Nothilfe in Syrien: So engagieren sich die Malteser

Die Lage im Nordwesten Syriens ist Anfang 2020 dramatisch: Mehr als vier Millionen Menschen leben hier teils auf engstem Raum unter unzumutbaren Bedingungen. Es fehlt an Nahrungsmitteln, Kleidung, Unterkünften. Immer wieder werden sogar Schulen, Krankenhäuser und Flüchtlingslager Ziele von Bombenangriffen und Artilleriebeschuss. Syrien ist nach wie vor eine der größten und komplexesten Krisen weltweit. Die Malteser leisten für die Menschen in Syrien Hilfe. Stefanie Heil, Referentin Naher Osten von Malteser International, spricht über die gewaltigen Herausforderungen der Projekte, über Erfolge, Probleme und die Risiken für die Helfer.

Darum geht’s:


Update zur Lage in Syrien 2023: Es droht eine Gewalteskalation

Auch im zwölften Jahr des Bürgerkriegs bleibt der Konflikt in Syrien eine der größten Krisen weltweit. Millionen von Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Etliche Orte liegen in Trümmern. Die zivile Infrastruktur ist zerstört, acht von zehn Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze. Besonders kritisch bleibt die Lage im umkämpften Nordwesten Syriens. Nach der Wiederaufnahme der Feindseligkeiten in der Deeskalationszone in Idlib und Umgebung im Frühjahr 2019 wurden innerhalb eines Jahres 1506 Zivilisten getötet, darunter 433 Kinder.

Zum Jahresende 2023 droht nun die größte Gewalteskalation seit vier Jahren. Lena Schellhammer, Referentin von Malteser International, wies auf die zunehmenden Luftangriffe in der Region Idlib hin: „43 Krankenhäuser, darunter Kinderkrankenhäuser, 24 Schulen, 20 Wasserwerke und andere wichtige zivile Infrastruktur wurde in den vergangenen Wochen massiv angegriffen.“
Malteser International weitet daher die Nothilfe aus und lässt zum Beispiel über lokal ansässige Partnerorganisationen 30.000 Hygiene-Kits an vertriebene Menschen verteilen.

Wenn du das Leid der Menschen in den betroffenen Gebieten lindern und die humanitäre Arbeit vor Ort unterstützen möchtest, kannst du das mit einer Spende an die Malteser tun.

Was sind die größten Probleme in der Region?

Die langen Jahre der Krise in Syrien und die anhaltenden Kriegshandlungen lassen viele Menschen perspektivlos zurück und führen zu tiefen Traumata. Momentan verschlechtern noch immer die unberechenbaren Entwicklungen des Krieges die humanitäre Lage der Menschen vor Ort. Aktuell campieren viele der kürzlich neu Vertriebenen im Freien unter Olivenbäumen oder im Auto, im Gepäck nur das Nötigste, das sie auf der Flucht mit sich tragen konnten.
Die humanitäre Hilfe, die geleistet wird, ist nicht ausreichend, um die Not aller Menschen vor Ort, die auf Hilfe angewiesen sind, zu lindern. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage sind Hilfslieferungen in alle betroffenen Gebiete nur erschwert möglich. Den Menschen fehlt es an grundlegender Versorgung mit Zelten, Matratzen, Decken, sauberem Wasser und Nahrungsmitteln, Brennstoffen sowie medizinischer Versorgung.

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Die Malteser sind eine der wenigen Organisationen, die vor Ort helfen. Wie sieht diese Hilfe aus?

Zusammen mit unseren Partnern vor Ort leisten wir seit den Anfängen der Krise in Syrien Hilfe im Bereich medizinische Versorgung. Wir unterstützen sowohl Gesundheitseinrichtungen und Krankenhäuser als auch mobile medizinische Teams. Weiterhin sind wir insbesondere auch in der Wasser-, Sanitär- und Hygiene-Versorgung innerhalb der Camps aktiv und leisten psychosoziale Unterstützung.
Ganz aktuell verteilen wir Decken und Matratzen für die neu Vertriebenen in der Region Idlib.

Darüber hinaus sind wir ebenfalls in den anliegenden Ländern Irak, Libanon und der Türkei tätig, um die Auswirkungen der Krise auf die Nachbarländer abzufedern und den syrischen Flüchtlingen Perspektiven zu geben. Wir wollen die lokale Infrastruktur der Gastländer entlasten, insbesondere im Bereich der medizinischen Versorgung und Rehabilitation sowie in der psychosozialen Beratung und beruflichen Bildung.

Wie riskant ist diese Mission für die Helfer im Krisengebiet?

