Start with a Friend: Wenn aus Fremden Freunde werden
Die Flüchtlingskrise ist allgegenwärtig und wird weltweit kontrovers diskutiert. Während die Politik darüber streitet, wer gut und wer böse in diesem Szenario ist, wer Chancen sieht, die beste Lösung hat oder womöglich für das ganze Unglück verantwortlich ist, richten wir mal den Blick auf uns. Was können wir eigentlich tun? Wie können wir Themen wie Flucht und Integration beeinflussen, ohne uns von dem politischen Zirkus beeindrucken zu lassen? Eigentlich ist es ganz einfach. Wir müssen anfangen Freunde zu werden. Dann haben alle etwas davon.
Darum geht's:
Start with a Friend: freundschaftliche Flüchtlingshilfe
Das Berliner Start-up Start with a Friend, kurz SwaF, hat sich genau diesen Gedanken zu eigen gemacht. Zusammen mit ihren Freunden Marten und Sarah hat Gründerin Franziska ein Konzept entwickelt: Seit 2014 vermitteln sie zwischen Einheimischen und Flüchtlingen. Durch sogenannte Tandempartnerschaften stiften sie systematisch Freundschaften zwischen Geflüchteten und Locals. Diese Tandems leben dabei von gegenseitiger Unterstützung. Während Geflohene Unterstützung in ganz praktischen Dingen bekommen, profitieren Locals von interkulturellen Erfahrungen. Nach Gründung des Vereins schlossen sich immer mehr Ehrenamtliche dem Team an, sodass SwaF heute deutschlandweit in 18 Standorten aktiv ist.
Tandempartnerschaft: Was machen fremde Freunde?
Kein Tandem ist wie ein zweites. Nicht aus jedem Tandem werden beste Freunde. Die Beziehungen, die hier entstehen, sind so vielfältig und unterschiedlich, wie die Menschen, die sich mit ihren Vorstellungen auf das Tandem einlassen. Kurz gesagt: Alles kann, nichts muss. Während einige Locals den Geflüchteten bei Job- und Wohnungssuche oder Behördengängen helfen, freuen sich andere, wenn sie in einen tieferen kulturellen Austausch gehen: Sprache, Musik, Essen, Kunst. Wenn die einen Tandems sich also hauptsächlich auf dem Amt aufhalten, verbringen andere viel Zeit in Cafés, beim Kochen oder mit Picknicks im Park. Hier ist jeder seines eigenen Glückes Schmied. Wenn ihr euch auf Anhieb gut versteht, dann fällt euch die gemeinsame Freizeitgestaltung sicherlich leicht. Hier noch ein paar Themen und Dinge, die du auch nicht außer Acht lassen solltest:
- Hilfe bei der Orientierung in der neuen Stadt
- Vermitteln von Sprachkursen
- Suche nach Wohnung und Arbeitsplatz und Weiterbildungsangeboten
- Verstehen und Beantworten von Briefen
Family Tandems
Übrigens: Bei SwaF werden auch ganze Familien zusammengebracht. Bisher können sich Familien aus Berlin und Köln für ein Familientandem anmelden.
Tandem: So funktioniert’s
Hier findest du Infos und kannst mehr über den Ablauf einer möglichen Tandempartnerschaft erfahren.
Was habe ich von einem Tandem?
Wenn sich zwei Tandempartner gut verstehen … Was klingt wie der Anfang eines schlechten Witzes, ist eigentlich etwas Wertvolles. Denn solltest du dich mit deinem Partner gut verstehen, kann daraus echte Freundschaft werden. Und was die ganze Sache noch spannender macht? Dein neuer Freund hat einen völlig anderen kulturellen Hintergrund. Davon kannst du profitieren. Auch wenn es nur banale Dinge wie traditionelle Dessertrezepte sind. Von einem „fremden“ Freund kannst du viel lernen: kulturell, politisch oder ganz persönlich, was immer dich interessiert. In diesem Zusammenhang ist das mit dem Nachtisch gar nicht mal so unbedeutend.
Was macht Start with a Friend konkret?
Zunächst bringt der Verein Geflüchtete und Locals aufgrund gleicher Interessen, zeitlicher Verfügbarkeit und Vorstellungen von einem Tandem zusammen. Dazu sprechen die Vermittler mit jedem Einzelnen, um passende Tandems zu verkuppeln. SwaF ist aber keine reine Vermittlungsbörse. Wurde dir erst mal ein Tandempartner zugeteilt, steht die Organisation natürlich für sämtliche Rückfragen zur Verfügung. Jedes Tandem wird von SwaF begleitet. Der Verein versorgt euch mit wichtigen Infos, gibt euch praktische Tipps und veranstaltet regelmäßige Community-Events.
Daten, Zahlen, Fakten
- Bisher wurden über 3.000 Tandems initiiert
- In 18 Städten deutschlandweit
- Über 2.500 ehrenamtliche Mitarbeiter
- 70% der Tandems werden Freunde
- 82% der Tandems treffen sich mehr als 1 Stunde pro Woche
So funktioniert’s: anmelden und Freunde finden
Du bist an einer Tandempartnerschaft, neuen Freunden und interkulturellem Austausch interessiert? Dann finde schnell heraus, ob SwaF auch in deiner Stadt aktiv ist.
Auf der entsprechenden Standort-Seite meldest du dich dann für die nächste Infoveranstaltung an, an der alle interessierten Locals teilnehmen. In lockerer Runde erfährst du mehr über den Verein, kannst Fragen stellen und lernst deinen „Start with a Friend“- Ansprechpartner kennen. Dein Ansprechpartner hat im Vorfeld schon die Geflohenen kennengelernt und schlägt dir im Anschluss per Mail einen geeigneten Tandempartner vor. Entscheidet ihr euch nach eurem ersten Treffen also dafür, die Tandempartnerschaft einzugehen, könnt ihr anfangen Freunde zu werden.
Das solltest du als Tandempartner wissen
- Neben deiner offenen Art solltest du zuverlässig und verantwortungsbewusst in die Tandempartnerschaft eintreten, wie in einer guten Freundschaft eben. Das heißt: Termine wahrnehmen, Absprachen einhalten und keine leeren Versprechungen machen. Das gilt übrigens für beide Seiten.
- Achte gerade in der Kennenlernphase darauf, dass du sensibel mit dem Thema „Flucht" umgehst. Geflohene fliehen nicht ohne Grund und sind oftmals traumatischen Belastungen ausgesetzt. Konzentriert euch lieber auf eure Wünsche und Ziele innerhalb der Tandempartnerschaft.
- Kein Raum für Mitleid. Wenn Mitleid die Beziehung zu deinem Tandempartner bestimmt, reduzierst du ihn auf seine Opferrolle. Versucht stattdessen, euch gegenseitig als Menschen mit verschiedenen Interessen, Stärken und Macken wahrzunehmen.
- Keine Zeit? Keine Ausrede! Nichts ist enttäuschender, wenn ein Treffen wegen Zeitmangel mal wieder nicht zustande kommt. Mach dir im Vorhinein Gedanken, wie viel Zeit du für deinen Tandempartner investieren möchtest, und halte dich an diesen Plan.
Titebild: Start with a Friend ® 2018, V. Pech