„Jeder hat ein Recht auf Wind in den Haaren!“

Gemeinsam mit Freunden gründeten Natalie und Caroline 2017 in Bonn einen Ableger von „Radeln ohne Alter“. Eine Initiative, bei der Ehrenamtliche mit Senioren und Seniorinnen in Rikschas Spazierfahrten unternehmen. Ein großer Spaß für alle!

Darum geht's:


Radeln ohne Alter: Spazierfahrten mit älteren Menschen

Manchmal sind es die kleinen Dinge im Leben, die besonders glücklich machen. Sich an der frischen Luft bewegen. Orte besuchen, die einem viel bedeuten. Sich mal wieder treiben lassen, einfach frei fühlen. Doch was für viele ganz selbstverständlich ist, kann im Alter zum Problem werden. Ältere Menschen sind häufig nicht mehr mobil genug, um auf eigene Faust die Welt zu erkunden – und leiden unter der Einsamkeit​​​​​​​, die ein extrem eingeschränkter Bewegungsradius mit sich bringt. Die Lösung kommt auf drei Rädern und in Form einer Rikscha angefahren: „Radeln ohne Alter“ heißt eine Initiative, bei der Ehrenamtliche mit Bewohnern von Alten- und Pflegeeinrichtungen auf Spazierfahrt unterwegs sind. Frei nach dem Motto: Raus ins Leben, rein ins Abenteuer

Radeln ohne Alter: Die Idee kommt aus Kopenhagen

Der Gründer von Radeln ohne Alter ist Ole Kassow, Marketing-Spezialist aus Kopenhagen. Er kam 2013 auf die Idee, Senioren und Seniorinnen mit einer Rikscha spazieren zu fahren. Heute ist „Cycling uden alder“ fester Bestandteil von mehr als 111 Gemeinden in Dänemark. Über Norwegen, Schweden und Finnland verbreitete sich die Bewegung immer weiter. Inzwischen gibt es Radeln ohne Alter-Standorte in 42 Ländern, darunter Spanien, Österreich, Frankreich, die Niederlande, England, die USA, Neuseeland, Kanada und eben auch Deutschland. Mehr hierzu gibt’s auf cyclingwithoutage.org.

Natalie und Caroline gründeten mit Freunden den Verein „Radeln ohne Alter Bonn“

In Bonn organisieren Natalie (28) und Caroline (27) die ehrenamtlichen Rikscha-Fahrten. „Als wir 2016 zum ersten Mal von Radeln ohne Alter hörten, waren wir sofort begeistert und wollten das auch machen“, erinnert sich Caroline. „Also trommelten wir unsere Freunde zusammen und fragten, wer mit uns einen Verein aufbauen würde.“ Zu neunt gründeten sie 2017 den Verein „Radeln ohne Alter Bonn“, für den heute mehr als 70 Ehrenamtliche zwischen 19 und über 70 Jahren tätig sind. „Es ging von Anfang an richtig durch die Decke!“, sagt Natalie und lacht. „Heute sind wir ein bunt gemischter Haufen und eine richtig tolle Gemeinschaft.“

Auf den Touren erzählen die Gäste von früher

Ein bis zwei Stunden dauern die Touren und gemeinsamen Ausflüge im Schnitt. Der Pilot oder die Pilotin (so werden die Fahrer und Fahrerinnen bei Radeln ohne Alter genannt) holt die Gäste ab – und los geht’s auf die Stadtrundfahrt der etwas anderen Art. „In der Regel wissen die Damen und Herren genau, wo sie hinwollen“, sagt Caroline. „Ins alte Wohnviertel etwa, oder mal wieder ans Wasser.“ Dann wird erzählt von früher: Wie es damals aussah, wer wo lebte, welche Geschäfte es gab. „Die Gäste haben immer richtig viel zu erzählen! Zusammen mit den Ehrenamtlichen schaffen sie gemeinsame Erlebnisse und teilen Erinnerungen, das ist einfach toll“, sagt Natalie. „Man lernt Menschen kennen, die man vielleicht sonst nie getroffen hätte und entdeckt völlig neue Ecken in der eigenen Stadt. Ich komme von den Touren immer super glücklich und entspannt zurück.“

Die älteren Menschen fühlen sich endlich wieder gesehen

Auch das Feedback der Teilnehmenden ist durchweg positiv. „Sie fühlen sich endlich einmal wieder wahrgenommen und gesehen“, sagt Caroline. „Sitzen fast wie auf einem Thron, winken, werden angelächelt und von Fremden angesprochen. Es ist verrückt, was der Wechsel auf die Rikscha bewirkt. Zurück im Heim schwärmen sie dann anderen Bewohnern von den Touren vor - wir können uns vor neuen Anfragen kaum retten.“ Besonders schön sind die Momente, an denen die Ehrenamtlichen lang gehegte Wünsche erfüllen können. „Die Senioren und Seniorinnen waren zum Teil jahrelang nicht mehr an Orten, die eigentlich in der Nähe liegen. Einfach, weil sie nicht hinkommen. Eine Dame wollte zum Beispiel von Herzen gern einmal wieder auf einen Weihnachtsmarkt gehen und Reibekuchen essen“, erzählt Caroline. „Also haben wir das gemacht. Sie hat sich unwahrscheinlich gefreut, am Ende sogar geweint, so glücklich war sie.“

Der Einsamkeit im Alter davonradeln

Für ihren Verein, der sich rein über Spenden finanziert, rühren Natalie und Caroline mit ihrem Team ordentlich die Werbetrommel. Im September beendeten sie eine vierwöchige Deutschlandtour. Motto: „Besondere Momente entlang des Rheins.“ Insgesamt 40 Ehrenamtliche waren dabei, jeden Tag wurde eine neue Einrichtung entlang der Route besucht. „Wir haben für viel Aufruhr gesorgt“, sagt Natalie und lacht. „Die Lokalzeitungen waren voll mit Fotos von unseren Rikschas und glücklichen Menschen.“ Ziel der Aktion: Aufmerksamkeit für die Initiative zu schaffen. „Es wäre doch toll, wenn noch mehr Vereine in Deutschland entstehen würden“, sagt Natalie. Gerade sind die beiden dabei, einen deutschen Dachverband zu gründen, um „Radeln-ohne-Alter-Neugründer“ zu unterstützen. „Es wird in unserer Gesellschaft immer noch zu wenig für ältere Menschen getan“, sagt Caroline. „Das wollen wir ändern und etwas gegen die Einsamkeit im Alter tun. Wir radeln ihr quasi davon!“

So engagierst auch du dich für Radeln ohne Alter

Du kannst das Projekt Radeln ohne Alter auf verschiedenen Wegen unterstützen. Etwa durch eine Spende oder mit einem Ehrenamt als Pilot oder Pilotin. Wenn es Radeln ohne Alter in deiner Stadt noch nicht gibt, kannst du auch deinen eigenen Ortsverein gründen. Weitere Infos dazu findest du hier oder in den FAQs.

Update: Die Malteser haben sich die dänische Idee nun ihrerseits zum Vorbild genommen, um ein entsprechendes Projekt für Senioren zu starten: Sobald das Wetter wieder etwas wärmer ist, sollen von der Frankfurter Volksbank gespendete Elektro-Rikschas die älteren Menschen durch Frankfurt kutschieren.


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