Hospizarbeit: Diese drei Frauen begleiten Menschen ein Stück auf ihrem Weg
Für viele von uns wäre dieser Job zu krass: in der Hospizarbeit begleiten Ehrenamtliche und Hauptamtliche sterbende Menschen auf ihrem letzten Weg. Wir haben drei Frauen gefragt, wie sich das anfühlt. Karin, Vera und Veronika berichten von ihrer Arbeit mit schwerkranken Menschen.
Darum geht's:
Arbeiten im Hospiz: Eine Begleitung der besonderen Art
Kaum jemand möchte einsam sterben oder eine schwere Krankheit allein durchstehen und das muss auch niemand. In Deutschland begleiten rund 100.000 Menschen Schwerstkranke und Sterbende sowie deren Angehörigen. Viele Begleiter sind ehrenamtliche Mitarbeiter, die in der Regel einmal in der Woche für ein paar Stunden zu Besuch kommen. Die meisten arbeiten im sogenannten ambulanten Hospizdienst, das heißt, sie besuchen die Betroffenen zu Hause. Wir stellen euch zwei Ehrenamtliche und eine hauptamtliche Mitarbeiterin vom ambulanten Malteser Hospizdienst in Dortmund vor.
Erfahre, wie die Arbeit der Ehrenamtlichen koordiniert und unterstützt wird, was die Voraussetzungen für dieses Ehrenamt sind und welche Herausforderungen und Glücksmomente die Ehrenamtlichen erleben.
Die Situation richtig einschätzen und den passenden Ehrenamtlichen auswählen
Karin ist eine fröhliche Frau. Sie lacht sehr viel und man merkt sofort, dass ihr der Job Spaß macht. Es klingt wie ein Widerspruch, denn sie ist hauptamtliche Mitarbeiterin im Kinder- und Jugendhospizdienst der Malteser in Dortmund. Die Reaktionen sind häufig gleich, wenn sie über ihre Arbeit spricht: „Viele sagen: Oh, Gott! Da sterben Menschen und auch noch Kinder!“ Im Kinder- und Jugendhospizdienst begleiten Karin und ihre Kolleginnen und Kollegen auch Familien mit Kindern, die schwer erkrankt sind, aber nicht immer im Sterben liegen. Manchmal steht zum Beispiel eine komplizierte Herz-OP bevor oder es gibt krebskranke Kinder, bei denen die Chancen auf Heilung bei 98 Prozent liegen. Das gilt auch für die Begleitung von Erwachsenen. Die ehrenamtlichen Helfer kümmern sich nicht nur um die Kranken, sondern auch um Familienmitglieder, die selbst Aufmerksamkeit oder mal etwas Zeit für sich brauchen.
Als Koordinatorin spricht Karin als Erste mit den Familien und verschafft sich einen Überblick darüber, wer was braucht. Da ist zum Beispiel eine Mutter mit einem kranken Kind, die Unterstützung sucht. „Ich gehe in die Familie und im Gespräch stellt sich heraus, das kranke Kind ist eigentlich versorgt“, erzählt sie, „aber da gibt es noch ein Geschwisterkind. Was ist damit? Dann stellen wir einen Ehrenamtlichen in die Familie vor, der zum Beispiel etwas mit dem Geschwisterkind unternimmt.“
Es ist eine große Herausforderung, die Bedürfnisse der Familien im ersten Gespräch herauszuhören, die Situation richtig einzuschätzen und den richtigen Ehrenamtlichen für die Familie auszuwählen. Auf diese Herausforderung folgen häufig aber auch die Glücksmomente, erzählt Karin: „Ich rufe die Familien öfter an und frage, wie es läuft. Wenn eine Familie dann sagt: ´Uns geht es gut, es ist eine super Entlastung`, dann ist das toll.“
Männer und Ehrenamtliche aus anderen Kulturen werden dringend gesucht
Die meisten Ehrenamtlichen im Hospizdienst sind Frauen, Männer gibt es nur wenige. Besonders Jugendliche wünschen sich aber oft einen Mann, der sie unterstützt.
Auch Ehrenamtliche aus anderen Kulturen sind stark gefragt. Sie sind für die Familien mit Migrationshintergrund eine große Unterstützung, weil sie die gleiche Sprache sprechen und die Kultur kennen.
Die Studentin: Vera ist neu im Ehrenamt
Vera ist noch jung. Das hält die 27-jährige Studentin nicht davon ab, sich ehrenamtlich im Hospizdienst zu engagieren. Zurzeit hat sie eine Doppelrolle bei den Maltesern in Dortmund. Sie ist Ehrenamtliche und sie absolviert das Praxissemester für ihr Studium „Soziale Arbeit“. In dem Ehrenamt ist sie noch neu. Im Frühjahr hat sie die Vorbereitung für den Hospizdienst abgeschlossen. Seit der Praxisphase begleitet sie eine ältere Dame im Rollstuhl. „Ich kann mit ihr leider nicht kommunizieren, weder mit Worten, noch mit Mimik“, erzählt Vera. „Meine Herausforderung ist, herauszufinden, was sie mag. Ich überlege ständig, wie ich mit ihr einen Vor- oder Nachmittag gestalten kann. Das ist schwierig.“ Abstand gewinnt Vera auf der Fahrt nach Hause. „Die Dame wohnt in einem anderen Stadtteil, da bin ich sonst nicht. Die Busfahrt tut gut. Da kann ich abschalten. Manchmal mach ich mir aber auch noch zu Hause Gedanken. Ich überlege, ob ich ein Buch habe, dass ich der Dame vorlesen könnte. Ich probiere viel aus.“ Bei den monatlichen Reflexionstreffen kann sie sich mit anderen Ehrenamtlichen austauschen. „Andere machen das schon 15 Jahre. Da kommen von ihnen Vorschläge, was ich mit der Dame machen könnte. Diese Tipps sind sehr wertvoll und es ist unheimlich gut Halt zu bekommen und nicht ins kalte Wasser geworfen zu werden. Es sterben eben nicht nur 90-Jährige, sondern auch Kinder oder andere Familienmitglieder, bei denen es mir schwerer fällt, den Tod zu akzeptieren.“
Das Ehrenamt fordert viel von den Begleitern, aber die Wertschätzung und die schönen Momente gleichen alles aus, sagt Vera: „Es ist ein befriedigendes Gefühl, weil ich weiß, die Dame bekommt sonst keinen Besuch. Auch wenn ich mit ihr nicht kommunizieren kann, hab ich das Gefühl, sie bekommt es mit, wenn ich da bin und mit ihr spreche.“
Junge Leute im ambulanten Hospizdienst
Das Thema Tod und Sterben schreckt viele ab. Neben Vera engagieren sich nur wenige Gleichaltrige ehrenamtlich im ambulanten Hospizdienst. Dabei freuen sich Betroffene besonders, wenn sie sich in schweren Zeiten mit jungen Menschen austauschen können. Monika ist an Krebs erkrankt. Sie wird nicht wieder gesund. Im Video erzählt sie uns, wie es ist, mit dieser Gewissheit zu leben und warum es sie freut, wenn sich junge Menschen im ambulanten Hospizdienst engagieren.
