Vorlesen, das Smartphone erklären, in Katalogen stöbern, in den Garten oder auch mal in die Stadt gehen und vor allem miteinander plaudern: Meist sind es Studierende, die auf Vermittlung der katholischen Hochschulgemeinde einmal pro Woche ehrenamtlich ins Malteserstift St. Nikola in Passau kommen, um Lichtblicke wie diese in die Alltagsroutine der Bewohnerinnen und Bewohner zu bringen. Anders Amanda Glück. Sie hat sich als ehrenamtliche Betreuerin selbst bei der Hausleitung gemeldet, und das hat einen Grund.
Ein neues Leben
„Ich will etwas zurückgeben, weil ich selbst nach meinem Unfall auf sehr viel Hilfe angewiesen war“, sagt die 34 Jahre alte Rollstuhlfahrerin. „Ich habe auch mal im Heim gelebt und gemerkt, wie wenig Ansprache und Kontakt es da gibt.“ Vor sechs Jahren war die Germanistin und Anglistin mit vietnamesischen Wurzeln „zur falschen Zeit am falschen Ort“, wie sie sagt, bekam einen schweren Schlag auf Kopf und Rücken und brauchte ein Jahr, um – dann im Rollstuhl – ihren Alltag wieder selbst bewältigen zu können. Eine bleibende Disposition zu Epilepsie-ähnlichen Krampfanfällen bewirkte, dass sie für arbeitsunfähig erklärt und in Rente geschickt wurde. Doch sie startete durch: „Es war vom ersten Moment an klar, dass es ein neues Leben ist. Es ist nicht schlechter, nur anders. Ich musste einfach nur umdenken, und dann hat alles wunderbar funktioniert.“
„Sie weiß, wie es mir geht“
„Sie hat so eine positive Lebenseinstellung und so viel Freude, die sie mit anderen teilen möchte“, beschreibt die Stiftsseelsorgerin Dorothée von Manteuffel, die die etwa 15 Ehrenamtlichen im Malteserstift koordiniert, ihre erste Rollifahrerin im Besuchsdienst. „Wie frisch und aufgeschlossen sie auf die Menschen zugeht, das ist schon etwas Besonderes und ein Geschenk für uns alle“, betont die Seelsorgerin. „Und für unsere Bewohnerinnen und Bewohner, die im Rollstuhl sitzen, ist es nochmal etwas anderes, weil sie intuitiv erkennen: Die weiß, wie es mir geht.“ Dazu Amanda Glück: „Ich merke, wie die Bewohner das überhaupt nicht bemerkenswert finden, weil hier jeder einen Rollstuhl hat. Für sie ist das total normal, und es gibt auch mir etwas, dass ich so gesehen werde.“
„Ich hab halt Räder“
Das mitten in Passau gelegene Malteserstift St. Nikola mit seinen 135 Pflegeplätzen, davon 31 in der gerontopsychiatrischen, nach Böhm zertifizierten Schwerpunktpflege, ist – wie alle 34 Malteserstifte – rundum behindertengerecht gestaltet. Auch für Amanda Glück ist das ein Vorteil. Aber der Rollstuhl bewirkt trotzdem ein paar Einschränkungen. So kann sie mit Bewohnern, die im Rolli geschoben werden müssen, nicht in den kleinen bunten Garten am Haus mit seinen zwitschernden Wellensittichen gehen, oder auch mal jemanden in den Arm nehmen, wenn sie oder er es braucht, oder grad mal jemandem beim Umsetzen helfen. „Da ist der Rolli schon eine gewisse Barriere“, stellt Glück sachlich fest, „ansonsten empfinde ich ihn nicht als Hindernis. Ich bin mit Rolli da. Das ist so. Ich hab halt Räder.“
Kleine und große Extras
Wie ist Amanda Glück aufs Malteserstift gekommen? „Ich wollte ein Haus, bei dem es auch den Mitarbeitern und der Leitung ein Anliegen ist, dass die Bewohner zwischenmenschlich mehr Kontakte haben, weil vieles aufgrund der Personalengpässe nicht geleistet werden kann. Und dann habe ich auf meinen Bauch gehört und habe mich im St. Nikola vorgestellt. Da hat es von Anfang an supergut geklappt.“ Und Glück, die nach dem Studienabschluss als stellvertretende Teamleiterin in der Personalabteilung der Münchner Uniklinik gearbeitet hat, wurde nicht enttäuscht: „Hier ist jeder aufmerksam, hilfsbereit und gibt sich wirklich Mühe, die feste Tagesstruktur immer wieder mit kleinen Extras oder großen Veranstaltungen wie Herbst- und Oktoberfest oder Ausflügen zu durchbrechen.“
Zukunftspläne
Und Amanda Glück hat Zukunftspläne. In ihren Gesprächen im Malteserstift, in denen es oft um Verlust und Trauer geht, hat sie für sich erkannt, dass sie die Menschen gerne besser begleiten würde. Eine Ausbildung zur Trauerbegleiterin könnte da hilfreich sein und Wege eröffnen. „Ich merke immer wieder, dass die Leute mir gerne erzählen, was sie auf dem Herzen haben. Und das möchte ich später vielleicht einmal mit einer kleinen Praxis beruflich machen. Aber mein Ehrenamt will ich gerne behalten!“