Ungewöhnliche Ehrenämter: Arbeit im Justizvollzug
Auch im Justizvollzug kannst du dich vielfältig ehrenamtlich engagieren. Wir haben mit Maren Michels vom Hamburger Fürsorgeverein, der straffällig gewordene Menschen und ihre Angehörigen unterstützt, über diese besonderen Ehrenämter gesprochen.
Darum geht’s:
- Welche Ehrenämter gibt es im Justizvollzug?
- Warum ist ehrenamtliche Hilfe in diesem Bereich so wichtig?
- Was ist das Besondere an Ehrenämtern im Justizvollzug?
- Was sind die Voraussetzungen für ein Ehrenamt im Justizvollzug?
- Was sind die Herausforderungen?
- Ist ein Ehrenamt im Justizvollzug gefährlich?
Welche Ehrenämter gibt es im Justizvollzug?
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, sich ehrenamtlich im Justizvollzug zu engagieren. Zum einen bei Gruppenangeboten, die in den Justizvollzugsanstalten für Inhaftierte angeboten werden: wie Kochkurse, Spielegruppen, Yogakurse oder Kurse zur Entlassungsvorbereitung. Die werden oft von Ehrenamtlichen angeleitet oder begleitet. Außerdem kann man sich in der Einzelbegleitung engagieren – das sind klassische Gefangenenbesuche, bei denen man einen Inhaftierten regelmäßig und oft über Jahre hinweg im Gefängnis besucht. Und auch in der Angehörigenhilfe werden immer Ehrenamtliche gebraucht. Die Angebote finden in und außerhalb der Anstalten statt. Es gibt zum Beispiel Gruppen für Partnerinnen und Partner von Inhaftierten oder auch Mutter- beziehungsweise Vater-Kind-Gruppen, bei denen Inhaftierte mit ihren Kindern gemeinsam spielen, um die Bindung zwischen Vater und Kind zu erhalten. Es gibt auch spezielle Mutter-Kind-Gruppen, in denen Neugeborene und kleine Kinder bei ihrer inhaftierten Mutter bleiben können.
Warum ist ehrenamtliche Hilfe in diesem Bereich so wichtig?
Die Resozialisierung von Straffälligen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Und das ehrenamtliche Engagement im Justizvollzug ist ein wichtiger Baustein davon. Man muss sich eines klarmachen: Wer in Haft sitzt, hat im Alltag hauptsächlich mit Menschen zu tun, die dafür bezahlt werden, sich mit einem zu beschäftigen. Wie die Mitarbeitenden in den Anstalten oder auch die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die sich um die Inhaftierten kümmern. Das ist kein schönes Gefühl für die Inhaftierten. Die Ehrenamtlichen hingegen kommen freiwillig und ganz ohne Auftrag. Sie werden nicht dafür bezahlt, Zeit mit den Menschen in Haft zu verbringen, begegnen ihnen mit echtem Interesse und sind ihre Verbindung zur Außenwelt. Es ist für die Inhaftierten sehr wichtig, mit ganz normalen Menschen Kontakt zu haben, die vom Alltag und vom Leben draußen erzählen. Das erleichtert später den Übergang in die Freiheit. Ein wichtiger Aspekt ist auch, dass die Ehrenamtlichen draußen anderen von ihren Begegnungen und Erfahrungen erzählen. Das wirkt gegen viele Klischees gegenüber Menschen in Haft, die es leider immer noch gibt.
Was ist das Besondere an Ehrenämtern im Justizvollzug?
Die Arbeit ist einfach spannend. Man trifft Menschen, die man sonst im Alltag wahrscheinlich niemals treffen würde. Das kann den eigenen Horizont ungemein erweitern. Viele Ehrenamtliche begleiten Inhaftierte über Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg. Ehrenamtliches Engagement im Strafvollzug gibt außerdem Hoffnung: „Du hast Mist gebaut, trotzdem schenke ich dir meine Zeit“ – das Gefühl, dass sich jemand aufrichtig für sie interessiert, das macht was mit den Menschen in Haft. Wer überzeugt ist, dass Menschen eine zweite Chance verdient haben, für den kann so ein Ehrenamt genau das Richtige sein.
Was sind die Voraussetzungen für ein Ehrenamt im Justizvollzug?
