Vergessene Krisen: Unsichtbares Leiden

Das von Erdbeben gebeutelte Haiti, der Bürgerkrieg in Burundi oder die Hungerkrise im Südsudan tauchen in den Nachrichten nur noch selten auf. Diese Krisen sind in Vergessenheit geraten. Die betroffenen Menschen und die Hilfsorganisationen haben es dadurch deutlich schwerer.

Darum geht’s:


Wo sind die vergessenen Krisen?

Die Flutkatastrophe im Westen Deutschlands haben wir alle mitbekommen. Die Medienberichterstattung ist zwar nicht mehr so groß wie zu Beginn der Krise, aber wir hören und lesen weiterhin davon. Es betrifft ja auch Menschen in unserem Land. Doch je weiter weg eine Krise stattfindet, desto weniger ist sie uns oft bewusst. Ist die Aufmerksamkeit verebbt oder generell sehr gering, spricht man von einer vergessenen Krise. Die EU-Kommission beschreibt diese Krisen so: „Schwerwiegende, langwierige humanitäre Situationen, die durch Naturkatastrophen oder bewaffnete Konflikte verursacht werden und in denen die betroffene Bevölkerung nur unzureichende internationale Hilfe und Aufmerksamkeit erhält, insbesondere was die Berichterstattung in den Medien betrifft.“ Hinzu kommt das geringe oder nicht vorhandene politische Interesse anderer Länder, diese Krise zu beenden.

Die Webseite des Auswärtigen Amts zeigt eine Weltkarte mit vergessenen Krisen. Mehrere Länder in Lateinamerika wie Guatemala und Kolumbien sind betroffen, sehr viele Länder auf dem afrikanischen Kontinent wie Algerien, Burkina Faso, Sudan oder Burundi. Außerdem gibt es vergessene Krisen in der Ukraine, Pakistan, Bangladesch, auf den Philippinen und in Myanmar. Viele Krisen bestehen seit Jahren oder sogar seit Jahrzehnten. Dabei handelt es sich unter anderem um andauernde gewaltsame Konflikte wie in Kolumbien oder im Südsudan. In vielen Ländern macht sich die Klimakrise durch immer neue Naturkatastrophen deutlich bemerkbar – wie beispielsweise die Erdbeben mit einem anschließenden Wirbelsturm in Haiti . Trockenheit und Dürre bringen Hungersnöte mit sich wie in Mali und Burkina Faso. Doch warum vergessen wir Menschen diese Krisengebiete? Wollen wir nicht hinsehen?

Warum geraten Krisen in Vergessenheit?

Heutzutage haben wir Zugriff auf so viele Informationen wie noch nie in der Geschichte der Menschheit. Man könnte denken, dass diese Krisen eigentlich nicht vergessen werden können. Das Problem ist allerdings, dass wir zu viele Informationen erhalten und uns in besonderem Maße auf die Berichterstattung in den Medien verlassen. Damit haben sie einen großen Einfluss darauf, was wir wahrnehmen und wie wir es wahrnehmen. „Wenn Facebook, Instagram oder Twitter genauso wie TV-Nachrichten die Geschehnisse nicht oder nur ganz am Rande aufgreifen, gelangen sie gar nicht erst in unser Bewusstsein“, sagt Carla Wehmeier, Referentin von Malteser International. Besonders, wenn Krisen schon lange andauern, wie ja auch die Klimakrise, werden sie von aktuelleren Nachrichten und akuteren Krisen aus unserem Bewusstsein verdrängt. Und es gibt noch einen weiteren Punkt, der dafür sorgt, dass wir Krisen nicht mehr richtig wahrnehmen, sagt Carla: „Leider neigen wir auch dazu, Länder wie Haiti, die immer wieder von schlimmen Ereignissen heimgesucht werden, schon fast automatisch mit Krisen in Verbindung zu bringen. Das kann dazu beitragen, dass wir nicht mehr so sensibel und empathisch reagieren und uns quasi schon daran gewöhnt haben.“ Das erschwert unter anderem die humanitäre Arbeit der Hilfsorganisationen.

Was ist eigentlich eine humanitäre Krise?

