Erste Hilfe in der freien Natur
Im Sommer heißt es: ab in die Natur! Wandern, Klettern oder mit dem Mountainbike durch Wälder, Felder oder Berge. Passiert ein Unfall in der „Wildnis“, kann es mitunter lange dauern, bis Hilfe kommt. Wir zeigen dir, wie du „Outdoor Erste Hilfe“ leistest.
Darum geht's:
Was ist anders bei Erster Hilfe Outdoor?
Im Wald oder in den Bergen bewegen wir uns in der Regel auf unbefestigten Wegen oder unwegsamem Gelände. Das macht den Reiz aus. Aber genau hier liegen auch die Gefahren: Wenn du zum Beispiel in einer Mulde umknickst, über eine Wurzel stolperst oder dich mit dem Taschenmesser schneidest, können die Auswirkungen ganz unterschiedlich ausfallen – von einer leichten Prellung oder offenen Wunden bis hin zum Knochenbruch oder Bewusstlosigkeit. Außerdem können Insektenstiche zu allergischen Schocks führen und nicht selten kommt es vor, dass Menschen ihre eigenen Kräfte überschätzen und besonders bei Hitze kollabieren. Kommen vielleicht noch Vorerkrankungen dazu, kann das sogar zum Herzinfarkt führen.
Musst du Erste Hilfe leisten, ist das in der „Wildnis“ oft schwieriger. Das weiß auch Dominik Demme. Er ist bei den Maltesern in Fulda ehrenamtlicher Erste-Hilfe-Ausbilder und gibt auch Kurse für den Outdoor-Bereich. „Der Unfallort in der freien Natur unterscheidet sich dadurch, dass dieser im Regelfall viel höher oder tiefer liegt, zu heiß oder zu kalt ist, kein Dach hat und der Rettungsdienst eventuell nicht hinkommt.“
In seinen Outdoor-Kursen übt Dominik mit den Teilnehmenden unter anderem die stabile Seitenlage, eigentlich ein klassisches Element der Ersten Hilfe. Diese Position soll verhindern, dass eine Person an ihrem Erbrochenen erstickt; dafür muss vpr allem der Kopf tiefer als der Rest des Körpers liegen. „An einer Wiese oder einem Waldstück mit Schräglage muss ich genau diese Schräglage beachten“, sagt Dominik. „In den Kursen passiert es oft, dass die Teilnehmenden den Kopf so legen, dass dieser nicht den Hang hinunter zeigt, sondern nach oben. Damit wird der eigentliche Sinn der stabilen Seitenlage gar nicht berücksichtigt“.
Ein weiterer kritischer Punkt bei Outdoor-Unfällen: Nicht überall können Rettungskräfte hinkommen. „In ganz vielen Waldgebieten ist keinen Empfang“, sagt Dominik. „Das heißt, ich muss mir Gedanken machen: Wie setze ich den Notruf ab? Wo kann ich von einem Rettungshubschrauber gut gesehen werden? Wie kann ich zur nächsten Straße gelangen?“
Outdoor Erste Hilfe heißt improvisieren
Grundsätzlich gilt auch bei Unfällen in der freien Natur die übliche Rettungskette:
- Situation erfassen,
- Eigensicherung,
- Lebensrettende Sofortmaßnahmen durchführen,
- Hilfe holen.
Bist du in der Gruppe unterwegs, teilt ihr euch die Aufgaben auf und agiert nach der sogenannten „2K-Technik“. Dabei ist eine Person Kontakter und die andere Koordinator. Dominik erklärt das so: „Der Kontakter ist die Person, die bei der oder dem Verletzten bleibt und die Erste Hilfe-Maßnahmen durchführt. Der Koordinator organisiert alles Drumherum und holt Hilfe. Im Outdoor-Bereich kann das bedeuten, dass ich erst einmal einen Kilometer laufen muss, um Empfang zu haben.“
Hast du Empfang, taucht oft ein weiteres Problem auf: Du weißt nicht, wo genau du bist. Doch genau das muss die Rettungsleitstelle wissen, um Hilfe schicken zu können. Eine Lösung sind Apps, die mit dem GPS-Signal arbeiten. Dafür brauchst du keinen Empfang, denn GPS funktioniert ohne das Mobilfunknetz. Dominik nutzt zum Beispiel die App Hilfe im Wald.
Diese App lokalisiert deinen Standort über GPS und zeigt dir den Weg zum nächsten Rettungspunkt an. Bei diesen Rettungspunkten ist sichergestellt, dass Rettungskräfte diese Orte auch erreichen können. In der Regel hast du dort auch Empfang. Falls die verletzte Person gar nicht bewegt werden kann, gibt dir die App deine Standortkoordinaten an, die du beim Notruf durchgeben kannst. Bis Hilfe eintrifft, führst du die Erste-Hilfe-Maßnahmen durch. In der freien Natur musst du improvisieren und erfinderisch sein. Das bedeutet: Schau dich um, was du aus deiner Umgebung nutzen kannst. Aus Stöcken baust du eine Beinschiene oder eine Trage. Aus kühler Walderde und einem Einweghandschuh stellst du ein Coolpack für Prellungen oder Verstauchungen her.
