Erdbeben in der Türkei und Syrien: Die Malteser helfen weiter

Es waren Szenen, die die Welt erschütterten: Menschen, die in Trümmerwüsten verzweifelt nach verschütteten Verwandten und Freunden suchten, Bilder von Verletzten, Toten und wie durch ein Wunder aus eingestürzten Häusern geretteten Menschen. Das Erdbeben in der Türkei und Syrien hat insgesamt 57.759 Todesopfer gefordert (Stand: 19. April 2023). Und die Menschen vor Ort benötigen auch weiterhin Hilfe.

Darum geht's:


Das Erbeben traf die Grenzregion der Türkei und Syrien

In der Türkei und Syrien wurden zusammengenommen über 316.000 Wohnungen zerstört oder beschädigt (Stand: April 2023). Rund 1,9 Millionen Menschen waren in Notunterkünften untergebracht; Hunderttausende mussten aus den Erdbebengebieten evakuiert werden. 
Die Vereinten Nationen prophezeiten damals einen dramatischen Anstieg der Obdachlosenzahlen sowohl in der Türkei als auch in Syrien. Tausende Helferinnen und Helfer waren vor Ort, um die Betroffenen der Naturkatastrophe mit dem Nötigsten zu versorgen.

In der Nacht zu Montag, den 6. Februar 2023, hatte ein Erdbeben der Stärke 7,7 bis 7,8 das Gebiet an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien erschüttert. Am Nachmittag folgte dann ein weiteres Beben der Stärke 7,5. Bei dem zweitstärksten Beben, das jemals im östlichen Mittelmeerraum erfasst wurde, stürzten tausende Gebäude ein – es brachte die Menschen vor Ort bei Temperaturen um den Gefrierpunkt in eine verzweifelte Lage. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzte, dass bis zu 26 Millionen Menschen in der Türkei und Syrien von den Folgen der Katastrophe betroffen sein könnten, darunter fünf Millionen besonders verletzliche Menschen wie Alte, Kinder, Kranke.

Wie ist aktuell die Lage vor Ort?

Auch ein Jahr nach der Erdbebenkatastrophe, ist die Lage abhängig von der jeweiligen Region für viele Menschen noch immer prekär. Wo vor der Katastrophe Wohnhäuser standen, befinden sich mancherorts auch weiterhin Schuttberge und Ruinen. Den Angaben verschiedener Hilfsorganisationen zufolge leben hunderttausende Menschen in Notunterkünften. In diesen Unterbringungen sind die hygienischen Bedingungen und die Versorgung mit Trinkwasser problematisch.

In der Türkei waren Schätzungen zufolge 9,1 Millionen Menschen von der Katastrophe unmittelbar betroffen; in Syrien waren es 8,8 Millionen. Im Zentrum der Zerstörung lag die türkische Provinz Hatay im Süden des Landes, wo der Bedarf nach humanitärer Hilfe weiterhin immens hoch ist. 

In Syrien hat sich die bereits komplexe humanitäre Notlage durch das Erdbeben weiter verschärft und stellt eine der größten humanitären Krisen der Welt dar. Im Nordwesten des Landes benötigen mehr als 4,1 Millionen Menschen humanitäre Unterstützung. Es existiert kein funktionierendes staatliches Gesundheitssystem – Kranke und Verletzte erhalten vielerorts keine medizinische Hilfe. 

Die Hilfen von Malteser International in der Türkei und Syrien sind auf die am meisten gefährdeten und bedürftigen Menschen ausgerichtet. 2023 erhielten über 221.000 direkt vom Erdbeben Betroffene sofortige Unterstützung und Hilfe.

Die Not in Syrien nach dem Erdbeben

Im bürgerkriegsgeplagten Syrien sind die Ressourcen für Rettungseinsätze begrenzt. Unmittelbar nach dem Beben lief die Suche nach Verletzten deshalb nur schleppend an. Es fehle an allem Notwendigen, teilten damals die „Weißhelme“ mit, eine der wenigen Hilfsorganisation in den Rebellengebieten.

