Darum engagieren sich junge Menschen im Ehrenamt
Was genau ist so reizvoll daran, ein Ehrenamt auszuüben? Warum macht man das eigentlich und warum ist es manchmal gar nicht so einfach, ein Engagement mit dem Job, dem Sozialleben und der Freizeit unter einen Hut zu bekommen? Genau das haben wir Anna und Lisa gefragt, die beide ganz unterschiedliche Erfahrungen in ihrem Ehrenamt gemacht haben.
Darum geht's:
Erste Freundschaften im Schulsanitätsdienst
Anna (26) ist Veranstaltungskauffrau, kommt aus Würzburg und ist schon eine ganze Weile bei den Maltesern ehrenamtlich tätig. Vor ungefähr 14 Jahren hat sie eine Ausbildung als Schulsanitäterin an ihrer Schule gemacht. Hier konnte sie bereits erste Erfahrung sammeln und Mitschülerinnen und Mitschüler medizinisch versorgen. Durch die monatlichen Treffen auf der Dienststelle entstanden daraus schließlich erste Freundschaften und die Begeisterung für ein Engagement wuchs. Mit 18 Jahren ging es für Anna schließlich mit anderen Posten bei den Maltesern weiter. So berichtet sie: „Als ich dann volljährig geworden bin, wurde ich gefragt, ob ich als Gruppenleiterin bei der Jugendgruppe unterstützen will und jetzt mittlerweile bin ich Gruppenführerin der Schulsanitäter-Gruppe, eine Untergruppe des Würzburger Sanitätszugs.“ Der Sanitätszug Würzburg ist einer von mehreren Zügen des Malteser Hilfsdienstes in Würzburg und kümmert sich im Stadt- und Landkreis Würzburg um eine sanitätsdienstliche Absicherung für Groß- und Kleinveranstaltungen.
„Wir leben hier in Saus und Braus und andere Menschen müssen hier ums Überleben kämpfen“
Lisa (22) macht eine Ausbildung zur Industriekauffrau und ist auf anderen Wegen zum Ehrenamt gekommen. Als die Zuwanderung von Geflüchteten im Jahr 2016 so richtig Fahrt aufnahm und immer mehr Menschen in Turnhallen und anderen Unterkünften in Deutschland untergebracht wurden, bekam auch Lisa davon Wind. Im Erstaufnahmelager für Geflüchtete in ihrer Heimatstadt Hennef wurde Lisa zwischen Feldbetten, schreienden Kindern und chaotischen Zuständen schnell klar: „Wir leben hier in Saus und Braus und andere Menschen müssen hier irgendwie ums Überleben kämpfen. Und da dachte ich: wir müssen jetzt irgendwas dagegen tun.“
Gemeinsam mit der interkulturellen Initiative der Stadt Hennef, Interkult, betreute Lisa fortan Deutschkurse für Geflüchtete. Ein- bis zweimal die Woche betreute sie Anfänger- und Fortgeschrittenenkurse für Kinder und Erwachsene und hatte dabei eine Menge Spaß: „Wir haben natürlich auch viel mit Händen und Füßen kommuniziert - aber es war echt schön, den Leuten den Erstkontakt mit der Sprache nahezubringen.“ Als der Zuzug von Geflüchteten nach anderthalb Jahren dann aber langsam nachließ, lösten sich auch die Erstaufnahmelager und damit auch die Deutschkurse mehr und mehr auf. Für Lisa der Punkt, an den dem es schwierig wurde, einem Engagement dieser Art auch weiterhin nachgehen zu können. Dabei spielte nicht nur die anknüpfende Organisation eines weiterführenden Ehrenamts eine Rolle, sondern auch der Faktor Zeit und die Tatsache, sich weiterhin für etwas verpflichten zu müssen.
„Man ist nicht nur dann eine gute Helferin oder ein guter Helfer, wenn man mindestens zehn Einsätze im Jahr gemacht hat“
Anna ist zwei- bis dreimal im Monat auf der Rettungswache, um dort regelmäßig ehrenamtlich Fortbildungen zu halten oder Organisatorisches vor Ort abzustimmen. Zudem besucht sie einmal pro Monat ein Gruppentreffen. Auch für sie ist die aufgewendete Zeit für ein Ehrenamt, zwischen anderen Verpflichtungen und dem beruflichen Leben, natürlich eine echte Herausforderung, allerdings sieht sie die Organisation von Engagement und Job als eine Sache an, der man manchmal auch einen kleinen Ruck geben muss: „Da muss man auch mal den inneren Schweinehund überwinden“, berichtet sie. Auch wenn es nach ihrer Meinung im Ehrenamt natürlich nicht auf die Menge der geleisteten Zeit ankommt, sondern darauf, dass man sich überhaupt engagiert: „Es ist ein soziales Engagement, in dem jede oder jeder das gibt, was sie oder er kann. Man ist nicht nur dann eine gute Helferin oder ein guter Helfer, wenn man mindestens zehn Einsätze im Jahr gemacht hat.“
Es kommt also weniger auf die in ein Engagement investierte Zeit an, sondern mehr darauf, dass man überhaupt ehrenamtlich aktiv wird. Auch wenn dies kein regelmäßiges Ehrenamt wie das von Anna als Einsatzsanitäterin bedeutet, sondern auch ein sporadisches Engagement wie das von Lisa, beispielsweise in einer Unterkunft für Geflüchtete. Insbesondere die Flexibilität schien, anders als bei Anna, für Lisa hierbei ein wichtiger Punkt zu sein: „Das war immer donnerstags um acht Uhr, keine Voranmeldung, kommt einfach vorbei. Da konnte ich immer noch sagen: Ja ich kann oder nein, ich kann nicht.“
