Mit dem Herzenswunschkrankenwagen letzte Wünsche erfüllen

Eine Frau im Rollstuhl. Drei Frauen dahinter. Alle lächeln.
Vor der Heimfahrt zurück ins Pflegeheim nach Karlsruhe noch ein Gruppenfoto von den Teilnehmerinnen der Herzenswunschfahrt vor dem Elternhaus der Patientin im Hohenlohekreis. Christina Klingelhöfer, Einsatzsanitäterin, befindet sich außen rechts. Foto: Christina Klingelhöfer

Die beiden ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, Frau Christina Klingelhöfer, Einsatzsanitäterin von der Gliederung Bruchsal, und Herr Joerg Reichenbächer, Rettungssanitäter in der Gliederung Heidelberg als auch der Koordinator für Herzenswunschfahrten der Malteser Gliederung Aalen, Herr Peter Schmidt berichten im Folgenden von ihren täglichen Erfahrungen im Einsatz für ihre Fahrgäste…

Sie begleiten sterbende Menschen. Wie gehen Sie mit dieser schwierigen Aufgabe um?

Peter Schmidt: Als Koordinator des Herzenswunsch KTW (HKTW) bin ich mit den unterschiedlichsten Situationen konfrontiert und erlebe aus nächster Nähe das Leid und die Trauer von Betroffenen und deren Angehörigen mit. Diese intensiven Telefonate und Begegnungen sind emotional und energiezehrend. Der Austausch im Team, Rücksprache mit Kollegen und Rückhalt in der Familie sind die Säulen, die einen in der Tätigkeit tragen.

Joerg Reichenbächer: Wir alle wissen, dass das Leben endlich ist und der Tod wie die Geburt zum Leben gehört. Durch meine Tätigkeit im ärztlichen Bereitschaftsdienst komme ich ständig mit dem Sterben und dem Tod in Berührung. Oftmals äußern schwerkranke Menschen im Gespräch noch einen letzten Wunsch, den wir nach Möglichkeit gerne erfüllen, dies ist ein Herzenswunsch. Aus Liebe zum Leben, aus Liebe zu den Menschen bemühe ich mich diese Wünsche zu erfüllen.

Christina Klingelhöfer: Wir sind auf diese Aufgabe vorbereitet und haben eine entsprechende Schulung (‚Soziale Begleitung Herzenswunsch-Krankenwagen‘) erhalten. Diese Fahrten gehen wir mit einer gewissen professionellen Distanz an. Man muss hier schon versuchen, die ganze Situation nicht zu nah an einen ranzulassen. Wir sprechen im Nachgang zu den Fahrten im Team darüber und versuchen gerade bei sehr emotionalen Fahrten das Erlebte aufzuarbeiten. 

Sie haben schon vielen schwerkranken Menschen einen Herzenswunsch erfüllt. Gibt es einen Herzenswunsch-Krankenwagen-Einsatz, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Peter Schmidt: Erst dieses Jahr hatten wir einen HKTW Gast, der an einem malignen Tumor des Verdauungsorgans litt. Er lebte schon in einem Hospiz, da er sich in einer höchstpalliativen Situation befand. Sein Bruder trat an uns heran, da er sich wünschte, noch einmal mit seiner Familie in die Alpen zu fahren. Bis zu diesem Punkt eine Routineanfrage. Dann kam das erste Telefonat zum Kennenlernen. Hier erschauderte es mich. Unser Gast war in meinem Alter und auch junger Vater von 2 Kindern. Er hatte viele Bedenken, ob es wirklich richtig sei, nochmals in die Berge zu fahren. In langen Telefonaten konnte ich ihn bestärken, dass die Fahrt noch einmal ein paar schöne Momente im Kreise der Familie ermöglicht. Letztlich konnten wir den Wunsch erfüllen. Nur wenige Wochen nach unserer Rückkehr erreichte mich der emotionale Anruf seines Bruders mit der Information, dass unser Gast verstorben sei. Diese Konstellation war herzzerreißend.

Joerg Reichenbächer: Eigentlich sind es viele Erlebnisse, jedes ist einprägsam und anders. Noch einmal zur Hochzeit der Enkelin aus dem Hospiz nach Hause gefahren zu werden, mit der Familie ein letztes großes Fest feiern, so etwas ist natürlich für uns, für mich, sehr emotional. Da kann man schon einmal selbst feuchte Augen bekommen.