Und selbst ein Jahr nach der Katastrophe wird in der Grenzregion zwischen Syrien und der Türkei Hilfe noch immer dringend benötigt. Lena Schellhammer, Referentin von Malteser International für Syrien und die Türkei, hat die Erdbebenregion im Januar 2024 besucht. Sie schildert, wie schwierig sich der Wiederaufbau gestaltet:

„In der nordsyrischen Stadt Afrin beispielweise sieht es fast so aus, als sei das Erdbeben gerade erst geschehen. Was ich gesehen habe, hat mich erschüttert: Beschädigte Häuser stehen nach wie vor unbewohnbar an den Straßen, daneben die Zelte und Container für diejenigen, die ihr Zuhause verloren haben. Dabei sind die Menschen in dieses Gebiet geflohen, weil sie dachten, dass sie dort vor dem Krieg sicher wären. Und dann hat ihnen das Erdbeben auch noch das Wenige genommen, was ihnen geblieben war.“

Sorgen bereitet ihr außerdem der Umstand, dass Eltern ihre Kinder immer häufiger in unterernährtem Zustand in die Versorgungseinrichtungen der Malteser Partnerorganisationen bringen. Auch hier wird Hilfe gebraucht: „Wir werden die Menschen jetzt auch in der Landwirtschaft beim Anbau von Obst und Gemüse unterstützen, damit sie sich mit Lebensmitteln selbst versorgen und Einkommen erwirtschaften können. Dazu benötigen wir dringend Spenden.“

Wie wurde nach dem Beben geholfen?

Die internationale Hilfsbereitschaft war groß: Neben Such- und Rettungsmaßnahmen ging es dabei auch um das Errichten von Notunterkünften und die Versorgung mit Medikamenten und mobilen Heizungen. Während die Rettungsarbeiten liefen, war die Angst vor Nachbeben immer präsent: Türkischen Angaben zufolge traten rund 9.000 Nachbeben unterschiedlicher Stärke auf.

Auch die Malteser waren von Anfang an vor Ort: Direkt nach dem Erdbeben machte sich ein erstes Nothilfeteam von Malteser International in die Krisenregion auf. Es koordiniert erste Sofortmaßnahmen und den Transport von Hilfsgütern in die betroffenen Gebiete. Das Epizentrum lag in der Region um die türkischen Städte Kilis und Gaziantep, dort unterhält Malteser International seit Jahren Projekte und hat gute Kontakte zu örtlichen Hilfsorganisationen und eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort. Von der Grenzstadt Kilis aus organisieren die Malteser mit ihren lokalen Teams die Nothilfe – auch in Syrien liefen zu diesem Zeitpunkt erste Hilfsmaßnahmen an. Wir setzen die Hilfe für die Menschen im Nordwesten Syriens daher über langjährige lokale Partnerorganisationen um. Diese übernehmen die Verteilung der Hilfsgüter an die betroffenen Menschen“, erklärte Hochedez.

Unfassbares erlitten: Tuqa gibt nicht auf

In der eiskalten Winternacht am 6. Februar 2023, in der das Beben so viele Leben zerstört hat, brach auch für die kleine Tuqua die Welt zusammen. Sie wurde von den Rufen ihres Vaters geweckt, der die Familie dazu aufrief, das zusammenstürzende Haus zu verlassen. Doch es war zu spät: Tuqa, ihr Vater, ihre Mutter und ihre drei Schwestern wurden unter den Trümmern ihres kleinen Hauses in Armanaz im Nordwesten Syriens begraben. Tuqa überlebte als einzige schwer verletzt 51 Stunden unter dem Schutt, bis sie geborgen und in das Armanaz Surgical Hospital gebracht wurde, das von HIHFAD mit Unterstützung von Malteser International betrieben wird.

Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus kam Tuqa zu Sami, ihrem Cousin. Dort lebt sie mit Samis Töchtern ein halbwegs normales Leben, geht wieder zur Schule und lernt fleißig – wie es sich ihre Eltern gewünscht hatten. Durch ihre Verletzungen fällt ihr das Gehen schwer und sie muss auch weiterhin regelmäßig im Krankenhaus behandelt werden.

