OSNABRÜCK Die Malteser-Migranten-Mediziner in Osnabrück behandeln anonym und
ehrenamtlich immer mehr Menschen, die keine Krankenversicherung haben. Trotz Ehrenamt
braucht der Verein dringend Spenden.
„Die Menschen, die zu uns kommen, haben nicht das Geld, eine Arztrechnung zu bezahlen,
sie sind nicht in einer Krankenversicherung, mittellos und teilweise ohne Aufenthaltsstatus“,
sagt Dr. Sigrid Pees-Ulsmann unserer Redaktion. Die pensionierte Allgemeinmedizinerin ist
eine von sechs Osnabrücker Ärzten, die die Patienten in der offenen Sprechstunde jeden
Dienstag von 10 bis 12 Uhr in der Praxis in der Johannisstraße 91 behandeln – ehrenamtlich,
unter Wahrung ihrer Anonymität und kostenlos.
Im vergangenen Jahr 2020 haben sie 126 Menschen untersucht. „Es ist erschreckend, was wir
sehen“, sagt der pensionierte Internist Horst Butke. „Die Menschen kommen in einem
desolaten Zustand zu uns und haben starke Schmerzen. Dabei sollte jeder das Anrecht
darauf haben, schmerzfrei zu leben.“
In der Malteser-Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung (kurz MMM) finden neben
Menschen ohne gültigen Aufenthaltsstatus auch generell Menschen ohne
Krankenversicherung einen Arzt, der die Erstuntersuchung und Notfallversorgung bei
plötzlicher Erkrankung, Verletzung oder auch einer Schwangerschaft übernimmt.
Netz mit Unterstützern
Da viele Patienten weder eine Praxis noch ein Krankenhaus aufsuchen wollen, helfen die
Malteser auch anonym. Seit 2001 gibt es die Malteser-Migranten-Medizin in Deutschland, seit
2008 in Osnabrück. Die Praxis haben die Ärzte mit gespendeten EKG- und Ultraschallgeräten
ausgestattet. Zudem erhalten sie Unterstützung von Kollegen, Kirchen, Verbänden und
Vereinen. „Dankenswerterweise unterstützen uns 20 Fachärzte wie zum Beispiel Zahnärzte
aus der Region“, sagt Pees-Ulsmann.
Die Praxis, die nah am Marienhospital liegt, bekomme auch hier Unterstützung zum Beispiel
von der Notfallambulanz oder der Entbindungsstation.
Die Menschen, die zu den Ärzten kommen, sind nicht versichert und haben kein Geld für
Medikamente oder eine Behandlung. Die meisten Patienten der MMM (71 Prozent) leben
legal in Osnabrück. „Auch Deutsche, die nicht versichert sind, kommen zu uns“, sagt Pees-
Ulsmann, zum Beispiel Studenten, die ab dem 25. Geburtstag nicht mehr kostenlos in der
Krankenversicherung ihrer Eltern mitversichert sind.
Im vergangenen Jahr kamen aber auch 13 Menschen „ohne Aufenthaltsstatus“ zu der
Hilfsorganisation. Laut Schätzungen leben bis zu eine halbe Million Menschen illegal in
Deutschland und sind somit auch nicht sozialversichert. Das ist bei Flüchtlingen anders,
deren Asylverfahren noch läuft.
Auf Spenden angewiesen
Der MMM-Dienst versucht, die Patienten nach deren Möglichkeit an den Kosten zu beteiligen,
und außerdem, sofern möglich eine Versicherung für sie zu finden. Für die Kosten in der
Zwischenzeit, also für Medikamente oder eine Behandlung, sind die Ärzte auf Spenden
angewiesen.
So wie im Fall des 63-jährigen Bulgaren, der vor zwei Jahren mit heftigen Brustschmerzen in
die Praxis kam. Ein türkischer Imbiss-Besitzer hatte ihn zur MMM gebracht. Der Patient war
arbeitslos, hatte keine Wohnung, schlief nachts im Auto des Imbissbesitzers und bekam auch
von ihm etwas zu essen, berichtet Pees-Ulsmann. Die Röntgenaufnahme zeigte einen
Bronchialtumor. Im Krankenhaus in Ostercappeln stellten die Lungenspezialisten außerdem
Metastasen fest. Es sei keine Operation, keine Chemotherapie oder Bestrahlung mehr
möglich gewesen, so Pees-Ulsmann. Nur eine teure Schmerztherapie, damit der Mann
weniger leiden muss. „Bei so einer Therapie, oder wenn Menschen operiert werden müssen,
brauchen sich die Spenden schnell auf.“
Hohe Kosten
Auch deshalb hat der MMM-Dienst wie üblich versucht, eine Krankenversicherung zu finden.
Mithilfe des Imbissbesitzers fanden die Freiwilligen heraus, dass der Mann bis Januar 2018 in
einer Baufirma in Osnabrück gearbeitet hatte. Durch die Krankheit habe er seine Stelle
verloren und dadurch Geld, Wohnung und Versicherung. Die Ehrenamtlichen machten den
Arbeitgeber und die vorherige Versicherung ausfindig. Heute sei der Bulgare wieder
versichert. Weitere Behandlungen seien möglich, eine Immuntherapie mache den Mann
schmerzfrei. Über die Caritas hat die Hilfsorganisation außerdem eine Unterkunft im
Obdachlosenheim gefunden. Der Bulgare habe sogar eine kleine Beschäftigung gefunden, so
Pees-Ulsmann. Doch bevor der Mann in die Versicherung kam, „hatten wir hohe Kosten für
die Therapie“.
_________________
Weitere Infos und die Daten für Spenden sind online auf malteser-osnabrueck.de.
Die Malteser sind erreichbar unter 0541 9574519.
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung vom 29.03.2021. Autorin: Jana Derksen.