„Ich höre, was alles möglich ist, weiß aber gar nicht, was da auf mich zukommt“
Was Anna bereits gefunden hat, da ist Lisa noch auf der Suche, nämlich nach einem regelmäßigen und für sie passenden Engagement. Aber wie einfach ist es eigentlich für junge Menschen, das für sie passende Engagement zu finden, worin sie sich auch längerfristig engagieren würden? Für Lisa ist genau das gar nicht so einfach: „Ich höre, was alles möglich ist, weiß aber eigentlich gar nicht, was da auf mich zukommt, wie viel ich da machen muss und ob ich das überhaupt schaffe. Über manche Dinge wird nicht gut genug informiert und manchmal muss man echt eine intensive Recherche betreiben, obwohl man doch eigentlich nur helfen will.“
Lisa ist zu ihrem Engagement über Aushänge im Rathaus gekommen - übt daran aber auch gleichzeitig Kritik: „Das ist halt ein Ort, wo man auch aktiv hingehen muss.“ Einfacher wäre für Interessierte ihrer Meinung nach eine Art Angebotsübersicht auf einen Blick: „Wenn ich jetzt google und habe Vergleichsportale, die einfach alle Möglichkeiten aufzeigen, hätte ich auf einen Blick alles, wofür ich mich interessiere“, so Lisa „und es wäre cool, wenn ich beispielsweise mit einer ‚Herzchen-Funktion’ dann anklicken kann, was mir gefällt und ich da später dann auch mal reinschnuppern könnte.“
„Ich glaube, wenn man etwas möchte, dann funktioniert das auch“
Spontanität, zeitliche Flexibilität und eine distanzierte Haltung zu Verpflichtungen, sind Dinge, die Lisa sehr wichtig sind, für Anna hingegen eine weniger tragende Rolle spielen: „Ich bin Stress und Termindruck aus beruflicher Sicht gewohnt. Ich glaube, wenn man etwas möchte und sich nicht unbedingt davor drückt, dann funktioniert das auch. Ich finde das total vergleichbar, wenn ich sage, ich möchte gerne abnehmen und ins Fitnessstudio gehen, aber mir fehlt die Zeit und das Wetter ist schlecht.“ Lisa ist da etwas anderer Meinung und findet, ein Ehrenamt sollte etwas sein, dass man auch genießen sollte und wohinter zudem keine direkten Pflichtgefühle stehen sollten.
Aber wieso dann nicht einfach das eine mit dem anderen verbinden? Darin sind sich wiederum beide einig. Lisa hat aus ihrem Engagement in der Flüchtlingshilfe ein Nebenjob gemacht: sie gibt Schülerinnen und Schüler Nachhilfe in Englisch und Deutsch und verdient sich ganz nebenbei ein paar Euros dazu. Anna hingegen verbindet den Sanitätsdienst mit coolen Aktivitäten, wo sie gleichzeitig ehrenamtlich Gutes tut, aber auch beispielsweise auf dem Konzert ihrer Lieblingsband so richtig abgehen kann: „Da stehe ich dann mit Dienstkleidung in der eigentlich ausverkauften Konzerthalle für Fanta 4 und kann, solange keiner meine Hilfe benötigt, sogar das Konzert genießen.“
Eine Art „Goodie“ oder eine kleine Aufmerksamkeit sind schon hilfreiche Mittel
Besonders viel Freude und Bereicherung erfuhr auch Lisa während ihrer Zeit im Erstaufnahmelage für Geflüchtete. Sie hat sich für die Zukunft fest vorgenommen, nach einem regelmäßigen Engagement Ausschau zu halten und würde gerne auch weiterhin Sprachkurse für Kinder und Jugendliche geben. Allerdings gibt sie zu bedenken: „Die Informationsbeschaffung für Interessierte ist etwas, worüber man in Zukunft mehr nachdenken sollte. Ansonsten sollte man ein Ehrenamt einfach ausprobieren, um so erfahren zu können, wie schön es sein kann, der Gesellschaft etwas zurückzugeben.“
Für Anna wäre wiederum eine Art „Goodie“ oder eine kleine Aufmerksamkeit schon ein hilfreiches Mittel, um junge Erwachsene und Jugendliche für ein Ehrenamt begeistern zu können. Hierbei bezieht sie sich beispielsweise auch auf Dinge wie steuerliche Vorteile: „Ich würde mich zum Beispiel freuen, wenn ich am Jahresende dann 100 Euro für die ehrenamtlich geleisteten Stunden zurückbekommen würde.“ Junge Menschen mit Pflichtgefühlen für ein Ehrenamt gewinnen zu können, sieht sie allerdings eher kritisch: „Mit dem Pflichtgefühl kriegt man denke ich den ein oder anderen, die meisten verschreckt man dadurch wiederum nur.“
Ein Engagement sollte also nicht nur zeitlich flexibel und auf die Bedürfnisse des Ausübenden zugeschnitten sein, sondern verlangt trotz alledem ein gewisses Pflichtgefühl und setzt die Übernahme von Verantwortung voraus. Aber egal ob regelmäßig wie Anna oder unregelmäßig wie Lisa: das passende Engagement lässt sich für jede und jeden finden.
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