Jugendarmut in Deutschland: Die Chancengleichheit fehlt
Der Start in ein selbständiges Leben ist für viele junge Erwachsene in Deutschland durch Armut belastet. Jeder vierte armutsgefährdete Mensch in Deutschland ist jünger als 25 Jahre alt. Besonders betroffen: die 18- bis 25-Jährigen. Aber warum ist das so?
Darum geht’s:
- Wie ist die Lage der jungen Erwachsenen in Deutschland?
- Warum sind junge Erwachsene in Deutschland so häufig arm?
- Ab wann gilt man als armutsgefährdet?
- Warum ist Armut für junge Erwachsene besonders belastend?
- Was für Auswirkungen hat Armut auf die Chancengleichheit?
- Was für Folgen hat Armut noch?
- Was tun die Malteser gegen Armut?
Wie ist die Lage der jungen Erwachsenen in Deutschland?
Keine andere Altersgruppe in Deutschland ist so stark durch Armut bedroht wie ausgerechnet die jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren. Jeder vierte von ihnen gilt als armutsgefährdet – im Jahr 2021 waren das 1,55 Millionen junge Erwachsene.
Laut Bertelsmann Stiftung betrifft das Armutsrisiko mehr Frauen als Männer und eher junge Ost- als Westdeutsche. Auch Jungen und Mädchen unter 18 Jahren leiden unter Kinderarmut: Fast 3 Millionen Kinder in Deutschland sind davon betroffen.
Warum sind junge Erwachsene in Deutschland so häufig arm?
Die Bertelsmann Stiftung benennt „junge Menschen in alleinerziehenden Familien sowie in Familien mit drei und mehr Kindern“ als überdurchschnittlich von Armut betroffen. Passend dazu schlussfolgert der Monitor Jugendarmut 2022 der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit BAGKS: „Jugendarmut wird in der Regel ‘geerbt’, selten selbst verursacht“. Junge Menschen, die mit Armut und der damit einhergehenden Ausgrenzung konfrontiert sind, seien dies vor allem durch ihr Elternhaus, das Einkommen der Familie und deren Bildungsstand. Corona, der Ukraine-Krieg, die Energiekrise und die hohe Inflation hätten die Lage noch für viele junge Erwachsene verschärft.
Was ist Armut genau?
Wenn Menschen wichtige Grundbedürfnisse nicht oder nicht umfassend befriedigen können, gelten sie als arm beziehungsweise armutsgefährdet. Wichtige Grundbedürfnisse sind etwa Nahrung, Kleidung, Wohnraum und medizinische Versorgung. Es wird differenziert zwischen absoluter, relativer und gefühlter Armut. Bei dieser Unterscheidung wird sowohl das soziale als auch das wirtschaftliche Umfeld berücksichtigt.
Ab wann gilt man als armutsgefährdet?
Als Grundlage für die Einschätzung, ob eine Person von Armut gefährdet ist, dient der sogenannte Bundesmedian. Der Median ist das mittlere (nicht das durchschnittliche) Einkommen für das gesamte Bundesgebiet. Wer 60 Prozent oder weniger davon zur Verfügung hat, gilt in Deutschland als armutsgefährdet. Wichtig ist: Regionale Unterschiede werden dabei nicht gemacht, also auch nicht kostspieligere oder günstigere Regionen und Lebensbedingungen berücksichtigt. Damit gilt der Median vielen Expertinnen und Experten nicht als aussagekräftig genug.
Warum ist Armut für junge Erwachsene besonders belastend?
Gerade in einem Alter, in dem gesellschaftliche Teilhabe eine große Rolle spielt, ist sie jungen armutsbetroffenen Erwachsenen nur eingeschränkt möglich. Mal in den Club, auf ein Konzert oder ins Kino gehen – das alles kostet Geld. Ebenso die Teilnahme in Sportclubs, der Zugang zu Internetspielen oder etwa die Möglichkeit, ein Instrument zu lernen. Sind diese finanziellen Mittel nicht vorhanden, ergibt sich die soziale Ausgrenzung häufig automatisch. Dazu kommen oft Schamgefühle, die zu einer weiteren Isolation führen können. Oft müssen sich Jugendliche und junge Erwachsene aus armutsgefährdeten Familien auch noch um ihre Geschwister kümmern, die Eltern unterstützen. Das kann zusätzlich zu Überforderungen führen.
