Hilfe bei häuslicher Gewalt: Das Leiden beenden
Häusliche Gewalt kann in jeder Beziehung oder Familie vorkommen. Für die Betroffenen ist es eine unaushaltbare Situation. Wir verraten dir, wie du dich verhältst, wenn du Zeugin oder Zeuge häuslicher Gewalt wirst, und wo du Hilfe findest, wenn du selbst betroffen bist.
Darum geht's:
- Häusliche Gewalt hat viele Gesichter
- Häusliche Gewalt: Vier von fünf Betroffenen sind Frauen
- An wen können sich Opfer häuslicher Gewalt wenden?
- Telefonische Hilfsangebote bei häuslicher Gewalt In Apotheken: Codewort „Maske 19“
- Schutzeinrichtungen für Betroffene von häuslicher Gewalt
- Für Angehörige: Anzeichen für häusliche Gewalt erkennen
- Lautloser Hilfeschrei: das Handzeichen bei häuslicher Gewalt
- Häusliche Gewalt: Kinder und Jugendliche leiden mit
- Wie kannst du Betroffenen helfen?
Häusliche Gewalt hat viele Gesichter
Als häusliche Gewalt werden Gewalttaten zwischen Menschen bezeichnet, die in einer häuslichen Gemeinschaft leben oder lebten. Also etwa Ehe- oder Lebenspartner. Dabei geht es meist um Macht und Kontrolle. Schläge und andere Formen der körperlichen Gewalt sind nur eine Form der häuslichen Gewalt. Betroffene können auch psychischer Gewalt ausgesetzt sein – wie Demütigungen, Drohungen, Einschüchterungen, Beschimpfungen oder sozialer Isolation. Auch wirtschaftlicher Druck kann durch den Täter oder die Täterin ausgeübt werden, etwa, indem der Zugang zu Geld verweigert wird. Häusliche Gewalt gibt es in allen Schichten und allen Altersgruppen.
Häusliche Gewalt: Vier von fünf Betroffenen sind Frauen
Laut der kriminalstatistischen Auswertung zur Partnerschaftsgewalt des Bundeskriminalamtes wurden 2020 insgesamt 148.031 Menschen in Deutschland Opfer von Partnerschaftsgewalt (2019 waren es 141.792). Allerdings: Die Dunkelziffer ist vermutlich deutlich höher, denn in vielen Fällen werden die Straftaten nicht zur Anzeige gebracht; meist aus Angst oder Scham. Vier von fünf Betroffene von häuslicher Gewalt sind Frauen. Laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wird etwa jede vierte Frau mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt durch ihren aktuellen oder früheren Partner. Mädchen und Frauen mit Behinderung erleben dabei zwei- bis dreimal häufiger Gewalt als der Bevölkerungsdurchschnitt. Auch bei männlichen Opfern häuslicher Gewalt wird eine hohe Dunkelziffer vermutet, da diese aus Scham häufig nicht über Angriffe ihrer Partnerinnen oder Partner sprechen und Hilfe holen. Zudem ist das Thema bei Männern oft tabuisiert.
An wen können sich Opfer häuslicher Gewalt wenden?
Gewalt, ganz gleich ob physischer oder psychischer Natur, ist strafbar und sollte angezeigt werden. Wer im Falle häuslicher Gewalt die Polizei unter der 110 anruft, macht nichts falsch. Die Polizei kann den Täter oder die Täterin der Wohnung verweisen und ein Rückkehrverbot für mehrere Tage aussprechen, wenn die Gefahr weiterer Gewalthandlungen besteht. In manchen Bundesländern kann die Polizei auch ein vorübergehendes Kontakt- und Näherungsverbot aussprechen.
Es gibt außerdem in ganz Deutschland Beratungsstellen für Opfer häuslicher Gewalt. Betroffene Frauen finden eine Beratungsstelle in ihrer Nähe unter www.frauen-gegen-gewalt.de. Männer finden entsprechende Beratungsangebote zum Beispiel auf der Seite maennerberatungsnetz.de. Die Angebote sind kostenlos und die Mitarbeitenden unterliegen der Schweigepflicht.
Details sind wichtig
Die Polizei rät allen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, sich für eine mögliche Strafanzeige Details zu den Vorfällen zu notieren (Datum, Uhrzeit, was ist genau geschehen?). Verletzungen sollten ärztlich untersucht, attestiert und fotografiert werden, damit sie für eine mögliche Strafanzeige beweissicher dokumentiert sind.