Dominik verteilt in seinen Kursen eine spezielle Broschüre, die alle Erste-Hilfe-Maßnahmen auflistet und Schritt für Schritt erklärt: unter anderem Brüche, Zeckenbisse, Schlangenbisse, allergische Reaktionen, Sonnenstich oder Unterkühlung. Der Deutsche Alpenverein DAV stellt im Internet eine PDF-Datei für Notfälle in den Bergen bereit, die du hier als Download bekommst. Speichere sie am besten auf deinem Smartphone ab oder drucke alles aus. Die Ausdrucke solltest du allerdings wasserfest verpacken, damit sie nicht nass werden können.
Tipp: Bereite dich gut vor
Bevor du dich auf einen längeren Ausflug in die freie Natur aufmachst, solltest du immer ein paar Dinge vorbereiten:
- Lade den Akku deines Smartphones voll auf.
- Checke deine Erste-Hilfe-Tasche.
- Mache dich mit der Umgebung und dem Wetter vertraut.
- Schätze deine Kondition richtig ein.
- Checke deine Ausrüstung.
- Packe eine Taschenlampe oder Stirnlampe ein.
Je nachdem, wo du unterwegs bist, kann es sinnvoll sein, die gute alte Umgebungskarte auf Papier mitzunehmen und einen Kompass. Dann sollte aber mindestens eine Person dabei sein, die sich damit auskennt.
Hilfe rufen ohne Smartphone
In der Natur zeigen sich manchmal die Tücken der Smartphone-Technik: Kein Empfang, ein leerer Akku oder ein Defekt am Gerät (zum Beispiel durch einen Sturz) machen das Smartphone (vermeintlich) nutzlos. Aber das ist noch kein Grund zur Panik: Liegt es nur am Empfang, nutze eine App, die mit dem GPS-Signal arbeitet wie die App „Hilfe im Wald“ oder die Notfall-App nora.
In den Bergen machst du mit dem sogenannten alpinen Notsignal auf dich aufmerksam, indem du rufst, pfeifst oder Lichtsignale sendest, zum Beispiel mit der Taschenlampe.
Und so geht das alpine Notsignal:
- Eine Minute lang alle 10 Sekunden ein Signal senden (6x pro Minute)
- Eine Minute warten
- Wieder eine Minute lang alle 10 Sekunden ein Signal senden
Wird das Signal erkannt, kommt in der Regel die Antwort so: 3x pro Minute ein Signal, also alle 20 Sekunden, dann eine Minute Pause usw. Wiederhole dein Signal, bis ihr gefunden werdet.
Falls ein Rettungshubschrauber unterwegs ist, stelle dich so hin, dass du gesehen wirst. Mach dann mit einer Taschenlampe, Rettungsdecke oder einem Kleidungsstück mit knalligen Farben auf dich aufmerksam. Halte die Landefläche frei und sammele alle losen Gegenstände ein. Bei Schnee oder sehr sandigem Untergrund solltest du eine Brille aufsetzen und Mund und Nase schützen, wenn ein Helikopter landet.
Die perfekte Erste Hilfe-Tasche für unterwegs
Welche Materialien du mitnimmst, hängt immer davon ab, wie lange und wo du unterwegs bist. Machst du einen Tagesausflug? Geht es abends in ein Hotel oder ins Basislager, wo du dann beispielsweise Sonnenbrände oder Zeckenbisse behandelst? Oder übernachtest du in der Natur?
„Zur Minimalausstattung gehören die Rettungsdecke, das Dreieckstuch und ein bisschen Verbandsmaterial“, erklärt Dominik. „Hierbei spielt auch wieder die Improvisation eine Rolle. Ich kann mir das Dreieckstuch vielleicht sparen, wenn beispielsweise Pfadfinder dabei sind, die sowieso ein Halstuch in Dreiecksform haben.“
Eine Zeckenkarte oder -pinzette ist ein Muss, wenn du im Freien unterwegs bist. Vor allem in Wäldern tummeln sich viele Zecken. Auf deinem Tagesausflug musst du die Pinzette allerdings nicht zwingend dabei haben. Es reicht, wenn du im Basislager oder Hotelzimmer eine dahast und die Zeckenuntersuchung abends nach der Wanderung machst.
Für den Outdoor-Bereich gibt es spezielle Erste Hilfe-Taschen, die besonders platzsparend gepackt sind und gut Platz finden in einem Rucksack oder einer Fahrradtasche. Darin findest du in der Regel die wichtigsten Materialien wie:
- Rettungsdecke
- kleine Schere
- Mullbinde
- Verbandspäckchen mit steriler Wundauflage
- Einmalhandschuhe
- Pflaster und Pflastertape
- Klammerpflaster
- sterile Kompresse
- Desinfektion für Wunden
Erste-Hilfe-Kurse speziell für Outdoor-Fans
Einige Hilfsorganisationen wie die Malteser bieten neben den klassischen Erste-Hilfe-Kursen auch teilweise spezielle Kurse für den Outdoor-Bereich an. Aus Kapazitätsgründen finden diese Kurse selten regelmäßig statt, sondern können von Gruppen individuell gebucht werden. Bist du in einer Klettergruppe, einem Wanderverein oder bei den Pfadfindern, könnt ihr euch als Gruppe für einen speziellen Outdoor-Erste-Hilfe-Kurs anmelden. Letztlich lohnt sich jeder Kurs, der dir Sicherheit bei der Ersten Hilfe gibt. So steht deinem Outdoor-Abenteuer nichts mehr im Weg.