Obdachlos in Corona-Zeiten
Covid-19 war und ist für viele von uns eine Herausforderung. Schon vor dem Kontaktverbot, direkt nach dem ersten Aufruf an die Bürger, daheim zu bleiben, stellte sich die Frage, wie die Menschen ohne Obdach die Krise bewältigen würden. Solidarität und Einsatzbereitschaft sind vor allem in den Städten enorm wichtig.
Darum geht’s:
Warum sind Obdachlose so gefährdet?
Vor allem zu Beginn der Corona-Krise sah es für viele obdachlose Menschen in Deutschland schlimm aus: Aus Sorge um die Helfenden und die älteren Obdachlosen, schlossen viele Tafeln und andere Hilfsangebote ihre Pforten. Die Menschen blieben daheim, arbeiteten im Home-Office und deckten sich mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln ein, während die Obdachlosen in vielen Regionen – zumindest zeitweise – sich selbst überlassen wurden. Dabei sind gerade sie in besonderem Maße gefährdet.
Viele von ihnen haben keinen Rückzugsort und trotz Angeboten wie dem Duschbus GoBanyo, Container-Duschen und etwaigen Einrichtungen mit Waschplätzen ist ihr Zugang zur sanitären Versorgung oft nur eingeschränkt möglich. Ein nicht unbedeutender Teil von ihnen muss aufgrund von Vorerkrankungen zur Hochrisikogruppe gezählt werden und in Deutschland sind zudem rund 25 Prozent der Wohnungslosen älter als 50 Jahre. Notunterkünfte sind prinzipiell eine gute Sache, doch ist es dort schwer, die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Aus diesem Grund werfen wir am Ende dieses Artikels auch noch einmal einen Blick auf alternative Behausungsprojekte.
Hilfe und Halt für obdachlose Menschen
Erschwerend kommt hinzu, dass für viele Obdachlose die Einnahmequellen wegfielen: Kleingeld, das in Fußgängerzonen erbettelt werden konnte, Pfandflaschen oder der Erlös aus dem Verkauf von Obdachlosenzeitungen – all das blieb erst einmal aus. Ein schwerer Schlag war außerdem die Schließung von Tagesstätten, Obdachlosen-Cafés und sonstigen Treffpunkten, die den Menschen in ihrem Alltag Halt gaben. So erging es auch der Obdachlosen-Tagesstätte MAhL ZEIT, wo der Coronavirus alles auf den Kopf gestellt hat. „Kurz bevor wir komplett schließen mussten, waren wir noch vier Leute für die Versorgung von über 100 Menschen“, erzählt uns die Leiterin des Hauses Marion Laux. Wir haben sie getroffen und mit ihr über die aktuelle Situation gesprochen.
Bitte beachten Sie: Sobald Sie sich das Video ansehen, werden Informationen darüber an Youtube/Google übermittelt. Weitere Informationen dazu finden Sie unter Google Datenschutzerklärung.
Aktuell können Obdachlose in Hamburg montags, mittwochs und samstags von 10 bis 14 Uhr im St. Pauli Bäderland duschen. Das Konzept ist eine Zusammenarbeit zwischen der Sozialbehörde und der Organisation GoBanyo, um ein Mindestmaß an Hygiene zu ermöglichen. Vor den Toren wird MAhL ZEIT wieder Taschen mit Pflegeprodukten und frischer Wäsche verteilen, um das Duscherlebnis perfekt zu machen. „Wir sind froh, dass unsere Gäste hier die Möglichkeit haben, zu Duschen, was ihnen bei uns derzeit leider nicht möglich ist“, berichtet Marion.
MAhL ZEIT dankt allen Unterstützenden und Helfenden
Wenn Marion Covid-19 etwas positives abgewinnen kann, ist es die Solidarität in unserer Gesellschaft, die neu entfacht ist. Sowohl bekannte Unternehmen aus der Nachbarschaft als auch Privatpersonen setzen sich für Bedürftige ein, was das gesamte Team von MAhLZEIT begeistert: „Auf den Virus hätten wir natürlich gern verzichtet, aber es ist schön zu erleben, wie solidarisch die Menschen in der Situation geworden sind. Die Organisationen arbeiten eng zusammen und die Medien unterstützen positiv dabei. Die Sach- und Geldspenden von unseren Paten, die sich seit Jahren für unsere Gäste einsetzen, aber auch die spontane Hilfe von Menschen aus der Nachbarschaft ist bemerkenswert!“
Heute war Marion spontan mit einer Frau einkaufen, die 100 Euro für Pflegeprodukte zur Verfügung gestellt hat. „Danke, denn gerade Pflegeprodukte wie Feuchttücher, Rasierer und Pflaster sind echte Luxusprodukte auf der Straße, die immer gebraucht werden“, erklärt Marion und empfiehlt: „Jeder kann ein bisschen helfen. Wenn du zum Beispiel einkaufen gehst, könntest du vorher ein oder zwei Sandwiches machen und einem Obdachlosen übergeben, vielleicht mit einer kleinen Flasche Wasser. Bis die Tagesstätten wieder geöffnet haben, ist das eine tolle Unterstützung!“
Lehrerin schmiert Sandwiches für den Gabenzaun
Als Covid-19 durch Geschäftsschließungen und Kontaktbeschränkungen die Innenstädte verweisen ließ, fiel der Grundschullehrerin Tatjana Popczyk auf, dass ein paar von uns auf der Strecke blieben. „Wer kümmert sich eigentlich jetzt um die Obdachlosen?“, fragte sie sich und wandte sich an hamburger Bürgerschaftsabgeordnete, um Antworten zu bekommen. In der anfänglich akuten Situation wurde deutlich, dass es noch keinen konkreten Plan gab, wie die Situation für Obdachlose geregelt werden kann. Tatjana beschloss letztlich, selbst etwas zu tun, und hat inzwischen auch ihre Freunde aktiviert.