Telefonische Hilfsangebote bei häuslicher Gewalt
- Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ des Familienministeriums: 08000 / 116 016, jeden Tag 24 Stunden erreichbar
- Hilfetelefon „Gewalt gegen Männer“: 0800 / 1239900, Mo bis Do 8 bis13 und 15 bis 18 Uhr, Fr. 8 bis 15 Uhr
- Opfer-Telefon des Weißen Rings: 116 006, täglich von 7 bis 22 Uhr
- Hilfetelefon sexueller Missbrauch: 0800 / 22 55 530, Mo., Mi., Fr. 9 bis 14.00 Uhr, Di. und Do.15 bis 20 Uhr
- „Nummer gegen Kummer“ für Kinder und Jugendliche: 116 111, Mo bis Sa 14 bis 22 Uhr
- „Nummer gegen Kummer“ Elterntelefon: 0800 111 0550, Mo bis Fr. 9 bis 11 Uhr, Di. und Do. 17 bis 19 Uhr
- Telefonseelsorge Deutschland: 0800 / 111 0 111 oder 0800 111 0 222 oder 116 123
In Apotheken: Codewort „Maske 19“
Nicht immer ist es Betroffenen möglich, ungestört zu telefonieren. Aus Frankreich kommt die Idee, dass Opfer häuslicher Gewalt über ein Codewort in Apotheken auf ihre Situation aufmerksam machen können – sogar dann, wenn Täter oder Täterin direkt neben ihnen stehen. Wer in einer Apotheke eine „Maske 19“ bestellt, signalisiert damit, dass er oder sie dringend Hilfe braucht. Die Apothekerin oder der Apotheker ruft dann unauffällig die Polizei oder notiert Name und Adresse für die Lieferung der Maske – im Anschluss werden die Behörden informiert. Inzwischen machen auch schon einige Apotheken und Ärzte in Deutschland mit.
Schutzeinrichtungen für Betroffene von häuslicher Gewalt
Wer häusliche Gewalt erlebt, kann allein oder mit seinen Kindern zu jeder Tages- und Nachtzeit Schutz in einem Frauen- oder Männerhaus oder einer Schutzwohnung finden und damit der Bedrohung zu Hause entkommen. Die Schutzeinrichtungen stehen allen offen, völlig unabhängig von der eigenen finanziellen Situation, der Herkunft oder der Religionszugehörigkeit.
- Eine bundesweite Übersicht über freie Plätze in Frauenhäusern und Schutzwohnungen für Frauen gibt es unter www.frauenhauskoordinierung.de und www.frauenhaus-suche.de
- Auch für Männer gibt es Schutzwohnungen. Eine Übersicht entsprechender Angebote gibt es auf www.maennergewaltschutz.de
Tolle Idee aus Polen: Geheimer Notruf über Online-Shop
In Polen gibt es eine als Online-Shop getarnte Anlaufstelle für Opfer häuslicher Gewalt. „Rumianki i bratki“ verkauft offiziell Kosmetikprodukte. Betroffene senden eine Anfrage an den Shop und können so getarnt als Beauty-Bestellung mit einer Psychologin in Kontakt treten. Das ist wichtig, falls Täter oder Täterin die Mails mitlesen! Die macht sich über Rückfragen ein Bild von der Situation. „Seit wann haben Sie Probleme mit der Haut?“, „Wie reagiert Ihre Haut mit Alkohol?“, „Brauchen Sie auch für Ihre Kinder Kosmetikprodukte?“ So kann unauffällig in Erfahrung gebracht werden, ob auch Kinder betroffen oder beim Täter Alkohol im Spiel ist und entsprechend hinsichtlich Hilfsangeboten beraten werden. Gibt jemand seine Adresse mit an, ist das das Zeichen für die Psychologinnen, dass sie die Polizei alarmieren müssen.
Für Angehörige: Anzeichen für häusliche Gewalt erkennen
Häusliche Gewalt ereignet sich meist hinter verschlossenen Türen. Dennoch gibt es Anzeichen dafür, dass jemand betroffen sein könnte. Folgendes können unter Umständen Warnsignale sein:
- Jemand aus deinem Umfeld zieht sich sozial zurück, hat keine Zeit mehr für Verabredungen und immer neue Ausflüchte, warum sie oder er sich nicht mehr mit dir treffen kann.
