Normalerweise besuchen Luna und Carina Schmidt-Albrecht, die seit März 2019 ehrenamtlich den Besuchs- und Begleitungsdienst (BBD) mit Hund des Malteser Hilfsdienstes im Landkreis Limburg-Weilburg unterstützt, Menschen, die durch Alter, Krankheit oder andere Umstände nur noch selten Zuspruch erfahren. „Hunde verfügen über erstaunliche Fähigkeiten, die manchmal wahre Wunder bewirken können“, erklärt Schmidt-Albrecht. „Sie sind in der Lage, Körper, Geist und Seele eines Menschen aufs Tiefste zu berühren.“ Der Malteser BBD mit Hund nutzt diese Fähigkeiten der Vierbeiner, um da zu sein für einsame Menschen.
Die Tier-AG an der Grundschule Ahlbach verfolgt jedoch ein anderes Ziel: die Sensibilisierung der Kinder für das Lebewesen „Hund“. Es ist ein Pilotprojekt, bei den Maltesern im Landkreis Limburg-Weilburg gab es bisher keine vergleichbare Aktion.
Start der Tier-AG an der Grundschule Ahlbach im Herbst 2019
Im Herbst 2019 erhielt Silke Kaltwasser, Leiterin des BBD mit Hund im Landkreis Limburg-Weilburg einen Anruf von der Schulleiterin der Grundschule Ahlbach, Maria Bopp, die Unterstützung für die Tier-AG suchte und über einen Zeitungsbericht vom BBD des Malteser Hilfsdienstes erfahren hatte. „Der Umgang mit anderen Lebewesen gehört zum Weltwissen“, sagt die Schulleiterin. „Es ist ein wichtiger sozialer Faktor, Hunde besser einschätzen zu können und mit ihnen so zusammen zu leben, dass es Mensch und Tier guttut.“ Die Idee zur Tier-AG kam aus dem Kollegium der Ganztagsschule der Grundschule Ahlbach: Tanja Holicka, selbst Hundebesitzerin, begab sich auf die Suche nach einem geeigneten Kooperationspartner. „Wichtig waren uns neben der praktischen Erfahrung auch die notwendigen Qualifikationen, die Hund und Mensch mitbringen mussten“, beschreibt Bopp das „Auswahlverfahren“. Bei den Maltesern habe sie ein gutes Gefühl gehabt und nach einigen Vorgesprächen und dem Einverständnis der Eltern konnte die Tier-AG im Oktober 2019 zunächst mit der Theorie starten. Als im November der praktische Teil auf dem Stundenplan stand, kam Lunas großer Auftritt.
Kinder lernen Hunde multimedial kennen
„Jede Schülerin und jeder Schüler soll bei uns das Lernen lernen und sich nach seinen beziehungsweise ihren Fähigkeiten bestmöglich entwickeln. Der Unterricht ist daher lebenspraktisch gestaltet“, beschreibt Bopp das Konzept ihrer Schule. Die Tier-AG umfasste daher unter anderem das Lesen von Geschichten über verschiedene Tiere, die theoretische Einführung in die Materie „Hund“, das Gestalten von Hunden aus Ton zusammen mit der Elzer Künstlerin Jane M. Merheim zur haptischen Auseinandersetzung mit den Vierbeinern und schließlich das Kennenlernen von Luna.
Super, naja, Finger weg – Lunas Streichellandkarte
Mitte November war es endlich soweit: Nachdem Carina Schmidt-Albrecht in einigen theoretischen Unterrichtsstunden zunächst mit den Schülerinnen und Schülern erarbeitet hatte, was einen Malteser-Schulbesuchshund ausmacht und die Verhaltensweisen und Bedürfnisse von Hunden sowie die wichtigsten Regeln im Umgang mit ihnen im Klassenzimmer vermittelt hatte, ging es für die Kinder hinaus auf den Schulhof, wo der praktische Teil und Luna auf sie warteten. „Zunächst hatte ich den Kindern zum Beispiel auf Flipcharts die Streichellandkarte von Hunden gezeichnet und sie mit den unterschiedlichen Gesten vertraut gemacht“, erklärt Schmidt-Albrecht, wie sie den Unterricht aufgebaut hat. So mögen Hunde in der Regel Streicheleinheiten am Hals, im Brustbereich und an der Schulterpartie sehr gerne, dagegen empfinden sie Berührungen an der Hüfte und unterm Bauch eher als „naja“ und die Füße, Ohren, Nase und Rutenspitze seien tabu, so Lunas Frauchen. Ein Körpersprache-Memory, das den Kindern helfen sollte Hunde besser „lesen“ zu können, ergänzte die theoretische Vorbereitung auf Lunas Schulbesuch.