Christina Klingelhöfer: Eine besondere Fahrt war die einer jungen Frau, die noch einmal nach Hause zu ihren Eltern und ihrer Familie wollte. Da die Eltern schon hochbetagt waren und gerade der Vater nicht mehr mobil war, hatten sie keine Möglichkeit, die Tochter im Pflegeheim in Karlsruhe zu besuchen. Und so kam an uns die Anfrage, ob wir die Frau nach Hause in den Hohenlohekreis fahren könnten. Beim Pflegeheim wurden wir schon von einer strahlenden und gut gelaunten Patientin erwartet. Die Atmosphäre auf der Fahrt war voller Vorfreude. Als wir im Hohenlohekreis angekommen sind und die Autobahn verlassen haben, hat uns die Patientin durch die Ortschaften und Sträßchen navigiert: ihre Heimat – sie war so glücklich. Beim Elternhaus angekommen wurden wir schon erwartet: die ganze Familie stand schon vor dem Haus parat. Es wurde extra eine Rampe gebaut, damit die Patientin mit ihrem Elektrorollstuhl über die Treppen im Hausflur bis ins Wohnzimmer fahren konnte. Die Mutter hatte schon ein Buffet aufgebaut und ist ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass auch wir Malteser den Tag hier bei der Familie verbringen. Das war unglaublich – auch wir wurden versorgt, damit hatten wir gar nicht gerechnet.

Welche Reaktionen bekommen Sie von den Gästen auf die Erfüllung Ihres Herzenswunsches?

Peter Schmidt: Eine der häufigsten Reaktionen ist natürlich Dankbarkeit. Aber auch die aktive Teilhabe am Glück der Familie ist motivierend.

Joerg Reichenbächer: Die Resonanzen der Gäste waren bisher ausnahmslos positiv. Natürlich können auch krankheitsbedingt nicht alle so aus sich herausgehen, aber mit der Zeit entwickelt man da schon ein Gespür dafür. Das Erlebnis verblasst auch nicht nach der Fahrt. Aus den Hospizen und von den Angehörigen erhalten wir immer wieder Rückmeldungen, wie schön es für die Gäste war und dass oft bis zum Eintritt des Todes davon erzählt wurde. Dies ist eine Triebfeder für unser Team und mich weitere Herzenswünsche zu erfüllen.

Christina Klingelhöfer: Wir bekommen von den Patienten und ihren Angehörigen unglaublich viel Dankbarkeit entgegengebracht. Die Patienten sind glücklich und freuen sich, für eine gewisse Zeit ihre Krankheit und ihr Schicksal vergessen zu können. Sie können noch einmal das erleben, was SIE sich wünschen – das ist ein kleines Stück Freiheit und Selbstbestimmtheit, wo ihr Alltag im Pflegeheim oder Hospiz sonst doch ziemlich festgelegt und durchorganisiert ist.

Spielt Ihr Glaube eine Rolle bei Ihrer Arbeit?

Peter Schmidt: Beten ist für mich und viele Kollegen die grundlegendste Ausdrucksweise des Glaubens und stärkt das Vertrauen – in sich selbst, in andere und in die Welt. Beten unterstützt die Resilienz und schenkt Kraft in vielen Situationen, die auch ausweglos erscheinen.

Joerg Reichenbächer: Mein Glaube hilft mir mit der geschilderten, fröhlichen aber auch angespannten Situation umzugehen. Der Glaube gibt uns/mir die Kraft. Es ist ein sehr befriedigendes Gefühl einen Herzenswunsch erfüllt zu haben. Ich darf einen Menschen auf seiner letzten Fahrt begleiten.

Christina Klingelhöfer: Ich finde es grundsätzlich sehr wichtig, sich ehrenamtlich zu engagieren, sich für andere Menschen einzusetzen und ihnen zu helfen, solange man selbst dazu noch in der Lage ist. Das ist gelebte Nächstenliebe. Außerdem regen einen die Fahrten auch dazu an, sein eigenes Leben zu überdenken – in dem ganzen Trubel und Alltagsstress innezuhalten, durchzuatmen und vielleicht wieder bewusster zu leben. Gerade bei diesen Fahrten bekommt man vor Augen geführt, wie wichtig Gesundheit ist. Man lernt wieder Dankbarkeit, dass man ein (hoffentlich) gesundes Leben geschenkt bekommen hat.

 

Anfragen zur Erfüllung eines Herzenswunsches können für die Erzdiözese Freiburg bei Christian Eggs unter herzenswunsch.freiburg@malteser.org gestellt werden. Für die Diözese Rottenburg-Stuttgart können Sie mit Stefan Simon unter stefan.simon@malteser.org Kontakt aufnehmen.


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