Es gibt keine einheitliche Definition dafür. In der Regel spricht man dann von einer humanitären Krise, wenn die Existenz von Menschen in einem bestimmten Gebiet durch ein oder mehrere Ereignisse bedroht ist. Diese Ereignisse können verschiedene Ursachen haben. Die von Menschen gemachten Krisen sind Krieg oder andere bewaffnete Konflikte, Zug-, Schiff- und Flugzeugunglücke oder Nuklearkatastrophen. Dann gibt es noch die sogenannten natürlich auftretenden Gefahren wie Erdbeben, Wirbelstürme, Überschwemmungen, Dürreperioden, Epidemien und Schädlingsbefall. Sicherlich könnte man viele dieser Krisen aufgrund der Klimaentwicklung auch als vom Menschen gemachte Krisen bezeichnen. Eine dritte Kategorie sind die sogenannten komplexen Notfallsituationen. Diese entstehen oft durch eine Kombination der schon genannten Krisen. Als Folge davon flüchten die Menschen, Wirtschaft und Gesellschaft gehen langsam kaputt, Armut und Gewalt breiten sich aus.

Hilfe gegen das Vergessen

Es ist doch immer so: Wer am lautesten ruft, wird am besten gehört. Wenn die mediale und politische Aufmerksamkeit für eine Krise zu gering ist, dann bekommen die Betroffenen in der Regel auch weniger Unterstützung, also weniger Spenden- oder Fördergelder zur Verfügung gestellt. „Das heißt auch, dass Organisationen wie Malteser International sehr eingeschränkt sind, was die Hilfe angeht, die wir leisten können“, sagt Carla. „Die wichtige Unterstützung, die wir vor Ort leisten, können wir ohne ausreichend Spenden und Fördermittel nicht umsetzen.“ Und dennoch sorgen Hilfsorganisationen dafür, dass auch den Menschen geholfen wird, die von vergessenen Krisen betroffen sind. Die vielen Expertinnen und Experten sowie Freiwillige sammeln Spenden, beantragen Fördergelder und unterstützen die Menschen vor Ort unter anderem mit dem Bau von Krankenhäusern, Schulen oder in der Landwirtschaft.

Daten, Zahlen, Fakten

Die Vereinten Nationen schätzen, dass aktuell 235 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Anfang 2020 waren es noch 170 Millionen. Innerhalb eines Jahres ist die Zahl um 40 Prozent gestiegen. Das liegt vor allem an der Corona-Pandemie. Die Lebensmittelpreise sind gestiegen, es gibt viele Lieferengpässe und Fördergelder werden zurückgefahren beziehungsweise anderweitig eingesetzt. Das erschwert auch die Arbeit der Hilfsorganisationen, die auf Spenden und Fördermittel angewiesen sind.

Die meisten von uns können leider keinen Einfluss auf die Berichterstattung der Medien nehmen. Allerdings können wir uns an den richtigen Stellen über vergessene Krisen und über Projekte von Hilfsorganisationen informieren – wie hier bei Malteser International. Sprechen wir mit unseren Freunden, Familienmitgliedern oder Bekannten darüber, machen wir weitere Menschen auf die vergessenen Krisen aufmerksam und die machen wiederum andere Menschen darauf aufmerksam. „Daraus können spannende Gespräche und ein Austausch mit Familie und Freunden entstehen“, sagt Carla. Außerdem haben wir heutzutage durch Facebook, Instagram, Twitter und Co. die Möglichkeit, noch mehr Menschen zu erreichen.

Selbstverständlich kann jeder und jede auch spenden. Carla rät zu einer sogenannten ungebundenen Spende: „Auf diese Art bringen uns die Spendenden das Vertrauen entgegen, dass wir das Geld dort einzusetzen können, wo es am dringendsten gebraucht wird. Durch unsere meist langjährige Erfahrung in den Krisengebieten und die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort, wissen wir genau, wo die meiste Hilfe benötigt wird.“

Hilf mit einer Spende!

Wenn du nun Carlas Rat befolgen und die Helferinnen und Helfer mit einer ungebundenen Spende unterstützen möchtest, kannst du hier an die Malteser spenden.


#Engagement

#Hilfe weltweit

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