Sie ist tapfer, gibt nicht auf, aber das Lachen muss sie erst noch wieder lernen. Dazu sagt Sami:
„[Sie ist] immer traurig, ihr Lächeln findet nicht auf ihr Gesicht zurück, als ob sie das Ende der Welt mit angesehen hätte. Sie sehnt sich nach der Zeit, die sie mit ihren Eltern und Schwestern verbracht hat, sie erinnert sich an ihr altes Zuhause und auch das Erdbeben beschäftigt sie weiterhin. Aber was sie tröstet, ist die Gesellschaft meiner Kinder, also tue ich mein Bestes, um das, was sie verloren hat, auszugleichen. Und meine Kinder sind immer bei ihr und spielen mit ihr.“

Wie helfen die Malteser den Menschen vor Ort?

Im Frühjahr 2023 lieferten die Malteser wegen der eisigen Kälte vor allem Decken, Wärmegeräte und Zelte, es folgen Lebensmittel und Medikamente. Oliver Hochedez fasste damals zusammen: „Die große Herausforderung, vor der wir jetzt stehen, ist, dahin zu kommen, wo wir hinmüssen.“ Die Flughäfen waren überlastet, die Flugpisten und viele Straßen zerstört. Gerade in ländlichen Regionen war die Lage dramatisch.
Wie lange der Hilfseinsatz dauern würde, war ungewiss: „Wir haben ein One-Way-Ticket gebucht.“

Mitte Februar kamen die ersten LKWs aus Deutschland an, die rund 10 Tonnen Hilfsgüter in die betroffenen Regionen der Türkei brachten. Die Logistik war die größte Herausforderung für die Helferinnen und Helfer. 

Ein Mann und drei Kimder sitzen auf einem Bett mit einem "Danke, Ahmad"-Banner.

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Das Hilfsprogramm von Malteser International in der Türkei und im Nordwesten Syriens zielt darauf ab, betroffene Menschen bestmöglich zu unterstützen. Die Maßnahmen, die für das Erreichen dieses Ziels notwendig sind, basieren seit Beginn der Krise auf diesen vier Säulen:

  1. Lokale zivilgesellschaftliche Organisationen als Hauptakteure für die Umsetzung nutzen.
  2. Humanitäre Nothilfe für Menschen in Not bereitstellen.
  3. Die am stärksten gefährdeten Gruppen sowohl im Nordwesten Syriens als auch in der Türkei unterstützen. 
  4. Lebensrettende Hilfe nach den Erdbeben leisten.

Die Malteser unterstützen die Partnerorganisationen zum Beispiel mit Medikamenten, medizinische Verbrauchsmaterialien und Diesel für Generatoren, um die medizinischen Einrichtungen im Nordwesten Syriens betreiben zu können. Zu den Hilfen, die geleistet wurden und zum Teil bis heute geleistet werden, zählen beispielsweise:

  • Die Unterstützung mehrerer Krankenhäuser, einer Geburtsklinik mit Kinderkrankenhaus und acht Basisgesundheitsstationen in den Regionen Idlib und Nord-Aleppo.
  • Die Beteiligung bei der Errichtung eines Krankenhauses in Afrin, das hauptsächlich aus Zelten besteht. Mehr als 150.000 Bedürftige aus der Region erhalten dort medizinische Hilfe.
  • Physiotherapeutische Hilfsangebote für Betroffene des Erdbebens.
  • Die Verteilung von Fertigrationen, Lebensmittelkörben und Bargeld für Nahrungsmittel mittels „Multipurpose Cash“ (damit sind uneingeschränkte Geldtransfers für Betroffene in Krisen möglich, um damit Grundbedürfnisse abzudecken und die lokalen Märkte vor Ort zu stärken.)  
  • Die Errichtung von Unterkünften und die Verteilung von „Non-Food“-Hilfsgütern.
  • Die Bereitstellung von kinderfreundlichen Räumen und Spielzeugen.
  • Die Unterstützung bei der Installation von Wasser- und Hygieneeinrichtungen. 

So kannst du helfen

Wenn du den Menschen in der Türkei und Syrien helfen möchtest, kannst du das am besten durch eine Geldspende zum Beispiel an die Malteser tun.

Eine andere Möglichkeit ist, dass du selbst eine Spendenaktion für die Menschen in dem Erdbebengebiet ins Leben rufst. Über das Spendenaktions-Tool der Malteser ist das problemlos möglich.

Sachspenden sind schwer zu koordinieren und verursachen hohe Logistikkosten. Über die Geldspenden können die Hilfsorganisationen die in den Katastrophengebieten akut benötigten Hilfen am besten verteilen.


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