„Man muss auch weinen dürfen“

Koordinatorin Birgit Stienen (links) und Ehrenamtlerin Angelika Grave stehen vor einer Tafel, auf der Begriffe notiert sind, die in der Sterbebegleitung wichtig sind, beispielsweise „mitgehen“ und „zuhören“. Jede Begleitung ist individuell. Foto: RP Prümen

Eine Sterbebegleitung ist eine Tätigkeit, die vom Grund her eine traurige ist. Und doch: Wenn man Angehörigen und dem sterbenden Menschen helfen kann, die Angst vor dem Tod zu einem gewissen Grad zu lindern und das restliche Leben zu erleichtern, dann … Die ehrenamtlich tätige Sterbebegleiterin Angelika Grave sucht nach Worten und findet sie zunächst nicht. Sie meint eine Art inneres Glück, helfen zu können, sie meint das Geben-Können, den Sterbenden vielleicht ein wenig die Angst vor dem Tod zu nehmen. Sie meint die Wärme auf beiden Seiten. Sie meint, dass die Traurigkeit in diesem Moment nicht überwiegt, sondern die Dankbarkeit.

Im März möchten die Kempener Malteser erneut mit einem Befähigungs- und Sensibilisierungskurs beginnen. „So wollen wir interessierte Menschen, die sich vorstellen können, ehrenamtlich in der Hospizarbeit zu arbeiten, qualifizieren“, sagt Birgit Stienen. Sie ist Koordinatorin des ambulanten Hospizdienstes der Malteser in Kempen. Mitgebracht werden müsse das „Herz am richtigen Fleck“ und „gesunder Menschenverstand“. Das könne man zwar niemandem beibringen, aber Kursthemen wie Kommunikation, Selbsterfahrung, das Nachdenken über den eigenen Tod oder die Basisthemen wie Patientenverfügung, rechtliche Aspekte oder Handlungsweisung bei beispielsweise Mundtrockenheit gehören zu den Ausbildungszielen. Die Malteser vor Ort haben es sich zur Aufgabe gemacht, Sterbende in Würde zu begleiten und ihre Angehörigen zu unterstützen. Der Kurs beginnt im März und dauert bis in den November hinein – jeweils einen kompletten Samstag im Monat, insgesamt rund 100 Stunden.

„Bei einem ersten Kontakt mit der Familie versuche ich herauszufinden, was im einzelnen Fall an Unterstützung nötig ist“, erläutert Birgit Stienen. Anschließend telefoniert sie mit Ehrenamtlern, die erstens in der Nähe des zu Betreuenden wohnen und zweitens für die Art der Unterstützung geeignet erscheinen. Anschließend erfolgt ein Besuch von Koordinatorin und Ehrenamtlerin oder Ehrenamtler beim zu Betreuenden. Aber Birgit Stienen stellt auch fest: „Wir wissen, dass wir nichts wissen. Oft haben wir eine Idee davon, wie der Weg sein könnte, den Sterbenden in Würde zu begleiten.“ Dennoch stelle sich heraus, dass der Ehrenamtler sich auf die ganz spezielle, individuelle Situation einstellen muss.

Angelika Grave ist seit 2017 Ehrenamtlerin in der Sterbebegleitung. Sie war durch einen Zeitungsaufruf auf diese Tätigkeit aufmerksam geworden. Die Fachkrankenpflegerin hat wie viele ihrer Ehrenamtskollegen bereits Erfahrungen mit dem Thema Tod gemacht. 2016 hatte sie an einem Projekt teilgenommen und auch zu diesem Thema Vorträge gehalten: „Sterben und Begleiten im Krankenhaus“. Damals habe sie sich vor allem mit dem Thema Ethik beschäftigt und eine Palliativ-Weiterbildung absolviert. „Wo man im Krankenhaus oftmals noch aktiv tätig sein muss, lernt man im Kurs, sich zurückzunehmen“. Dort habe sie in beruflicher Hinsicht ganz unterschiedliche Menschen gefunden: die Hausfrau, die Rentnerin, die Kosmetikerin, die Erzieherin. In Rollenspielen habe man gelernt, sich in die Situation der zu Betreuenden und der Angehörigen hineinzuversetzen. „Wichtig ist, dass man authentisch bleibt“, sagt Angelika Grave. Besuche in Krankenhäusern, im Hospiz oder auch Bestattungsunternehmen gehörten auch zum Kurs.

Ganz elementar sei die Frage, wie Sterben eigentlich „funktioniert“. Manche Angehörige oder auch zu Betreuende haben möglicherweise schon negative Erfahrungen mit dem Sterbevorgang gemacht. „Auf diese Fragen antworten zu können, gehört ebenfalls zu den Kursthemen“, sagt sie. 

Wenn Angelika Grave konkret in eine Betreuung geht, konzentriert sie sich voll und ganz auf diesen Moment. Sie versucht, den Alltag hinter sich zu lassen. Sie sucht für sich selbst eine entspannte Atmosphäre, um offen für den zu Betreuenden zu sein. Es mag seltsam klingen, „aber nach dem Gespräch fühlt man ebenfalls eine entspannte Atmosphäre, weil man sich auf diesen Menschen eingelassen hat, weil man zugehört hat. Man lässt sich ein, ohne unter Druck zu stehen. Mich erden diese Gespräche.“ 

Die Gespräche finden nach Bedarf statt, einmal in der Woche, zweimal im Monat oder in einer akuten Phase mehrmals in der Woche. „Man muss allerdings ehrlich zu sich selbst sein, ob man das zeitlich leisten kann. Dabei hilft natürlich das Gespräch mit der Koordinatorin“, sagt Angelika Grave. Zur konkreten Sterbebegleitung gehört auch Schweigen, Alltagsthemen und Politik analysieren, Halma spielen, Singen – und Humor. „Aber das muss der Begleiter abwägen, ob es gewünscht wird“, erklärt Angelika Grave

Wie lange die eigentliche Begleitung dauert, lässt sich nicht vorhersagen. „Zudem finden nicht jeder Sterbende und dessen Angehörige den Weg zu uns“, erklärt Birgit Stienen, „oft werden wir erst wahrgenommen, wenn es akut wird.“ Außerdem habe Corona eine zusätzliche Hemmschwelle aufgebaut. 

Einmal im Monat trifft sich die Gruppe der Ehrenamtler. Erlebnisse werden ausgetauscht, Erfahrungen gesammelt. „Im gemeinsamen Gespräch kann man reflektieren, welche Möglichkeiten der Betreuung sich bieten“, erklärt Angelika Grave.

Zwei Standorte für ehrenamtliche Tätigkeit 

Wer sich für das Ehrenamt beim ambulanten Hospiz-, Trauerbegleitungs- und Palliativberatungsdienst interessiert, meldet sich bei Birgit Stienen. Zusammen mit Monika Degenhardt ist sie erreichbar am Standort Kempen, Verbindungsstraße 27, montags von 9 bis 13 Uhr und mittwochs von 13 bis 17 Uhr, am Standort Grefrath, Mülhausener Straße 29, dienstags von 9 bis 13 Uhr und donnerstags von 13 bis 17 Uhr. Um einen Termin zu vereinbaren, gilt für beide Standort die Telefonnummer 02152 9590-420.

Bericht: RP VON ULI RENTZSCH


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