Was für Auswirkungen hat Armut auf die Chancengleichheit?
Laut Monitor Jugendarmut 2022 sorgen sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen aktuell noch mehr um die Zukunft als früher. Leider aus gutem Grund: Digitale Bildungsangebote und steigende Wohn- und Lebenskosten schließen weniger zahlungskräftige Jugendliche und junge Erwachsene vermehrt aus. Sie fühlen sich in einer Armutsspirale gefangen.
- Nicht in jeder Region gibt es ausreichend Studienplätze, Ausbildungs- und Jobangebote. Doch viele junge Erwachsene, die in eine Ausbildung in einer anderen Stadt oder Region beginnen möchte, können sich die Mieten heute schlicht nicht leisten.
- Auch Nebenjobs brachen während der Pandemie weg, mit denen sich junge Erwachsene sonst klassisch während der Ausbildung etwas dazuverdienen konnten.
- Studenten, Azubis oder Schüler haben deshalb häufig zu wenig Geld zum Leben.
- Die Folge: Die jungen Erwachsenen müssen teils zu Hause wohnen bleiben, für sie scheiden Ausbildungsjobs in anderen Regionen aus.
- Auch die Digitalisierung hilft da nicht. Im Gegenteil: Durch vermehrte digitale Teilhabe und Bildungsangebote sind auch Kosten entstanden – es werden Zugangsgeräte mit ausreichend Datenvolumen und teils zahlungspflichtige Dienstleistungen im Internet benötigt.
- Das alles schränkt die Bildungsmöglichkeiten und damit die Chancengleichheit ein.
Was für Folgen hat Armut noch?
Neben der sozialen Ausgrenzung und beruflichen Schwierigkeiten gibt es einige weitere gravierende Faktoren, die junge Erwachsen in Armut belasten. Häufig ist die Wohnsituation eingeschränkt: Die Betroffenen müssen bei ihren Eltern und Geschwistern wohnen, der Wohnraum klein ist oder gar sanierungsbedürftig. Auch eine gesunde Ernährung kommt häufig zu kurz, da sie vergleichsweise kostspielig ist. Das hat weitere Folgen, wie der WSI-Verteilungsbericht 2022 „Armut grenzt aus“ vom Wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Institut feststellt:
- Armut wirke sich demnach negativ auf die Gesundheit aus. Sie ginge einher mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für chronische Krankheiten (Herzerkrankungen, Diabetes oder chronischer Bronchitis).
- Auch ein höheres Risiko für Krebserkrankungen sei gegeben.
- Ärmere Menschen seien im Vergleich zur Gesamtbevölkerung häufiger traurig oder ängstlich, insgesamt unzufriedener als die Gesamtbevölkerung und blickten weniger zuversichtlich in die Zukunft.
- Psychische Störungen können die Folge sein.
Was tun die Malteser gegen Armut?
Die Malteser haben eine ganze Reihe von Angeboten für bedürftige Menschen in Deutschland. Unter anderem gibt es:
- 10 Malteser Tafeln. Ulrike Bergmann-Fritz, die Leiterin der Malteser-Tafel Trostberg sagt: „Niemand ist freiwillig arm. Und auch wer arm ist, hat Würde.“ Auch sie bemerkt die Zunahme der Armut im Land. Seit 20 Jahren gibt es die Tafel in Trostberg bereits. Kamen lange Zeit etwa 250 Menschen pro Woche, sind es seit dem Ukraine-Krieg 400 – Tendenz steigend.
- 19 Einrichtungen der Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung,
- 25 Malteser Kleiderkammern,
- 31 Verpflegungsangebote und
- 10 Malteser Wärmebusse
Wenn du die oben aufgeführte Arbeit unterstützen und einen kleinen Beitrag im Kampf gegen die Armut in Deutschland leisten möchtest, kannst du das zum Beispiel mit einer Spende an die Malteser tun.