimmte Lebensphase, in der uns Einsamkeit zu schaffen macht. Das kann eine Trennung sein, der Tod eines lieben Menschen, ein Umzug, eine neue Schule oder Arbeitsstätte oder ein längerer Auslandsaufenthalt. Während dieser Umbruchphasen fehlen uns die gewohnten Kontakte oder wir können nicht auf sie zurückgreifen. In den meisten Fällen verschwindet die Einsamkeit wieder, wenn die Phase vorüber ist.

Ein Mann starrt ängstlich auf sein Handy

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Mediennutzung

Wenn Instagram, TikTok, Whatsapp und Co. nicht nur eine Erweiterung für soziale Beziehungen und menschliche Bindung sind, sondern zum Ersatz werden, verstärkt sich das Gefühl von Einsamkeit. Wir haben Hunderte Online-Freunde, aber vielleicht niemanden, den wir anrufen können, wenn es uns schlecht geht. Das Gefühl von Einsamkeit ist oft ein Resultat aus mehreren Gefühlen, die sich wie eine Perlenkette aneinanderreihen. Wir sehen, wie toll das Leben der Anderen anderen ist und fühlen uns unzulänglich, nicht gut genug für diese Welt. Im Grunde genommen wissen wir, dass bei Social Media oft nur die beste Version von anderen Menschen präsentiert wird. Trotzdem kommen uns Gedanken wie „Mein Leben ist überhaupt nicht perfekt.“ oder „Ich bin nichts wert“. Daraus wiederum kann das Gefühl entstehen, nicht dazuzugehören und daraufhin folgt das Einsamkeitsgefühl.

Erwartungen an Beziehungen

Einsamkeit entsteht auch dann, wenn unser soziales Umfeld entweder nicht so groß ist wie gewünscht oder die Beziehungen nicht tief genug gehen. Die Lücke zwischen den eigenen Erwartungen und den tatsächlichen Beziehungen kann zu Einsamkeit führen. Selbst wenn wir unter Menschen sind, spüren wir keine Verbindung zu ihnen. Manche beschreiben es wie eine Glasscheibe oder Glocke aus Glas zwischen einem selbst und den anderen Menschen, die verhindert, dass man eine erfüllende Verbindung spürt.

Was ist Einsamkeit?

Ob und wie stark sich jemand einsam fühlt, ist sehr subjektiv. Grundsätzlich wird Einsamkeit als negatives Gefühl wahrgenommen, im Gegensatz zum Alleinsein, das sich auch gut anfühlen kann. Selbst unter Menschen können wir uns einsam fühlen. Das Problem ist ein mangelndes Zugehörigkeitsgefühl oder das Gefühl, keine erfüllende Bindung zu den anderen aufbauen zu können. Ist jemand ungewollt allein, schreiben wir das in der Regel der Situation zu. Fühlt sich jemand einsam, beziehen wir es oft auf die Person, die nicht in der Lage ist, Kontakte zu knüpfen oder zu pflegen. Dadurch wird Einsamkeit tabuisiert, was es Betroffenen noch schwerer macht, damit umzugehen.

Falls du dich gerade fragst, ob du vielleicht auch einsam bist, und mehr über die verschiedenen Formen der Einsamkeit erfahren möchtest, dann schau doch mal in diesen Infotext rein.

Was macht Einsamkeit mit uns?

Expertinnen und Experten sind sich einig: Einsamkeit ist Stress und Stress macht krank. Die Symptome können ganz unterschiedlich sein. Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Verspannungen im ganzen Körper und Herzkreislauferkrankungen wie Bluthochdruck und Herzinfarkt sind die körperlichen Auswirkungen. Je länger die Einsamkeit andauert, umso gravierender sind die Symptome und Erkrankungen. Einsamkeit geht auch auf die Psyche und kann Angst- und Panikattacken sowie Depressionen auslösen. Forschende haben herausgefunden, dass chronische Einsamkeit später im Alter sogar zu Alzheimer-Demenz führen kann und die Lebenserwartung von einsamen Menschen geringer ist.

