Arztkolumne

Alterstraumatologie – ein weiterer Fortschritt bei der Behandlung älterer Patienten

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Malteser Waldkrankenhaus St. Marien

In meinem Klinikalltag habe ich regelmäßig Patienten mit einer ähnlichen Geschichte wie in diesem Fall: Kunigunde H. ist 83 Jahre alt und lebt alleine zu Hause. Sie hat sich bisher selbst versorgt. Dann ist sie in der Wohnung gestürzt und wurde wegen starker Schmerzen in unser Krankenhaus gebracht, wo ein Oberschenkelhalsbruch festgestellt wurde.

Es stellte sich heraus, dass sie nicht zum ersten Mal gestürzt war. In der Vergangenheit kam es dabei zu leichteren Verletzungen wie Prellungen, die sie zum Teil selbst behandelt hat, aber es kam auch schon zu einem Unterarmbruch, der in einem anderen Krankenhaus mit einem Gips versorgt werden musste. Danach wurde sie wieder nach Hause entlassen. Dieses Mal musste die Patienten jedoch operiert werden. Die Operation erfolgte schnell innerhalb von zwölf Stunden und die Patientin konnte sich in unserem Alterstraumazentrum wieder erholen.

Der Hintergrund: Über 140.000 Oberschenkelbrüche im Jahr

Durch den demographischen Wandel kommt es zu einer erheblichen Änderung der Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland. Ältere Patienten nehmen einen erheblichen Anteil an der Gesamtzahl aller stationär behandelten Patienten ein. Die Kombination aus wiederholten Stürzen und Osteoporose führen zu typischen Knochenbrüchen am Oberschenkel, Ober- und Unterarmen, Wirbelsäule und des Beckens. Die Zahl dieser Frakturen wird zukünftig weiter ansteigen: Jährlich ereignen sich alleine über 140.000 Oberschenkelbrüche. Damit gehören diese  zu den zehn häufigsten Hauptdiagnosen in deutschen Krankenhäusern.

Warum brauchen ältere verletzte Patienten eine besondere Behandlung?

In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass ältere verletzte Patienten eine entsprechende ganzheitliche und umfassende medizinische Versorgung  mit einer interdisziplinären und aufeinander abgestimmten Zusammenarbeit von Spezialisten der beiden Fachbereiche Traumatologie und Geriatrie benötigen, welche medizinische, pflegerische und therapeutische Aspekte in allen Phasen umfasst. Neben chirurgischen Herausforderungen wie der Implantatverankerung im osteoporotischen Knochen bereiten die zum Teil vielen Begleiterkrankungen und komplexe medikamentöse Therapie der älteren Patienten Schwierigkeiten. Es handelt sich dabei nicht nur um internistische Begleiterkrankungen wie Herzinsuffizienz, koronare Herzerkrankung oder Diabetes mellitus, sondern auch um Diagnosen wie Delir, Demenz oder Depression, die mindestens bei der Hälfte der Patienten vorliegen.

Ziele sind die Optimierung der individualisierten Therapie mit Minimierung des Risikos und möglicher Komplikationen sowie die rasche Remobilisation des Patienten nach dem Eingriff, zum Beispiel durch frührehabilitative Maßnahmen mit einem multiprofessionellen geschulten Team. Dabei soll eine möglichst weitgehende funktionelle Wiederherstellung alltagsrelevanter Fähigkeiten erreicht werden, um die Gefahr einer dauerhaften Pflegebedürftigkeit zu verhindern und eine größtmögliche Selbständigkeit zu erreichen.

Wie sieht dies konkret im Malteser Waldkrankenhaus Erlangen aus?

Ab der Aufnahme in das Waldkrankenhaus werden ältere und alte Patienten, die unter den Folgen von Stürzen leiden, interdisziplinär und multiprofessionell auf einer gemeinsamen Station behandelt. Tägliche gemeinsame Visiten und Teambesprechungen stellen die enge Verzahnung von Orthopädie, Unfallchirurgie und Altersmedizin (Geriatrie) sicher. Begleiterkrankungen und Risikofaktoren werden frühzeitig erkannt und behandelt, so dass die Zahl der Komplikationen und das Risiko rund um die Operation deutlich sinken.

So früh wie möglich wird mit der Mobilisation und Rehabilitation begonnen, um die Mobilität und Selbständigkeit wiederherzustellen und dem Entstehen von Bettlägerigkeit und Pflegebedürftigkeit entgegenzuwirken. Ein wichtiger Aspekt ist die Prävention von weiteren Stürzen und die Überwindung einer häufig vorhandenen Sturzangst der Patienten.

Seit März 2022 ist das Alterstraumazentrum im Malteser Waldkrankenhaus für seine Abläufe und Behandlungsqualität nach den Kriterien der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie und der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie mit dem Zertifikat „AltersTraumaZentrum DGU®“ ausgezeichnet worden. Die geforderten Qualitäts- und Sicherheitskriterien in der Alterstraumatologie wurden mit großem Erfolg bestätigt. Dies garantiert den Patienten des Alterstraumazentrums eine optimierte Frakturversorgung, eine perioperative Betreuung (vor, während und nach der Operation) und eine individuell angepasste strukturierte frührehabilitative beziehungsweise rehabilitative Behandlung. Kunigunde H. wurde so nach der Behandlung wieder nach Hause entlassen, wo sie ihr Leben selbständig weiterführen konnte.


Zum Autor

Prof. Dr.med. Karl-Günter Gaßmann ist Chefarzt des Geriatrie-Zentrums Erlangen im Malteser Waldkrankenhaus St. Marien, zu dem auch das Alterstraumazentrum gehört, und leitet dieses seit 26 Jahren. Sein ärztliches Interesse gilt dem älteren Patienten, der aufgrund der Multimorbidität, teilweise bestehenden funktionellen Einschränkungen und Komplexität einer besonderen medizinischen Zuwendung bedarf. Prof. Gaßmann ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. Er hält sich fit durch Wandern, Schwimmen und Skilanglauf.