- Jemand aus deinem Umfeld hat Verletzungen (teilweise in unterschiedlichen Heilungsstadien) wie ein blaues Auge, die nicht oder nicht stimmig erklärt werden können.
- Jemand aus deinem Umfeld trifft ohne Rücksprache mit dem Partner oder der Partnerin keine eigenen Entscheidungen mehr und muss für alles um Erlaubnis fragen.
- Jemand aus deinem Umfeld hat plötzlich kein eigenes Geld mehr zur Verfügung.
- Jemand aus deinem Umfeld leidet unter Angst- oder Panikattacken oder anderen psychischen Problemen.
Lautloser Hilfeschrei: das Handzeichen bei häuslicher Gewalt
Mit dem von der Canadian Women’s Foundation entwickelten „Violence at Home Signal for Help“ („Signal für Hilfe bei häuslicher Gewalt“) können Betroffene unauffällig per Handzeichen um Hilfe bitten. Die Hand wird geöffnet hochgehalten, dann der Daumen auf die Innenseite der Handfläche gelegt, dann die Finger über dem Daumen zusammengeklappt. Inzwischen verbreitet sich das Zeichen über die sozialen Medien auch in anderen Ländern. Ende 2021 konnte so ein entführtes Mädchen gerettet werden: Die 16-Jährige saß im Auto ihres Entführers und macht das Handzeichen, ein anderer Autofahrer erkannte das Zeichen und rief die Polizei.
Häusliche Gewalt: Kinder und Jugendliche leiden mit
Kinder und Jugendliche, die häusliche Gewalt miterleben, leiden in der Regel extrem darunter. Zu sehen, wie eine geliebte Person Gewalt erlebt, kann sogar stärker traumatisieren, als selbst Opfer zu sein. Viele Infos zum Thema häusliche Gewalt, speziell für Kinder und Jugendliche, gibt es auf www.gewalt-ist-nie-ok.de.
Kinder und Jugendliche können sich bei Gewalt oder Problemen zu Hause, in der Schule, mit Freunden oder wenn sie sich bedroht fühlen oder Selbstmordgedanken haben, anonym und kostenlos Hilfe und Unterstützung holen. Zum Beispiel hier:
- Kinder- und Jugendtelefon „Nummer gegen Kummer“: 116 111, Mo bis Sa 14 bis 20 Uhr. Es gibt auch eine Online-Beratung.
- Online-Beratung von Jugendlichen für Jugendliche: www.youth-life-line.de. Die Beratung wird durch ehrenamtliche geschulte Jugendliche durchgeführt (Peer-Beraterinnen und -Berater), die von pädagogisch-therapeutisch ausgebildeten Fachkräften unterstützt werden.
- Auch Kinderschutzzentren beraten Kinder und Jugendliche, die von Gewalt und schweren Krisen betroffen sind. Auf www.kinderschutz-zentren.org gibt es eine Übersicht mit Schutzzentren in ganz Deutschland.
- In der Schule kannst du dich an deine Lehrkräfte oder Vertrauenslehrerinnen und -lehrer wenden, wenn es Probleme zu Hause gibt.
In akuten Gefahrensituationen ist es am besten, andere Erwachsene um Hilfe zu rufen oder die Polizei zu rufen und die Wohnung zu verlassen, um Schutz bei Nachbarn, Freunden oder Verwandten zu suchen. Auch von da kann mit Hilfe der Erwachsenen die Polizei gerufen werden. Gehe nicht dazwischen, wenn zu Hause jemand geschlagen wird!
Wie kannst du Betroffenen helfen?
Ist jemand aus deinem Umfeld von häuslicher Gewalt betroffen oder vermutest du es, dann signalisiere deine Hilfsbereitschaft und Unterstützung und frage verständnisvoll und konkret nach („Kann es sein, dass …?“). Nimm die- oder denjenigen ernst und zeige ihr oder ihm auf, welche Hilfsmöglichkeiten es gibt. Bedenke dabei immer: Sich aus einer gewalttätigen Beziehung zu lösen, ist nicht leicht! Verurteile niemanden, der nicht sofort Hilfe annehmen kann.
Im akuten Notfall immer 110 anrufen!
Du bist Zeugin oder Zeuge häuslicher Gewalt und hörst zum Beispiel Schreie aus einer Nachbarwohnung? Rufe in so einem Fall immer sofort die Polizei. Schreite nicht allein ein – das könnte dich oder andere in Gefahr bringen.