Inzwischen hat auch die Politik in mehreren Ländern wie Japan und Großbritannien erkannt, dass Einsamkeit ein gesamtgesellschaftliches Thema ist. 2020 hat in Deutschland der Landtag in Nordrhein-Westfalen die parteiübergreifende „Kommission Einsamkeit“ ins Leben gerufen. Schnell wurde klar: Das Problem der Einsamkeit lässt sich nur bedingt von den Betroffenen selbst lösen. Auch die Politik muss tätig werden, zum Beispiel mit einer besseren Sozialpolitik oder auch Städteplanung, um mehr Räume für Begegnungen zu schaffen. Das Bundesfamilienministerium hat ebenfalls auf die Situation reagiert und fördert verschiedene Programme gegen die Vereinsamung von Menschen. Denn für die Betroffenen ist es oft nicht leicht, selbst Wege aus der Einsamkeit zu finden.

Daten, Zahlen, Fakten zur Befragung über Einsamkeit

Beim BBC Loneliness Experiment wurden mehr als 46.000 Menschen im Alter zwischen 16 und 99 Jahren aus 237 Ländern befragt. Bei der Auswertung war nicht nur überraschend, dass überwiegend junge Menschen unter Einsamkeit leiden, sondern auch mehr Männer als Frauen. Weil Einsamkeit oft ein negatives Stigma anhaftet, geben gerade Männer nicht zu, wenn sie einsam sind. Darum haben die Forschenden einen Trick angewendet. Sie haben die Beschreibung „einsam“ explizit nicht genannt, sondern das Gefühl mit anderen Beschreibungen erfragt.

Tipps gegen Einsamkeit

Es gibt leider kein Allheilmittel gegen Einsamkeit. Was dir persönlich helfen kann, ist sehr individuell. Ein guter erster Schritt ist, herauszufinden, was du gerne magst und machst. Im zweiten Schritt geht es darum, eine Gruppe zu finden, die deine Interessen teilt. Wenn wir Dinge tun, die uns Spaß machen, fühlen wir uns seltener einsam. Und wenn wir diese Dinge in der Gruppe tun, umso besser. Vielleicht bist du nicht der Typ, der einfach in einen Verein hineinspaziert und sagt: „Hallo! Da bin ich!“ Nutze den Tag der offenen Tür oder andere Schnupperangebote. Hier kannst du dich erst einmal unverbindlich umschauen, ausprobieren und ein paar Leute kennenlernen. Vielleicht kennst du jemanden, der schon Mitglied eines Vereins ist? Dann begleite die Person zu einem Termin.

Die meisten Kirchengemeinden und kirchlichen Organisationen veranstalten regelmäßige Jugendgruppen, die offen für alle Interessierten sind. Auch bei der Malteser Jugend gibt es in ganz Deutschland Treffen. Üblicherweise geht es nicht nur darum, Teil einer Gemeinschaft zu sein, sondern auch darum, gemeinsam Gutes zu tun, was das Gemeinschaftsgefühl verstärkt. Wer eine Aufgabe hat, fühlt sich seltener einsam, haben Forschende herausgefunden. Ein Ehrenamt beispielsweise ist für die Freiwilligen eine erfüllende Aufgabe. Je nachdem, was du gerne magst und machst, gibt es unterschiedliche Tipps gegen die Einsamkeit. Zum Beispiel im Tierheim aushelfen, Spenden sammeln, Essen für Obdachlose verteilen oder Zeit mit älteren Menschen verbringen, um deren Einsamkeit zu vertreiben.

Hast du Schwierigkeiten, selbst Wege aus der Einsamkeit zu finden? Suche dir am besten professionelle Hilfe. In einer Therapie erfährst du im Gespräch viel über dich und die Gründe deiner Einsamkeit. Das kann ein erster Schritt zur Besserung sein. Darüber hinaus kennen die Profis Techniken, die gegen Einsamkeit helfen können.

Hilfe bei Einsamkeit

Das Bundesfamilienministerium fördert das Projekt Kompetenznetz Einsamkeit. Dort findest du Angebote, die dir bei akuter oder auch chronischer Einsamkeit helfen können. Dazu gehören unter anderem die Telefonseelsorge (Telefon: 0800 111 0 111 & 0800 111 0 222), die Nummer gegen Kummer (Telefon: 116 111) aber auch Netzwerke wie nebenan.de, mit dem du deine Nachbarschaft besser kennenlernst.


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