Junge Menschen in Krisenzeiten: Die psychische Belastung wächst

Corona, der Ukraine-Krieg, die Sorge um die Umwelt, die Gaspreis-Explosion: Viele Menschen haben den Eindruck, in einer Dauerkrise gefangen zu sein. Gerade für Kinder und Jugendliche ist diese Situation und die damit verbundene Ungewissheit oft besonders schwer zu ertragen. Viele von ihnen haben Angst vor der Zukunft und leiden psychisch.

Darum geht's:


Psychische Belastungen durch Corona

Homeschooling, Kontaktverbote, Maskenpflicht: Die Corona-Pandemie hat Kinder und Jugendliche hart getroffen. Das hat auch Sandra Dransfeld, Lehrerin an einer Förderschule in Rietberg bei Paderborn und Bundesjugendsprecherin der Malteser Jugend, beobachtet: „Das war ein absoluter Einschnitt in das Leben von Kindern. Eineinhalb Jahre bei einer oder einem Achtjährigen sind wahnsinnig viel Lebenszeit. Da wurde eine Menge von den Kindern verlangt und ich habe großen Respekt davor, dass sie so gut mitziehen.“

Schon während des Lockdowns fürchtete sie weitreichende Folgen für Kinder und Jugendliche: „Ich glaube, dass in den nächsten Wochen und Monaten bei Kindern und Jugendlichen sicherlich Formen von psychischen Störungen und Erkrankungen auftauchen werden.“

Die sogenannten COPSY-Studie (Corona und Psyche) der Universitätsklinik Eppendorf in Hamburg bestätigte bereits zu Beginn der Corona-Pandemie Sandras Befürchtungen: 85 Prozent der Befragten zwischen sieben und 17 Jahren gaben an, durch Covid-19 stark belastet zu sein. 30 Prozent der jungen Menschen kämpften mit psychischen Problemen. Zum Vergleich: Vor der Pandemie waren es noch 20 Prozent.

Die Dauerkrise und ihre Auswirkungen auf Jugendliche

Nach zwei Jahren Corona zeigte die „JuCo III“-Studie der Universität Hildesheim und der Frankfurter Goethe-Universität, dass die lange Dauer der Pandemie bei jungen Menschen deutliche Spuren hinterlassen hat. Die Angst vor der Zukunft habe sich auch 2021 noch einmal erhöht. Mehr als 20 Prozent der Befragten gaben an, professionelle Hilfe- und Beratungsangebote zu brauchen. Fatal: Sie verfügten nicht über entsprechende Angebote. Zudem, so zeigte es die Befragung, haben die finanziellen Sorgen der jungen Menschen seit der Pandemie zugenommen. Ein Umstand, der jetzt noch durch die Energiekrise und die damit einhergehenden Verteuerungen drastisch verschärft werden wird.

Wie beeinflusst der psychische Stress junge Menschen konkret?

Laut der Studie „Jugend in Deutschland“ leiden 45 Prozent der Befragten unter Stress, 35 Prozent unter Antriebslosigkeit und 32 Prozent unter Erschöpfung. Die Belastung der Kinder und Jugendlichen ist hoch. Das heißt nicht, dass alle krank sind. Es sind vielmehr Sorgen und Ängste, die junge Menschen noch mehr plagen als in der Zeit vor der Pandemie. Immer öfter treten depressive Stimmungen auf oder der psychische Stress zeigt sich im Körper beispielsweise durch Kopf- oder Bauchschmerzen, extreme Müdigkeit oder schlechte Laune.

Noch größer ist der Anteil derjenigen, deren Lebensqualität inzwischen durch Corona schlechter ist. Ganz besonders schwer haben es junge Menschen aus Familien mit geringeren Einkommen oder mit sprachlichen Defiziten, beispielsweise wenn die Eltern kein oder nur wenig Deutsch sprechen. Die SINUS-Studie im Auftrag der Barmer Krankenkasse stellte zudem fest, dass Mädchen auf viele soziale Corona-Konsequenzen sensibler reagiert hätten als Jungen.