Als Grundschullehrerin hat sie auch im Homeoffice noch viel zu tun, kann sich aber ihre Zeiten selbst einteilen. Einen Teil ihrer freien Zeit verbringt sie nun mit dem Schmieren von herzhaften Sandwiches für Obdachlose, die sie an Organisationen weitergibt oder am Gabenzaun anbringt.
Dank vieler Spenden ihrer Freunde kann sie nun auch Tüten mit Hundefutter und Pflegeprodukten packen, die sie auf der Straße verteilt. Ihr Aufruf: „Der Gabenzaun ist die einfachste Möglichkeit für die Menschen, auf der Straße etwas Gutes zu tun. Wer etwas spenden möchte, kann es dort einfach anbringen!“ Wir haben Tatjana an einem Tag begleitet und die Dankbarkeit der Obdachlosen war spürbar.
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Wichtig: Auch beim Verteilen gilt es, den Abstand einzuhalten und die Gaben weit genug auseinander zu hängen, um die Menschen zu schützen. Außerdem verraten wir dir in der unten stehenden Infobox, was an den Gabenzaun gehört:
Was ist beim Packen einer Tüte für Obdachlose zu beachten?
- Frische Lebensmittel sind gut und wichtig, aber auf der Straße nicht lange haltbar. Deshalb sollten sie gut verpackt sein und nicht in zu großen Mengen angeboten werden.
- Haltbare Nahrungsmittel sollten leicht zu öffnen sein, ohne Hilfsmittel.
- Essbesteck sollte mitgereicht werden, wenn die Nahrungsmittel nicht mit den Händen gegessen werden können – zum Beispiel bei Joghurt, Salaten oder Fertiggerichten.
- Mineralwasser ist immer gut und ermöglicht zusätzlich die Einlösung gegen Pfand.
- Pflegeprodukte für den täglichen Bedarf werden immer gebraucht. Feuchttücher und Pflaster sind auf der Straße wahre Luxusgüter.
- Snacks, wie Schokolade oder Chips tun der Seele gut und versüßen nicht nur uns den Alltag. Die Snacks sollten aber in kleinen Portionen verpackt sein, was den reduzierten Transport vereinfacht.
Auch die Malteser sind weiterhin für die Menschen da
Als klar war, dass es in der aktuellen Krise auf schnelle und tatkräftige Hilfe für die Menschen ohne festen Wohnsitz ankommt, sind auch die Malteser in mehreren Städten aktiv geworden. So wurde als erstes alles versucht, um schon bestehende Projekte wie den Wärmebus in Hannover, der Obdachlose mit Lebensmitteln und Kleidung versorgt, weiter anbieten zu können, auch wenn es dafür teils bedeutende Änderungen im Ablauf und den Hygienemaßnahmen für die Helfenden bedeutete. Da in Hannover eine Essensausgabe zentral von der Stadt organisiert wurde, wurde der Wärmebus kurzerhand zum Nachtischbus umfunktioniert, der rund 120 Menschen mit Kaffee und Gebäck, was von örtlichen Bäckereien gespendet wird, versorgt und so ein kleines bisschen Freude in ihren Alltag bringt.
In der Krise helfen viele gemeinsam
In solch einer Situation ist Teamwork gefragt, denn neue Angebote mussten schnell geschaffen werden. In Köln öffnete die katholische Kirche ihr Priesterseminar in der Innenstadt, um Obdachlosen und Bedürftigen einen Ort abseits der Straße zu bieten. Wo sonst angehende Priester auf ihre Aufgaben vorbereitet werden, entstand ein Rückzugsort, an dem die Menschen zum einen Essen können und Kleidung sowie ein offenes Ohr der Helferinnen und Helfer finden, zum anderen aber auch eine Möglichkeit zu duschen, was für viele der Gäste in ihrem Alltag kaum möglich ist. Ein ähnliches Angebot fanden wohnungslose Menschen auch in Düsseldorf, wo sich ein 40-köpfiges Team der Malteser jeden Tag um die Menschen kümmerte. In der dortigen Notschlafstelle waren aufgrund der Corona-Pandemie ca. 60 Obdachlose untergekommen, die von den freiwilligen Helfern des Wohlfühlmorgens mit Frühstück, Mittag- und Abendessen sowie Kaffee und Kuchen versorgt wurden. Alleine hier wurden 3500 ehrenamtliche Stunden geleistet.
Du möchtest die Obdachlosenhilfe in Deutschland finanziell ein wenig unterstützen? Du möchtest außerdem einen Beitrag zur Hilfe während der Corona-Krise leisten? Dann unterstütze die Malteser und spende an die Nothilfe in Deutschland.