„Ich sehe bei diesen Menschen einen tiefen Glauben“

In der Eichstätter Abschiebehaft bietet Martin Groos Gespräche und Gebet an. Foto: Katrin Straßer

Eichstätt. Einmal in der Woche ist er „hinter Gittern“ – allerdings nur für wenige Stunden: Seit Herbst 2023 bietet Martin Groos, Ehrenamtlicher bei den Malteser-Integrationsdiensten, persönliche Gespräche und gemeinsames Gebet in der Eichstätter Abschiebehaftanstalt an. 

Bis zu fünf Personen nehmen dieses Angebot wöchentlich wahr – Groos weiß vor den Gesprächen eigentlich nur, welche Sprachen sie sprechen, das teilt ihm die Einrichtung vorab mit. Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und natürlich Deutsch spricht er selbst. Wobei das Reden meist erst an zweiter Stelle komme, erzählt er: „Das Wichtigste ist zunächst einmal, den Leuten zuzuhören.“

Was seine Gesprächspartner bewege, so Groos, sei ihre vollkommen aussichtslose Situation. „Wenn sie einmal in Abschiebehaft sind, ist ja die Chance, dass die Abschiebung noch zu verhindern ist, sehr gering. Gerade diejenigen unter ihnen, die nicht straffällig geworden sind oder vielleicht eine Arbeitsstelle gefunden hatten, Deutsch gelernt haben, sind dadurch tief erschüttert.“ 

Janka Böhm, Referentin Flüchtlingshilfe der Malteser, erklärt, wann und warum ein Mensch in der Abschiebehaftanstalt landet: „Wenn ein Asylantrag abgelehnt wird, muss der oder die Betroffene innerhalb einer Frist freiwillig ausreisen. Tut er das nicht, kann die zuständige Ausländerbehörde die Abschiebung anordnen. Und falls eine theoretische Fluchtgefahr besteht, kann auf Anordnung eines Richters Abschiebehaft verhängt werden, um sicherzustellen, dass die Person zum Zeitpunkt der Abschiebung auffindbar ist. In der Einrichtung leben diese Menschen unter haftähnlichen Bedingungen, das führt oft zu psychischen Problemen.“

Durchschnittlich zwei bis sechs Wochen, aber manchmal auch monatelang inhaftiert zu sein, mit der einzigen Perspektive, abgeschoben zu werden – eine hoffnungslose Situation, sollte man meinen. „Ich habe mir anfangs die Frage gestellt, wie standfest eigentlich meine eigene Hoffnung ist. Ich kann anderen ja nichts geben, was ich nicht selber habe. Worauf hoffe ich eigentlich selbst? Und worauf hoffen die Menschen, denen ich in der Abschiebehaft begegne?“, erzählt Martin Groos. 

Er hat es sich angewöhnt, zu seinen Terminen das Stundengebet des jeweiligen Tages in den erforderlichen Sprachen mitzunehmen. Das gemeinsame Gebet der Psalmen ergänzt die Gespräche, die sich oft um die Frage drehen, „was bleibt, wenn man vergebens die Kraft seiner Jugend investiert und unermessliches Leid auf sich genommen hat - gibt es noch etwas, wofür es sich wirklich lohnt, das Leid, das einen im Heimatland erwartet, zu tragen? Ich treffe teilweise auf Leute, die einen so starken Glauben haben, das haut mich manchmal um. Für viele aus Afrika und dem nahen Osten ist es klar, dass Gott der Herr des Menschen, der Zeit und der Geschichte ist“. Diese Menschen seien oft überrascht, wie materialistisch die Mentalität hier sei, welche oft kleine Rolle der Glaube im deutschen Alltag spiele. 

Daher seien seine Termine in der Abschiebehaftanstalt im Prinzip auch für ihn selbst wichtig, so Groos: „Ich treffe dort also auf Menschen, die oft Schreckliches erlebt haben auf ihrer teils jahrelangen Flucht, Folter, Vergewaltigung, Zwangsarbeit, die miterleben mussten, wie Freunde oder Angehörige bei der Überquerung des Mittelmeeres ertrunken sind – nur, um manchmal bereits an der deutschen Grenze festgenommen zu werden und hier in Eichstätt in der Abschiebehaft zu landen. Gleichzeitig sehe ich bei vielen dieser Menschen einen tiefen Glauben. Die haben eine Beziehung zu Gott, die authentisch ist und auch zum Ausdruck gebracht wird. Oft kommen wir zu dem Ergebnis, dass es jetzt die Aufgabe von uns beiden ist, im Leben das zu suchen, was niemals stirbt. Und füreinander zu beten. Wir entdecken, dass wir dasselbe Herz haben. Und das ist das, was mich selbst gestärkt aus vielen dieser Gespräche herausgehen lässt.“ 

Tipp: Ein längeres Interview mit Martin Groos finden Interessierte auf der Webseite des Bistumsradios KI (www.bistum-eichstaett.de/radiok1).


Zurück zu allen Meldungen