Sandra erwartet insgesamt mehr Verständnis für die Situation der jungen Menschen: „Kontakte zu Gleichaltrigen sind in der Kinder- und Jugendzeit eine wichtige Form der Sozialisation. Dadurch, dass sie sich in verschiedenen Rollen erleben, entwickelt sich ihre Identität. Was für Kinder das Spiel ist, ist für Jugendliche das gemeinsame ’Abhängen’. Dieser soziale Erfahrungsraum hat komplett gefehlt. Das darf man nicht vergessen.“

Die Folgen der psychischen Belastungen durch Corona und Co.

Laut einer Studie der Universität Leipzig von Mitte 2022 hat sich die Wartezeit für einen Therapieplatz für Kinder und Jugendliche während der Corona-Pandemie fast verdoppelt – von drei auf sechs Monate. In ländlichen Gebieten liege die Wartezeit sogar noch höher, nämlich bei mehr als einem Jahr. Vor allem Depressionen, Angst- und Anpassungsstörungen sowie Schafstörungen diagnostizierten die Kinder- und Jugendpsychologinnen und -psychologen. Zudem habe der eingeschränkte Kontakt zu Gleichaltrigen auch die Medienabhängigkeit von Jugendlichen begünstigt und verstärkt.

Krieg und Klima: die Krisenlage für Jugendliche

Die Corona-Pandemie ist noch nicht vorbei, doch weitere Krisen belasten bereits die jungen Menschen in Deutschland, das zeigt die „Jugend in Deutschland“-Studie deutlich.

  • 45 Prozent der Befragten haben große Angst vor einer Ausweitung des Ukraine-Krieges.
  • 42 Prozent gehen davon aus, dass die Angst vor Krieg sogar zum Dauerzustand wird.
  • 23 Prozent glauben, dass junge Deutsche sich als Soldatinnen und Soldaten beteiligen werden.
  • 13 Prozent fürchten gar, dass sie möglicherweise fliehen müssen.


Und auch die Angst vor dem Klimawandel stresst die jungen Menschen in Deutschland. Laut SINUS-Studie haben 39 Prozent der Jugendlichen in Deutschland vor dem Klimawandel große Angst, weitere 29 Prozent mittelgroße – und nur 14 Prozent keine Angst.

Hilfe und Angebote für Kinder und Jugendliche in Not

Mit Beginn des ersten Lockdowns 2020 stieg der Stresspegel in den Familien. Die Fälle von häuslicher Gewalt, vor allem gegen junge Menschen und Frauen, hat seitdem zugenommen. Vereine und Hilfsorganisationen schlagen Alarm, doch die Schulen und Kindergärten blieben trotzdem lange Zeit geschlossen. Auch nach der Öffnung leiden viele junge Menschen unter den Folgen der langen Lockdowns. Hilfe und Unterstützung für alle Lebenslagen gibt es beispielsweise bei der Malteser Jugendhilfe.

Falls du selbst betroffen bist oder jemanden kennst, dann findest du hier Hilfe: Nummer gegen Kummer  für Kinder und Jugendliche: 116111
Montag bis Samstag von 14 Uhr bis 20 Uhr kannst du kostenlos und anonym deine Sorgen mit Fachleuten besprechen. Statt zu telefonieren, kannst du auch den Online-Chat nutzen.

Telefonseelsorge: 0800 1110111
Diese Nummer erreichst du rund um die Uhr kostenlos und anonym. Es gibt auch die Möglichkeit, per Mail oder Chat deine Sorgen mit einer anderen Person zu teilen. Hier geht es vor allem darum, dass dir jemand zuhört.

Die „Nummer gegen Kummer“ bietet übrigens auch ein Elterntelefon an. Erreichbar unter 0800 111 0 550.
Auch eine Helpline für Ukrainerinnen und Ukrainer wurde aktuell eingerichtet: 0800 500225 0.


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