Erste Hilfe in leichter Sprache für Menschen mit Behinderung
Isabell Voss startete in der nordrhein-westfälischen Stadt Goch ein vorbildliches Projekt für Menschen mit geistiger Behinderung: Sie vermittelte Erste Hilfe in leichter Sprache und erhielt dabei von den Maltesern vor Ort Unterstützung in Form von Material und Know-how. Das Projekt war ein voller Erfolg und soll möglichst bald wiederholt werden.
Darum geht's:
Wie kam es zu der Idee, Erste Hilfe in leichter Sprache zu vermitteln?
Isabell Voss ist Mitglied der Malteser und engagiert sich dort ehrenamtlich. Während ihrer Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin bei der LVR HPH (Heilpädagogische Hilfen für Erwachsene mit geistiger Behinderung) kam ihr für eine anstehende Projektarbeit die Idee, ein Erste-Hilfe-Projekt in leichter Sprache anzubieten. „Es gibt sehr wenige Angebote gezielt für Menschen mit geistiger Behinderung“, sagt sie, „Erste Hilfe ist ein lebensnahes und sehr wichtiges Thema. Es bot sich für mich an.“
Was ist leichte Sprache? Und wo liegt der Unterschied zur einfachen Sprache?
Es gibt die sogenannte „Einfache Sprache“. Sie ist eine vereinfachte Form der Standardsprache und für Menschen gedacht, die zwar lesen können, aber mit komplizierten Texten Probleme haben. Außerdem richtet sie sich ausdrücklich an Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist.
Die „Leichte Sprache“ ist noch etwas spezialisierter und stärker vereinfacht. Das Netzwerk Leichte Sprache hat dafür ein Regelwerk erstellt. Diese Sprachregeln umfassen zum Beispiel die Verwendung kurzer Aktivsätze mit jeweils nur einer Aussage. Synonyme, Sonderzeichen und Verneinungen sind nicht erlaubt.
Die junge Malteserin entwickelte das Lernprogramm ganz neu und gezielt auf die Bedürfnisse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausgerichtet. Dabei war sie mit viel Liebe zum Detail bei der Sache: So gab es für die Teilnehmenden jeweils DIN-A4-Blätter in leichter Sprache zu den wichtigsten Inhalten und eine Mappe zum Nachschlagen, eine selbst gestaltete Urkunde und ein Erste-Hilfe-Set zum bestandenen Kurs.
Wie war der Unterricht aufgebaut?
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zwischen 20 und 60 Jahren absolvierten insgesamt zehn Unterrichtseinheiten á 45 Minuten. Zu Beginn ging es um grundsätzliche Informationen wie etwa: Was ist Erste Hilfe? Wie funktioniert die Rettungskette? Und: Wie sende ich einen Notruf? Isabell Voss sagt: „Das war mir besonders wichtig: Ich wollte, dass sie am Ende wirklich wissen, welche Nummer sie anrufen müssen.“ Neben dem theoretischen Teil gab es vor allem viele praktische Übungen. „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten sich nicht so gut über lange Phasen hinweg konzentrieren, darauf musste ich eingehen. Denn jede und jeder, der dabei war, sollte auch wirklich etwas von dem Kurs haben.“ Sie merkte schnell: „Je praktischer die Inhalte umgesetzt und vermittelt wurden, desto begeisterter und konzentrierter war ihre Gruppe.“ Mithilfe von Theaterblut und Rollenspielen versuchte sie, die Not-Situationen möglichst originalgetreu und realistisch nachzustellen.
Warum ist ein Erste-Hilfe-Projekt in leichter Sprache wichtig?
„Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren alle sehr mobil, aktiv und meistens den ganzen Tag draußen unterwegs. Insofern sind sie – wie jeder andere von uns – natürlich auch nicht davor geschützt, in einen Unfall verwickelt zu werden“, sagt Isabell Voss. Und: „Warum sollten Menschen mit Behinderung keine Erste Hilfe leisten können? Ich glaube sogar, dass es besonders wichtig ist, dass sie wissen, was im Ernstfall zu tun ist – um anderen zu helfen, aber im Zweifel auch sich selbst.“ Und so lernten die Teilnehmenden das ganze Spektrum: vom Anlegen eines Verbands über die stabile Seitenlage bis hin zur Reanimation per Mund-zu-Mund-Beatmung oder mit dem Defibrillator. Voss: „Es ist mir wichtig, dass die Absolventinnen und Absolventen mit den neuen Fähigkeiten ihr Leben noch eigenständiger und selbstbestimmter bestreiten können.“
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Wie waren die Reaktionen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer?
Die Teilnehmerinnen waren mit viel Engagement und Begeisterung bei der Sache und würden den Kurs gerne weitermachen – auch Isabell Voss möchte das Programm in Zukunft wieder anbieten: „Ich habe sehr viel Herzblut in das Projekt gesteckt“, sagt sie, „deshalb werde ich im Anschluss meinen Ausbilderschein machen und dann weitersehen.“
Gab es besonders schöne Momente?
Am Ende des Kurses schenkte ihr die Gruppe Pralinen und Blumen. Doch eines hat Isabell Voss noch mehr bedeutet. „Nach dem Kurs habe ich noch mein Material zusammengesammelt und etwas aufgeräumt. In der Zeit sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schon nach oben in ihre Wohngruppe gegangen“, erinnert sie sich. „Wenn ich dann nachkam, wusste schon jeder, was wir gemacht hatten. Sie hatten ganz genau erzählt, was sie gelernt hatten und wie toll es war. Sie waren stolz. Das hat mir sehr viel bedeutet und bestätigt, wie wichtig es ist, solche Angebote zu machen.“