Ein Ehrenamt im Justizvollzug ist immer eine Herausforderung und bedeutet für die Ehrenamtlichen viel Verantwortung. Wer sich dafür interessiert, sollte sehr offen sein, aufrichtiges Interesse an Menschen und anderen Lebensweisen haben und diese verstehen wollen. Es ist wichtig, nicht moralisch zu urteilen, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit sind Pflicht. Und ganz wichtig: Die Ehrenamtlichen müssen eine stabile Persönlichkeit haben. Wer in einer Krise steckt, kann ein Ehrenamt im Justizvollzug nicht ausüben. Aber natürlich wird auch niemand ins kalte Wasser geworfen. Die Ehrenamtlichen werden in umfangreichen Kursen, die oft mehrere Monate dauern, intensiv vorbereitet und geschult. Sie erhalten dann ein Zertifikat über die Kursteilnahme, das der jeweiligen Anstalt vorgelegt werden muss. Außerdem werden alle Ehrenamtlichen einer Sicherheitsprüfung unterzogen. Auch die kann mehrere Monate dauern.
Ein verbindliches Ehrenamt
Wenn du dich für ein Ehrenamt im Justizvollzug interessierst, solltest du langfristig Zeit dafür haben. Verbindlichkeit ist für die Inhaftierten sehr wichtig. Wenn du einen Auslandsaufenthalt oder eine längere Reise planst, warte lieber ab und starte im Anschluss daran mit dem Ehrenamt.
Was sind die Herausforderungen bei einem Ehrenamt im Justizvollzug?
Es ist wichtig, immer zu bedenken, dass man es mit Straftäterinnen und Straftätern zu tun hat. Die Menschen sind keine Unschuldslämmer, haben teils schreckliche Taten begangen. Man muss wissen, ob man das will und kann: für sie da sein, obwohl sie anderen Schlimmes angetan haben. Das traut sich nicht jeder zu. Wer unsicher ist, für den ist vielleicht ein Gruppenangebot besser als eine Einzelbegleitung. Was man auch wissen muss: Viele der Inhaftierten haben gewaltgeprägte Biografien und zeigen manipulatives Verhalten. Sie versuchen vielleicht, über die Ehrenamtliche Briefe zu schmuggeln, oder bitten sie um andere Gefallen. Da muss man klare Grenzen setzen können und auch bereit sein, konstruktiv mit der Justiz zusammenzuarbeiten. Man darf die Gefangenen nicht therapieren wollen – auch das ist manchmal nicht leicht. Gleichzeitig muss man großzügig und großmütig sein. Viele Täterinnen und Täter waren selbst als Kind einmal Opfer. Und dann gibt es noch einen anderen Aspekt:
Einige Ehrenamtliche müssen ihr Engagement privat im Freundeskreis verteidigen. Es ist nun mal ein sehr ungewöhnliches Ehrenamt und es kann durchaus sein, dass man auf Unverständnis stößt, auch darauf sollte man sich einstellen. Man muss schon einiges abkönnen – bekommt aber dafür auch viel zurück.
Ist ein Ehrenamt im Justizvollzug gefährlich?
Nein. In über 30 Jahren hatten wir bei uns noch keinen einzigen Vorfall. Die Gruppenangebote und Treffen sind für die Inhaftierten freiwillig, niemand wird dazu gezwungen. Wer mitmacht, bringt also schon mal eine gewisse Offenheit mit. Trotzdem werden die Ehrenamtlichen so gut wie möglich geschützt. Sie bleiben bis auf ihren Vornamen anonym, finden Treffen außerhalb der Anstalt ab, gibt es in der Regel geschützte Orte, die für die Treffen genutzt werden können. Bei den Einzelbegleitungen prüfen wir vorab immer sehr genau, welcher Ehrenamtliche zu welchem Inhaftierten passen könnte. Stimmen etwa Hobbys und Interessen ab. Bei Sexualstraftäterinnen und Sexualstraftätern wird nicht das jeweils andere beziehungsweise präferierte Geschlecht als Begleiterin oder Begleiter zugelassen. Außerdem ist natürlich immer jemand für die Ehrenamtlichen da, wenn sie Fragen oder ein ungutes Gefühl haben. Wir helfen auch, wenn es mal einen Konflikt zwischen den Ehrenamtlichen und der Anstalt gibt.
Ehrenamt im Justizvollzug: So gehst du vor
Wenn du dich für ein Ehrenamt im Justizvollzug interessierst, wendest du dich am besten direkt an eine Haftanstalt in deiner Stadt. Viele Anstalten bieten die Vorbereitungskurse für Ehrenamtliche selbst an oder verweisen an freie Träger. Auch auf den Seiten der Justizministerien der Bundesländer findest du weitere Informationen zum Ehrenamt im Justizvollzug.