Tu, was du liebst
Nour Alfadel ist eine fröhliche 17-Jährige. Sie lernt für die Schule, aktuell macht sie den Realschulabschluss, verbringt viel Zeit mit ihren Freundinnen am Ufer des Bodensees und liebt es, auf Instagram von ihrem Leben zu berichten. Dort folgen ihr bereits mehr als 6.000 Menschen, denn Nour hat viel zu erzählen. Vor drei Jahren ist sie gemeinsam mit ihren Eltern und vier Geschwistern vor dem Krieg aus Syrien geflohen und musste sich hier in Deutschland ein neues Leben aufbauen.
Darum geht's
Ankunft in Deutschland: Hilfe durch den „Mädelstreffs“
Angekommen in Deutschland begann ihre Geschichte in einer Gemeinschaftsunterkunft in Konstanz. Dort teilte sich Familie Alfadel mit mehreren anderen Familien Bad und Toilette auf dem Gang und auch sonst hatten sie nur wenige Quadratmeter für sich alleine. Da kam Nour das Angebot des „Mädelstreffs“ gerade recht, den die Malteser gemeinsam mit einer lokalen Flüchtlingshilfe-Organisation anbieten. Hier fand sie ein Stück Freiraum in ihrem Alltag, den sie in der Anfangszeit vor allem in der Enge der Gemeinschaftsunterkunft verbrachte. Im Mädelstreff treffen sich junge geflüchtete Frauen aus allen Nationen mit deutschen Gleichaltrigen um gemeinsam eine gute Zeit in einem geschützten Raum zu verbringen. Gleichzeitig ist es auch ein Ort um Wissenswertes für den Alltag der Geflüchteten in Deutschland zu lernen. Welche Fahrkarte man braucht, um in die nächste größere Stadt zu fahren oder warum es in Deutschland einen Unterschied zwischen Fachhochschulreife und Abitur gibt, obwohl man mit beidem studieren kann, war für sie am Anfang nicht leicht zu verstehen.
Von der Gemeinschaftsunterkunft zur Malteser Jugend
Im Mädelstreff dauerte es nicht lange, bis auch die Malteser auf Nour aufmerksam wurden. „Sie war immer sehr hilfsbereit und kümmerte sich um ihre Mitmenschen.“, erinnert sich Silvia Baumann, die den Mädelstreff initiiert hat. „Da war ziemlich schnell klar, dass wir sie fragen, ob sie nicht Lust hätte, sich in der Malteser Jugend einzubringen.“ Anfang 2018 ist es dann soweit und Nour assistiert in ihrer ersten Gruppenstunde. Die Kinder sind begeistert von ihr und ihrer fröhlichen Art und auch Nour bekommt leuchtende Augen, wenn sie über die Arbeit mit ihrer Jugendgruppe spricht: „Es ist ja nicht nur so, dass ich den Kindern etwas beibringen kann, andersherum funktioniert das ja genauso. Zum Beispiel die Sprache: die Kinder wechseln nicht einfach ins Englische, wenn ich ein bestimmtes Wort auf Deutsch nicht kenne, wie es viele Erwachsene tun. Da wird dann so lange erklärt, bis ich das Wort gelernt habe.“, lacht sie.
Im Frühjahr 2019 absolvierte Nour die Ausbildung zur Jugendgruppen-Leiterin und übernahm ihre eigene Gruppe, als erste geflüchtete Jugendgruppen-Leiterin der Diözese Freiburg.
Seit fast drei Jahren lebt sie jetzt am Bodensee und fühlt sich dort sehr wohl. Konschtanz, sie spricht ihre neue Heimatstadt genau wie die Einheimischen aus, ist für die 17-Jährige der Mittelpunkt ihrer Welt. Hier hat sie ihre Freunde und hier plant sie ihre Zukunft. Nach dem Realschulabschluss will sie mit der Fachhochschulreife weiter machen. Später will sie studieren. Was genau weiß sie noch nicht, aber auf jeden Fall nichts mit Zahlen und Excel-Tabellen, da ist sie sich sicher.
Ich will unbedingt einen Beruf haben, bei dem ich mit Menschen zu tun habe.
Nour Alfadel
Auch das hat sich für sie in ihrer Zeit bei den Maltesern herauskristallisiert. An ihrer Jugend-Bekleidung hat sie einen Pin befestigt auf dem steht “Do what you love” und wenn man Nour in Aktion erlebt, merkt man sofort, dass sie gerade genau das macht, was sie liebt.
Malteser Migrationsbericht 2019
Dieses Porträt ist Teil des Malteser Migrationsberichts 2019. Mit dem Migrationsbericht sollen die Themen Flucht und Migration auf Faktenbasis beleuchtet werden, um ein Gegengewicht zur emotionalen Diskussion in der Gesellschaft zu bieten. Der wissenschaftliche Teil des Berichts ist federführend vom renommierten Wirtschaftswissenschaftler Prof. Lars Feld verfasst worden und ihr könnt ihn euch hier herunterladen: www.malteser.de/migrationsbericht
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