Warme Herzen, kalte Füße

Es ist eisigkalt weit unter minus 15 Grad im Januar 1992 in Sfantu Gheorghe, Mitten in Rumänien.  Der S.A.M.R. (Serviciul Ajutar Maltez in Romania), der rumänische Malteser Hilfsdienst, gegründet im Mai 1991 breitet sich aus. Hilfe wird überall gebraucht, die Aufbruchsstimmung ist deutlich zu verspüren und der Wunsch, das Leben neu und demokratisch zu gestalten, ist groß. 

Ein erster Kontakt zur neu gegründeten Hilfsorganisation entstand im Sommer 1991 als Ergebnis einer Reise nach Rumänien. Informationen über eine mögliche Unterstützung für die rumänische Bevölkerung zu bekommen, war die Intention dieses dreiwöchigen Aufenthalts. Die neue rumänische Malteserfamilie mit ihrem Zentrum in Cluj-Napoca erwies sich für diese Mission als idealer Ansprechpartner.
Es sollte ein „folgenreicher“ Besuch werden.

Die Idee in der Folgezeit war, durch Patenschaften/Partnerschaften zwischen deutschen und rumänischen Maltesergliederungen den Aufbau und die Weiterentwicklung des rumänischen Malteser Hilfsdienstes zu unterstützen. Ausgesucht hatten die Ludwigshafener Malteser die Partnergruppe in Rumänien aufgrund des schönen Namens (Sfantu Gheorghe = Heiliger Georg) aus einer Liste und weil Hilfe überall im Land uneingeschränkt nötig war.

Nach dem erlebnisreichen Aufenthalt im Sommer 1991 startete am Neujahrstag 1992 ein 4-köpfiges Team der Ludwigshafener Malteser nach Rumänien mit dem Ziel Sfintu (Sfantu) Gheorghe in der Region Covasna und mit der Idee mit einem Plan für gezielte Hilfe für die neuen Partner zurück zu kommen.Eine Zwischenstation in Cluj-Napoca (Klausenburg) einzubauen, war schon allein aus Gründen Treibstoff zu bekommen und eine Wegbegleitung zu haben, dringend notwendig. Nach heutiger Einschätzung durch das Navi benötigt man für die Fahrt von ca. 280 km etwa 4 Stunden. In den Anfängen war dies fast eine Tagesreise.

Klirrende Kälte, Eis und Schnee und der Zustand der Straßen machten die Fahrt durch das Land damals im Januar 1992 zum Abenteuer. Erwartungsvoll wartete die neue Gruppe der rumänischen Malteser auf den Besuch aus Ludwigshafen, darunter der Leiter und Initiator der Malteser von Sfantu Gheorghe Valentin-Zoltán Puskás, genannt Balint. 

Bálint Puskás, Anwalt mit Kanzlei in Sfantu Gheorghe, sah die Not in seinem Land und gründete nach der Entstehung des S.A.M.R. eine Gliederung des Malteser Hilfsdienstes auch in Sfantu Gheorghe. 
Überaus gastfreundlich nahm er die Gäste aus Ludwigshafen auf. Der Kontakt war trotz mangelnder Sprachkenntnisse und der eisigen Temperaturen herzlich und zugewandt. Beeindruckend war die große Zahl der Ehrenamtlichen vor Ort. 

Die Freude der rumänischen Malteser über die Aussicht Partner/Paten zu bekommen war groß, vor allem, weil eine weitere deutsche Maltesergliederung aus Kerzell (Raum Fulda) ebenfalls Interesse an einer Patenschaft hatte. Da die Notlage durch die Medien inzwischen auch in Deutschland bekannt war, fanden sich immer mehr helfende Hände.