Auch wenn wir und unsere Partner unser Bestes geben, um Sicherheitsempfehlungen wahrzunehmen, so befinden wir uns in Syrien dennoch in einem Ausnahmezustand. Die sich täglich verlagernden Kriegshandlungen sowie unvorhersehbare Bombardierungen stellen ein extrem hohes Risiko für die Helfer vor Ort dar.

Ein Hauptproblem ist die medizinische Unterversorgung. Krankenhäuser werden gezielt bombardiert. Wie gehen die Hilfsorganisationen mit dieser Situation um?

Einige der von uns unterstützten Einrichtungen wurden bereits mehrfach Ziel von Bombardierungen. Die Situation vor Ort macht kreativ. Beispielsweise gibt es auch Gesundheitseinrichtungen, die in die Erde nach unten gebaut werden. 
Allerdings sind selbst diese Einrichtungen nicht sicher, gezielt finden hier Bombardierungen insbesondere auf die Eingänge statt, um Zuwege zu verschließen.
Oftmals ist es das medizinische Personal vor Ort, welches sich trotz der prekären Sicherheitslage dazu entscheidet, weiter Hilfe zu leisten, sodass nur in extremen Ausnahmefällen eine tatsächliche Evakuierung stattfindet.

Die Malteser arbeiten mit lokalen Partnerorganisation über die Türkei – wie funktioniert die Hilfe und welche Schwierigkeiten gibt es?

Wir arbeiten mit drei Partnerorganisationen in Syrien zusammen: Hand in Hand for Aid and Development, Independent Doctors Association und Maram Foundation. Durch die enge Zusammenarbeit mit diesen Partnern können wir in Syrien vor Ort unsere Hilfsprojekte ausführen. Bei den Mitarbeitern unserer Partner handelt es sich vor allem um lokale Fachkräfte, die sich nicht nur in der Region auskennen, sondern den fachlichen Hintergrund in den jeweiligen Bereichen mitbringen. 

Zum Hintergrund: Internationales Personal hat nur einen limitierten Zugang in die Einsatzgebiete, daher liegen unsere eigenen Büros, über die wir unsere Hilfe in Syrien steuern, in der Türkei an der Grenze zu Syrien, in Kilis und in Gaziantep. Die Malteser in der Türkei unterstützen die Partner technisch und stellen – soweit in dieser Krisensituation möglich – für den medizinischen Bereich sicher, dass die humanitären Programme internationalen Qualitätsstandards entsprechen. Auch im administrativen Bereich werden die Partner beraten und unterstützt.

Warum ist die Unterstützung für die Region jetzt gerade wichtig? 

Die Menschen in Syrien befinden sich in einer akuten humanitären Notlage. Ihnen mangelt es an allem. Die extrem schlechte Versorgungslage wirkt sich vor allem negativ auf Kinder, chronisch Kranke und alte Menschen aus. Das medizinische Personal leistet Unfassbares im Versuch, die Versorgung der Menschen aufrecht zu erhalten. Dazu gehört nicht nur Notfallchirurgie, sondern auch die Durchführung lebensrettender Gesundheitsdienste wie Dialyse und das Verteilen therapeutischer Nahrung für unterernährte Kinder. 
Gerade jetzt sind die intern Vertriebenen extremer Kälte und Regen ausgesetzt und auf Hilfsgüter wie Decken, Matratzen etc. angewiesen. Generell ist der Bedarf immens hoch. Zugleich müssen die Geflüchteten perspektivisch unterstützt werden, damit sie in Zukunft die Möglichkeiten haben, in ihre Heimat zurückzukehren und einen Wiederaufbau mit vereinten Kräften zu ermöglichen.

Welche Hilfsmittel fehlen konkret? 

Rund 4,7 Millionen Menschen in Nordwestsyrien benötigen dringend humanitäre Hilfe. Insbesondere fehlen Unterkünfte, Zelte, Matratzen und Decken sowie Nahrungsmittel, sauberes Wasser, Brennstoff und es gibt keine ausreichende medizinische Versorgung vor Ort. 

Was passiert mit den Spenden aus Deutschland? 

Die Spenden werden verwendet, um die Menschen vor Ort bedarfsgerecht zu versorgen. Dazu gehören beispielsweise dringend benötigte Blutkonserven, Krankentransporte und die medizinische Betreuung auf der Intensivstation. Wenn möglich werden sie als Eigenmittel eingesetzt, um weitere Gelder von öffentlichen Geldgebern zu akquirieren und somit den Einsatz für die notleidende Bevölkerung vor Ort um ein Vielfaches zu erhöhen.
Aktuell verwenden wir neu-eintreffende Spenden insbesondere für die medizinische Versorgung sowie die Versorgung der Menschen, die auf ihrer Flucht alles hinterlassen mussten, mit Matratzen und Decken.


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