Praktischen Umgang spielerisch lernen
Weil Luna, eine vier Jahre alte Hündin der Rasse „Kleiner Münsterländer“, selbst ein verspieltes und neugieriges Wesen hat, stand als erstes das Apportieren auf dem Stundenplan. „Nachdem wir im Unterricht zunächst die wichtigsten Umgangsregeln besprochen hatten – Luna nicht einfach so rufen, nicht umarmen oder füttern, sondern richtig begrüßen und streicheln, keinen Müll auf den Boden werfen, leise sein und nicht streiten, Hände gründlich waschen – habe ich den Kindern das Apportierspiel erklärt, so dass sie dies im Anschluss an die Theorie auf dem Schulhof im praktischen Teil mit Luna spielen konnten“, erläutert Schmidt-Albrecht. Dabei hat Luna das Henkelkörbchen aus Holz, das ihr Frauchen mit Zetteln gefüllt hatte, jeweils zu dem Kind getragen, das sie zuvor auf Bitte von Schmidt-Albrecht gerufen hatte. „Auf den Zetteln standen Fragen zu den Inhalten, die wir an diesem Morgen besprochen hatten und die die Kinder dann beantwortet haben“, so die Ehrenamtliche des BBD. „Die Kinder hatten viel Spaß und auch Luna ist auf ihre Kosten gekommen – für jedes Apportieren gab es ein Leckerchen.“
Der BBD mit Hund hilft Menschen, die ansonsten wenig Zuspruch haben
Seit 2013 besucht der BBD mit Hund des Malteser Hilfsdienstes im Landkreis Limburg-Weilburg vor allem alte und kranke Menschen und solche, die sich über den vorurteilsfreien Zuspruch der Vierbeiner freuen und die Abwechslung zu schätzen wissen. So besuchen die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer des BBD regelmäßig Senioreneinrichtungen, Krankenhäuser aber auch die Häftlinge der JVA Limburg, um mit ihren Hunden Zeit und Freude zu spenden. „Vielen Menschen fällt es schwer, über ihre Gefühle zu sprechen oder sie gegenüber ihren Mitmenschen zu zeigen“, weiß Silke Kaltwasser aus Erfahrung. „Aber wenn dann unsere Hunde freudig schwanzwedelnd und neugierig auf sie zugehen, dann erleben wir häufig, wie sich der Blick öffnet, ein Lächeln übers Gesicht huscht und ein Mensch plötzlich aufblüht.“ Das motiviere sie und ihren Mann Alexander sich für den BBD der Malteser zu engagieren, so die Leiterin.
Und auch für Carina Schmidt-Albrecht ist vor allem dies der Ansporn für ihr Ehrenamt: „Gemeinsam mit Luna Menschen Zeit, Freude und Zuwendung zu schenken, ganz im Sinne der von den Maltesern gelebten christlichen Nächstenliebe, ist auf jeden Fall eine Hauptmotivation. Besonderes berührend ist es, dabei die besonderen Fähigkeiten von Hunden zu erleben und zu sehen, wie positiv sie wirken. Im Bereich Schule ist außerdem die ‚sichere Hundebegegnung‘ und damit auch das Thema ‚Unfallprävention‘ nicht zu unterschätzen - dazu kann ein Besuchshund-Team einen guten Beitrag leisten.“
Notwendige Qualifikation von Mensch und Tier
Luna und ihr Frauchen seien auf ihre Aufgabe gut vorbereitet, erklärt die 44-Jährige: „Ich habe vergangenes Jahr gemeinsam mit Luna die Ausbildung des Malteser BBD mit Hund durchlaufen. Zudem habe ich im Rahmen von Lunas Hundeschulausbildung einen Sachkundenachweis für Tierhalter abgelegt sowie kürzlich die Hundetrainerausbildung des Deutschen Hundesportvereins über den Hundesportverband Rhein-Main absolviert. Darüber hinaus kann ich auch auf eine langjährige Erfahrung in der Ausbildung meiner eigenen Hunde zurückblicken. Pädagogische Erfahrungen mit Kinder- und Schülergruppen bringe ich durch meine Ausbildung zur Streuobstpädagogin mit und die Kompetenz, Gruppen zu coachen, ist Teil meines beruflichen Alltags als Kulturmanagerin“, fasst Schmidt-Albrecht ihre Qualifikationen zusammen.
Und Luna? „Luna hat die Begleithundeprüfung sowie die so genannte IBGH1 mit Bravour abgelegt“, sagt ihr Frauchen nicht ohne Stolz. „Seit ihrer Welpenzeit besucht Luna zudem die Ausbildungsangebote des Dauborner Hundevereins Interessengemeinschaft für Hundeerziehung e. V. Dabei hat sie sowohl eine besondere Ausbildung im Hundesport ‚Rally Obedience‘, den wir gemeinsam im Rahmen von Turnieren ausüben, als auch im ‚Apportieren‘ und im ‚Hoopers Agility‘.“ Und das ist noch nicht alles, was Luna zu einem Schulbesuchshund qualifiziert: „Wichtig für die Schule ist auch die Verhaltensanalyse über Lunas Eignung für den Einsatz in sozialen Besuchs- und Begleitungsdiensten sowie der ‚Wesenstest‘, den ein vom Regierungspräsidium Gießen bestellter Fachmann durchgeführt und Lunas Qualifikation für den Einsatz in der Schule positiv begutachtet hat.“
Tier-AG: Fortsetzung erwünscht
Wenn es nach Schulleiterin Maria Bopp, Tier-AG-Leiterin Tanja Holicka, BBD-Leiterin Silke Kaltwasser und ehrenamtlicher Helferin Carina Schmidt-Albrecht geht, findet die Tier-AG im kommenden Schuljahr eine Fortsetzung – im Rahmen der Regeln der Corona-Krise – und vorausgesetzt die Malteser schätzen dann den Kontakt medizinisch entsprechend ein.
Kontakt für interessierte Schulen im Landkreis Limburg-Weilburg:
Schulen, die sich im Rahmen ihres Unterrichts für eine Begleitung durch ein BBD-Team wünschen, wenden sich bitte an Silke Kaltwasser, Leiterin Besuchs- und Begleitungsdienst mit Hund im Landkreis Limburg-Weilburg, E-Mail: silke.kaltwasser@malteser.org, Telefonisch: Malteser-Zentrale in Limburg, Referat Seniorendienste, Stephanie Haas: Tel. 06431 9488-530.