Ein Problem war das nicht, denn Aufbau und finanzielle Unterstützung konnten zu dieser Zeit gar nicht groß genug sein. Auch gab es unterschiedliche Schwerpunkte, für die Hilfe nötig war. Eine Dienststelle mit Räumlichkeiten um Besprechungen und Hilfsprojekte zu planen und auszuführen, stand ziemlich oben auf der Wunschliste. Familien und die Kinderheime zu unterstützen war ebenfalls ein wichtiges Ziel. Auch die Ausbildung in 1. Hilfe erwies sich als dringend nötig. Ja, die Liste notweniger Projekte und Hilfeleistungen war lang.  

Zunächst war die Hilfe aus Ludwigshafen als Anschubhilfe gedacht. Dass daraus eine inzwischen seit 33 Jahren existierende Malteserfreundschaft, die über weite Strecken Unterstützung in der Auf- und Ausbauhilfe ermöglichte, entstand, ahnte damals niemand.  Dieser lange Atem prägte die Partnerschaft und Patenschaft zwischen Ludwigshafen und Sfantu Gheorghe.
 
Balint Puskás sorgte dafür, dass auch in Rumänien und insbesondere in seiner Heimatregion der S.A.M.R. (Malteser Hilfsdienst in Rumänien) zu einer Institution wurde, die Hilfe den Bedürftigen zusichern und Unterstützung anbieten konnte, getreu dem Motto des deutschen Malteser Hilfsdienstes, „weil Nähe zählt“. 

Die im Januar 1992 vereinbarte Hilfe aus Ludwigshafen kam gut an, ganz im Sinne der Botschaft „Hilfe zur Selbsthilfe“. Die ehrenamtliche Helferschaft wuchs zu einer heute beeindruckenden Gemeinschaft. Besuche in Rumänien und Besuche der rumänischen Gliederung aus Sfantu Gheorghe in Ludwigshafen eröffneten beiden Teams vielfältige Wege diesen Austausch und sich daraus ergebende notwendige Hilfe zu vertiefen. Und: Beide haben daraus viel gewonnen! 

Balint Puskás konnte mit seinem unermüdlichen Engagement ein tragfähiges Maltesernetzwerk aufbauen. Zahlreiche Auszeichnungen und hohe Funktionen beim rumänischen Malteser Hilfsdienst, Bálint Puskás war auch Ritter des souveränen Malteserordens, bezeugen seinen Einsatz. Als ehemaliges Mitglied des rumänischen Verfassungsgerichts stellte er seine Erfahrung und sein Engagement in den Dienst seines Landes. 

Ein Zitat des Bürgermeisters Antal Árpád aus Bálint Puskás Heimat Sfantu Gheorghe bringt es auf den Punkt. Er schreibt - und dem ist nichts hinzuzufügen - auf seiner Facebook-Seite:
"Puskás Bálint widmete sich der Hilfe für andere, kämpfte unzählige Male für edle Zwecke und setzte seine von Gott empfangenen Talente zum Wohle der Gemeinschaft ein. Heute sind wir alle ärmer. Möge er in Frieden ruhen!"

Auch wenn Bálint Puskás in den letzten Jahren sich aus Funktionen zurückgezogen hatte, waren ihm die Malteser wichtig und wir erinnern uns gerne an viele kurzweilige Abende in der Dienststelle in Sfantu Gheorghe nach getaner Arbeit. Die Verbindung zwischen dem Malteser Ludwigshafen und dem S.A.M.R. in Sfantu Gheorghe hat drei Jahrzehnte überdauert, auch wenn leider aus der Anfangszeit nicht alle mehr am Leben sind oder noch tatkräftig mitwirken können. Auch in Ludwigshafen hat sich Vieles verändert und nur eine kleine Gruppe aus der damaligen Zeit kann noch tätig sein. Einige heute engagierten jungen Malteser waren 1991 noch gar nicht geboren und kennen manche Entwicklungen nur aus Erzählungen. Eines ist jedoch sicher: Es war in jeder Hinsicht eine erfolgreiche und sinnstiftende Zeit geprägt von Hilfsbereitschaft, Durchhaltevermögen, Optimismus, weitreichenden Erfahrungen und vielen Erlebnissen ganz im Glauben der christlichen Nächstenliebe, „weil Nähe zählt!“.