Schulbegleitung: Teilhabe durch Begleitung
Als er die Diagnose Diabetes bekam, konnte der kleine Theo plötzlich nicht mehr in die Kita gehen – das Leben der Familie stand kurzzeitig Kopf. Dank des Schulbegleitdienstes der Malteser in Lübeck kann er wieder unbeschwert am Kita-Alltag teilnehmen.
Darum geht's:
Wenn eine Diagnose alles verändert
Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung. Aber nicht alle Kinder können einfach so am Kita- oder Schulalltag teilnehmen, weil sie beispielsweise eine Krankheit oder eine körperliche beziehungsweise seelische Behinderung haben und mehr Förderung oder medizinische Betreuung benötigen. So wie der kleine Theo.
Im Februar 2019 bekam der damals Zweijährige die Diagnose Diabetes. Mit einem Schlag stand das Leben der Familie Kopf. „Gerade war Theo noch vollkommen gesund, und plötzlich war er schwer krank“, erinnert sich seine Mutter Nadine. „Neben unseren Ängsten und Sorgen mussten wir uns auf einmal mit Dingen wie einer Insulinpumpe, Sensoren und Kathetern beschäftigen.“ Diabetes bedeutet: Theos Blutzuckerspiegel muss permanent überwacht und gegebenenfalls ausgeglichen werden. Denn eine starke Unterzuckerung kann von Bewusstseinsstörungen bis hin zur Bewusstlosigkeit führen.
Plötzlich brach die Betreuung weg
Seit Theo ein Jahr alt war, war er in einer Krippe. Doch plötzlich konnte er nicht mehr in die Kita gehen. „Nach der Diagnose Diabetes haben die Erzieherinnen es sich nicht mehr zugetraut, ihn zu betreuen“, erzählt Nadine. Anspruch auf einen Inklusionsplatz haben Kinder jedoch erst ab drei Jahren. Theo musste also zu Hause bleiben. Dass seine Betreuung plötzlich wegbrach, stellte die Familie vor eine große Herausforderung. Nadine konnte von einen Tag auf den anderen nicht mehr arbeiten. Es standen ihr aber auch keinerlei Hilfen zu. „Viele Eltern mit kranken Kindern fallen in eine Grauzone und bekommen keinerlei finanzielle Unterstützung“, sagt sie. Eine Lösung musste her – und das möglichst schnell. Klar war: Theo konnte nicht mehr allein in den Kindergarten gehen. Er musste von jemandem begleitet werden, der permanent sein Insulin überwacht, die Insulinpumpe bedient, seinen Blutzuckerspiegel misst und Unterzuckerungen ausgleicht. Ein Pflegedienst könnte das theoretisch leisten, ist aber sehr teuer. „Ich habe trotzdem einen Intensivpflegedienst angefragt, aber die sagten mir ab“, erinnert sich Nadine.
Die Lösung: der Schulbegleitdienst der Malteser
Verzweifelt suchte sie nach Hilfe. Doch niemand fühlte sich zuständig. „Ein Diabetes-Kind hatte damals schlichtweg keinen Anspruch auf eine Betreuung oder Begleitung“, sagt Nadine. „Und weder die Krankenkasse noch die Eingliederungshilfe fühlte sich für uns zuständig. Ich wollte einfach nur mein Kind in guten Händen wissen, aber niemand unterstützte mich.“ Sie schaltete einen Anwalt ein, kämpft bis heute vor Gericht für die Rechte von Kindern mit Diabetes. Und sie wandte sich an die Malteser in Lübeck. „Dort hörte man mir endlich zu“, sagt Nadine. Die Lösung lautete schließlich: Schulbegleitdienst. Über den Schulbegleitdienst der Malteser werden Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene betreut, die wegen einer (drohenden) geistigen, körperlichen oder seelischen Behinderung nicht mehr allein in die Kita, den Kindergarten oder die Schule gehen können.
Schulbegleitdienst der Malteser
Voraussetzungen, Ablauf, Antrag: Alle Infos zum Schulbegleitdienst der Malteser findest du unter www.malteser.de/schulbegleitung.
Schulbegleitung: ein Job mit Verantwortung
„Die Malteser in Lübeck setzen alle Hebel in Bewegung, um eine Begleitung für Theo zu ermöglichen und haben uns bei den ganzen bürokratischen Fragen sehr geholfen“, sagt Nadine. Und so trat Bianca in das Leben der Familie. Die Mitte 40-Jährige begleitete Theo fortan in seine Kita. Die Malteser bereiten alle Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter sorgfältig auf ihre Aufgaben vor. Von Nadine bekam Bianca außerdem eine genau Einweisung ins Thema Diabetes, ihr wurde gezeigt, wie Theos Pumpe funktioniert und worauf sie achten muss. Bianca verbrachte dann den Kita-Alltag zusammen mit Theo. Übers Handy konnten Nadine und ihr Mann stets Theos Werte mit überwachen. „Bianca konnte sich auch jederzeit bei uns melden, wenn sie unsicher war“, sagt Nadine. „Wir wussten ja: Das ist kein einfacher Job. Man hat eine große Verantwortung, muss voll bei der Sache sein. Sie hat das aber super gemacht. Wir waren unglaublich dankbar für die Begleitung. Theo konnte wieder am Kita-Alltag teilnehmen und ich konnte meine Arbeit wieder aufnehmen. Theo hat eine tolle Bindung zu Bianca aufgebaut.“
Schulbegleitung ermöglicht Teilhabe
Für die Arbeit der Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter ist es wichtig, dass die Zuständigkeiten klar geregelt sind. Schule und Kita sind weiter für alle pädagogischen Kernaufgaben zuständig und kommen ihrem Erziehungs- und Bildungsauftrag nach, die Schulbegleitung leistet individuelle Hilfe, die das jeweilige Kind braucht. „Da gab es bei uns anfangs mitunter Reibungen“, erinnert sich Nadine. „Es war ein Prozess – aber heute ist das strikt getrennt. Theo weiß genau: Das ist mein Mensch für meine Pumpe und das ist mein Mensch für alles, was die Kita betrifft – und den ich, wie alle anderen Kinder auch – bei Sorgen oder sonstigen Dingen ansprechen kann. Das ist wichtig, damit er nicht das Gefühl hat, eine Sonderstellung zu haben.“
Inzwischen wird Theo von fünf verschiedenen Begleiterinnen und Begleitern eines Pflegedienstes betreut, die sich abwechseln. „Das ist für uns ideal, falls mal jemand durch Urlaub oder Krankheit ausfällt“, erklärt Nadine. Vor ein paar Monaten ist außerdem Lilly zur Familie gekommen. Die süße Pudeldame wird gerade zur Begleithündin ausgebildet, soll dann anzeigen, wenn Theo unterzuckert ist und nachts eine Notfallklingel bedienen können, um die Eltern zu wecken. „Das wird uns nochmal mehr im Alltag entlasten“, sagt Nadine. Die Kita- und später die Schulbegleitung ersetzt Lilly aber nicht: „Die ist weiter wichtig, damit Theo seinen Alltag ohne uns meistern kann. Die Begleitung ermöglich Teilhabe – wir möchten sie nicht mehr missen.“
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