„Working Poor“ in Deutschland: Arm trotz Job

Sie arbeiten, zum Teil sogar in mehreren Arbeitsverhältnissen, und leben dennoch unter der Armutsgrenze: Millionen Deutsche sind von sogenannter Erwerbsarmut betroffen. Auch viele Familien zählen zu den „Working Poor“. Welche Folgen damit verbunden sind, erfährst du hier.

Darum geht’s:


Arm trotz Arbeit – kein Einzelschicksal

Armut betrifft hierzulande nicht nur Menschen ohne Job. Im Gegenteil: 7 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland leben laut Statistischem Bundesamt unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze. Anders gesagt: Rund drei Millionen Menschen haben zwar einen oder mehrere Jobs, aber ihr Einkommen reicht nicht für ein Leben ohne ständige Geldsorgen. Oft zählen Reinigungskräfte, Paketbotinnen und Paketboten oder Callcenter-Beschäftigte zu diesen sogenannten „Working Poor“, arbeitenden Armen, wie dieses Phänomen international genannt wird. Doch wie kann es sein, dass Arbeit nicht mehr vor Armut schützt?

Was für Formen von Armut gibt es?

Bei der Definition von Armut wird unterschieden zwischen absoluter, relativer und gefühlter Armut. Von absoluter Armut betroffen ist, wer seine Grundbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung, Wohnung oder Zugang zu medizinischer Versorgung nicht abdecken kann. Diese Form von Armut kommt in Deutschland eher selten vor. Von relativer und gefühlter Armut allerdings sind auch in unserer wohlhabenden Gesellschaft Millionen von Menschen in ganz unterschiedlichen Formen betroffen.

Wer gilt in Deutschland als arm?

Als arm gilt hierzulande, wer über ein Haushaltsnettoeinkommen von weniger als 60 Prozent des sogenannten mittleren Einkommens verfügt. Die Armutsgrenze hängt außerdem von der Anzahl und dem Alter der Mitglieder im Haushalt ab. 12,2 Millionen Menschen mussten 2022 zu den Armutsgefährdeten gerechnet werden. Fünf Millionen dieser Menschen waren laut Statistik von „erheblicher materieller und sozialer Entbehrung“ betroffen.

Wer ist von Erwerbsarmut besonders betroffen?

Arm trotz Job – obwohl sie regelmäßig arbeiten, müssen Millionen Menschen mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland auskommen. Von diesem Problem sind bestimmte Bevölkerungsgruppen stärker als andere betroffen. So haben Erwerbstätige mit befristeten Arbeitsverträgen ein deutlich höheres Armutsrisiko, das Gleiche gilt für Teilzeitarbeitende und Arbeitnehmende im Niedriglohnsektor, Geringqualifizierte oder Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger.

Welche Faktoren tragen zu Erwerbsarmut bei?

Statistisch tragen folgende Faktoren dazu bei, „Working Poor“ zu werden:

  • Niedriglöhne: 2023 wurde hierzulande fast jeder fünfte Job dem Niedriglohnbereich zugerechnet.
     
  • Wer einen Minijob hat – etwa an der Supermarktkasse oder als Küchenhilfe – ist geringfügig beschäftigt und darf höchstens 538 Euro im Monat verdienen. Menschen in diesen Jobs sind überdurchschnittlich von Erwerbsarmut betroffen.
     
  • Personen in Leiharbeitsverhältnissen und Solo-Selbständige haben ebenfalls ein erhöhtes Armutsrisiko.
     
  • Ein sogenanntes gruppenspezifisches Armutsrisiko – unabhängig von der Frage, ob sie erwerbstätig sind oder nicht – haben Familien mit drei oder mehr Kindern und Alleinerziehende.
     
  • Auch regional gibt es Unterschiede: Die Armutsquote aufgrund von Erwerbsarmut ist bundesweit in Bremen am höchsten (28,2 Prozent), gefolgt von Berlin (20,1 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (19,2 Prozent). Am niedrigsten ist sie (mit 12,8 Prozent) in Bayern.
     
  • Insgesamt sind erwerbstätige Männer etwas häufiger betroffen als erwerbstätige Frauen.

Armut schränkt ein – in vielfacher Hinsicht

Von Armut betroffene Menschen leiden unter materiellen und sozialen Entbehrungen. Ihre Lebensbedingungen sind spürbar eingeschränkt, das gilt sowohl für ihre finanziellen Möglichkeiten als auch für die Teilhabe an sozialen Aktivitäten und berufliche Einstiegs- oder Aufstiegschancen.

  • 2022 litten in Deutschland statistisch 5,1 Millionen Menschen unter „erheblichen“ Entbehrungen dieser Art.
     
  • Sie waren laut Statistischem Bundesamt beispielsweise nicht in der Lage, ihre Miete, Schulden oder eine einwöchige Urlaubsreise zu bezahlen, abgewohnte Möbel zu ersetzen oder mit Freunden oder Familie einmal im Monat etwas essen oder trinken zu gehen.
     
  • 5,5 Millionen Menschen konnten aus Geldmangel ihre Wohnung nicht angemessen heizen, 2,6 Prozent der Bevölkerung ab 16 Jahren kann sich keinen Internetzugang leisten.

Was für Folgen kann Armut für Kinder und Jugendliche haben?

Armut zeigt sich in Deutschland aber nicht nur durch fehlende finanzielle Mittel, sondern auch durch den stark eingeschränkten Zugang zu höherer Bildung, sozialen Kontakten oder kulturellen Ereignissen. Kinder, die in von Armut betroffenen Familien aufwachsen, leiden besonders stark – und sind einem vielfach höheren Armutsrisiko ausgesetzt als ihre Altersgenossen aus besser gestellten Verhältnissen. Das bedeutet: In Armut aufzuwachsen, schränkt nicht nur den Alltag, sondern auch die Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen dramatisch ein.

Aufstockung des Gehalts – wer hat Anspruch?

Es gibt die Möglichkeit, zusätzlich zum Lohn soziale Leistungen (SGB-II-Leistungen, seit Anfang 2023 sogenanntes Bürgergeld) in Anspruch zu nehmen. Berechtigt sind Menschen, die zwar einen Job haben, aber mit ihrem Gehalt nicht ihren eigenen oder den Lebensunterhalt ihres Haushaltes bestreiten können. Diese Personengruppe wird auch „Aufstocker“ genannt, die Bundesagentur für Arbeit spricht von „erwerbstätigen Leistungsberechtigten“. 2022 waren dies in Deutschland rund 810.000 Menschen. Wichtig: Beziehen diese Erwerbstätigen wegen ihres geringen Einkommens zusätzlich Grundsicherungsleistungen, wird das Gehalt auf diese Leistungen angerechnet.

Wie kann ich Betroffenen helfen?

Von Armut betroffene Menschen sind häufig auf Hilfsprojekte angewiesen. Die Malteser haben mehrere Projekte, mit denen sie dringend benötigte Unterstützung leisten und Betroffenen ein offenes Ohr bieten. Wer helfen möchte, kann diese Malteser Projekte finanziell unterstützen.


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