Bitte beachten Sie: Sobald Sie sich das Video ansehen, werden Informationen darüber an Youtube/Google übermittelt. Weitere Informationen dazu finden Sie unter Google Datenschutzerklärung.
Daten, Zahlen, Fakten
In Deutschland gibt es etwa 1.500 ambulante Hospizdienste. Dazu kommen rund 240 stationäre Hospize für Erwachsene und 17 für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband e.V. (DHPV) zählt ungefähr 100.000 Begleiter, die sich ehrenamtlich, bürgerschaftlich und hauptamtlich um schwerstkranke und sterbende Menschen kümmern.
Veronika hat zehn Jahre Erfahrung als ehrenamtliche Begleiterin
Mit ihren 64 Jahren bringt Veronika viel Lebenserfahrung mit. Die ehemalige Lehrerin hat schon viele alte Leute begleitet. Ihre längste Begleitung dauerte zwei Jahre: „Es war eine Dame, die keinen Kontakt zu ihrer Tochter hatte. Anfangs war es schwer für mich, Zugang zu ihr zu finden. Über die Zeit hat sie dann immer mehr von sich erzählt und ich habe verstanden, warum sie ihren Lebensweg so gewählt hat.“
Verständnis ist besonders wichtig für den Hospizdienst, sagt Veronika: „Ich bin mal einer Dame vorgestellt worden, die ein ganzes Stück von mir entfernt gewohnt hat. Die Dame war zwar ans Bett gefesselt, aber noch sehr orientiert im Kopf. Sie sagte dann: `Frau Großmann, ich kenne die Wege mit Bus und Bahn. Wenn Sie bei mir ankommen, dann sind Sie ja schon kaputt, das will ich nicht.` Das war eine Abweisung, aber ich habe es verstanden. Und ich erzähle das immer gerne, weil ich es gut finde, dass jemand in dieser Situation noch sagen kann: das will ich nicht.“
In ihrem Ehrenamt lernt Veronika die Menschen auf unterschiedlichste Art und Weise kennen. Ihre allererste Begleitung hat sie sehr überrascht: „Das war eine schwerstkranke Frau, alleinstehend, kaum Angehörige. Aber diese Frau hat so viel Power ausgestrahlt, das kann einem viel Mut für eigene schwierige Phasen geben. Ich finde es ganz großartig zu sehen, wenn die Menschen selbst in so einer Situation nicht die Lust am Leben verlieren.“
Im Herbst wird Veronika ein Seminar über Demenz besuchen, denn sie möchte sich auch in ihrem Ehrenamt weiterbilden. Bei den Maltesern werden regelmäßig Weiterbildungen für die Ehrenamtlichen angeboten, alle kostenfrei. Veronikas Rat an alle, die sich für ein Ehrenamt im Hospizdienst interessieren: „Offen sein für Neues und Mut haben. Keinen Ekel und keine Angst davor haben, auch mal einen Sterbenden anzufassen, denn das Sterben gehört zum Leben dazu. Meinen Bekannten erkläre ich immer: Ich muss mich da nicht hin quälen. Das gibt auch mir etwas. Da kommt ganz viel Dankbarkeit zurück.“
Die Vorbereitung für das Ehrenamt im Hospiz bei den Maltesern
Für ein Ehrenamt im Hospizdienst solltest du vorher eine Qualifizierung zum Hospizbegleiter machen, zum Beispiel bei den Maltesern. Die Vorbereitung dort dauert zirka sieben Monate und teilt sich auf in einen Grundkurs und einen Vertiefungskurs. Dazwischen gibt es eine Praxisphase, in der du deine ersten Einsätze im Hospizdienst hast. Einmal im Monat gibt es ein sogenanntes Reflexionstreffen. Dort tauschst du dich mit anderen Ehrenamtlichen aus und bekommst Tipps von Profis.
Eine wichtige Voraussetzung für die Qualifizierung und für das Ehrenamt ist, dass du selbst nicht trauerst. Ein möglicher Trauerfall sollte mindestens 12 Monate her sein. Um einen ersten Überblick zu bekommen, lohnt es sich, mal zu einer Infoveranstaltung in deiner Nähe zu gehen. Weitere Infos erhältst du, wenn du dieses Formular ausfüllst.
Keine Zeit? Du kannst trotzdem helfen! Unterstütze die Hospizarbeit mit deiner Spende.