Vor Ort

Reisetagebuch Teil 4: Unsere Reisenden bleiben stecken

/

Patrick Pöhler/Malteser
Da hilft nur Abwarten: Durch den Regen können die Reisenden nicht weiterfahren.

Schon früh in der Nacht werden wir geweckt. Der Regen prasselt auf das Wellblechdach unserer Unterkünfte in Illeret. Eigentlich wollen wir früh los, denn wir haben eine lange Wegstrecke vor uns. Über North Horr und Kalacha wollen wir in Richtung Hurri Hills. Dafür muss alles geladen sein: Kamera, Handy, Laptop, Videokamera, Powerbank.

Doch beim Aufstehen die erste Ernüchterung des Tages. Seit etwa Mitternacht ist durch das Gewitter der Strom weg. W-Lan gibt es auch nicht mehr. Die Verbindung in die Heimat ist gekappt.

Um halb acht sitzen wir in unseren Landcruisern, die natürlich über Allradantrieb verfügen. Eine Tatsache, die im Verlauf des Tages noch sehr wichtig werden wird. Direkt außerhalb von Illeret besuchen wir bei leichtem Nieselregen ein Projekt der Malteser. Hier hat Malteser International eine kleine Vorschule gebaut, die an die Gemeinde übergeben wurde. Seit der Dürre bekommen die Kleinkinder Essen von uns, um zu verhindern, dass sie in dieser schweren Zeit hungern.

Kunst findet draußen statt, die Kinder malen mit Steinen in den Sand

Die Vorschule besteht aus einem Raum. 61 Kinder zwischen einem und fünf Jahren aus dem angrenzenden Dorf besuchen sie. Kleine Stühle stehen gestapelt im Klassenraum, aber auch das Essen ist in großen Säcken dort untergebracht. Eine lange Tafel an der Wand ist vollgekritzelt. Mathe, Suaheli, Englisch und Kunst unterrichtet der junge Lehrer. Kunst findet draußen statt. Dann malen die Kinder mit Steinen im Sand.

Eigentlich geht die Vorschule um 8 Uhr los, heute erst etwas später, denn die Kinder sind neugierig und versammeln sich um unsere Autos. Wenn die Kinder alt genug sind, gehen sie eigentlich in die nächste Primary School in Illeret, die wir gestern besuchten, aber von ihr aus benötigen sie zwei Stunden für eine Strecke. Und nur die wenigsten nehmen tatsächlich diesen Weg auf sich.

Mit voller Wucht gegen einen großen Stein

Nach rund einer Stunde müssen wir weiter in Richtung unserer geplanten Übernachtungsstation. Der Regen wird heftiger, die Schotterpiste wird zu einer Wasserstraße und wir müssen immer wieder durch riesige Pfützen durch. Der Scheibenwischer arbeitet auf Hochtouren, die Sicht ist beschränkt, die Straße nicht mehr zu sehen. Wir bleiben ein erstes Mal stecken. Mit Mühe bekommt unser Fahrer Ugur das Auto nach Minuten wieder fahrtüchtig. Doch gegen elf Uhr geht nichts mehr. Wir fahren mit voller Wucht gegen einen großen Stein und haben einen kaputten linken Vorderreifen.


Bitte beachten Sie: Sobald Sie sich das Video ansehen, werden Informationen darüber an Youtube/Google übermittelt. Weitere Informationen dazu finden Sie unter Google Datenschutzerklärung.

Ugur steigt aus und sieht sich den Schaden an. Glücklicherweise haben wir zwei neue Reifen oben auf dem Dach des Autos. Doch der Regen ist so heftig, dass an ein Wechseln des Rades nicht zu denken ist. Nach 30 Minuten kommt Hilfe vom vorausfahrenden Auto. Boniface, ein Mitarbeiter von unserer Partnerorganisation PACIDA, läuft durch den strömenden Regen zu uns und wechselt zusammen mit Ugur den Reifen. Nach fast 90 Minuten kann es weitergehen.

Wir stehen vor einem reißenden Strom, der die Flussüberquerung geflutet hat

Doch weit kommen wir nicht. Nach einem Kilometer bleiben wir wieder stecken, können uns aber wieder aus eigener Kraft aus dem Matsch befreien. Wenige Minuten später ist endgültig Schluss. Wir stehen vor einem reißenden Strom, der eine Flussüberquerung überflutet hat. Die Gefahr, hier durchzufahren, ist zu groß. Wir müssen warten.

Zwei junge Männer versuchen es mehrmals zu Fuß, doch die Strömung ist zu stark. Fast drei Stunden dauert es, bis das Wasser so weit zurückgegangen ist, dass wir es riskieren können. Wir kommen durch. Mittlerweile ist es 16 Uhr. Und wir haben gerade mal 120 Kilometer geschafft.

Bitte beachten Sie: Sobald Sie sich das Video ansehen, werden Informationen darüber an Youtube/Google übermittelt. Weitere Informationen dazu finden Sie unter Google Datenschutzerklärung.

Die Dunkelheit bricht an, es ist fast kein Wasser mehr da

Die Fahrt dauert aber wieder nur 5 Minuten. Das nächste Hindernis: der nächste Fluss, der sich gebildet hat. Und wieder heißt es warten, denn der Fluss ist deutlich breiter und vermeintlich tiefer. Die Dunkelheit bricht an, der Wasservorrat ist fast aufgebraucht, wir überlegen, wo wir noch hinkommen. Die Optionen lauten: das 50 Kilometer entfernte North Horr oder im Auto übernachten.

Als es mittlerweile stockdunkel ist, tauchen die beiden jungen Männer wieder auf, sie haben uns zu Fuß eingeholt. Nach einer halben Stunden wagen sie es, den Fluss zu durchqueren und kommen durch. Der Wasserstand ist gesunken. Für uns das Signal, dass wir es auch probieren können. Und dann fahren wir noch 40 Kilometer durch komplette Dunkelheit nach North Horr.  Das ist der Ort, an dem wir schon unsere erste Nacht nach Nairobi verbracht haben. In der spartanisch eingerichteten Mission.  Gegen 21 Uhr kommen wir an, nach fast 14 Stunden Fahrt, in denen wir 180 Kilometer Strecke zurückgelegt haben.

Der Regen gibt trotz allem Hoffnung - es muss nur weiterregnen

Wasser gibt es heute nicht, der Tank ist leer. Die Begeisterung hält sich in Grenzen. Aber so ist das auf so einem Trip. Hoffen wir, dass zumindest nicht wieder der Strom ausfällt und der Ventilator zumindest ein bisschen die Hitze vertreibt. Es ist Regenzeit in Kenia und die Hoffnung der Menschen ist, dass es in den nächsten Monaten weiterregnet, denn einzelne Tage helfen nicht um die Landwirtschaft und die Ernten anzukurbeln.

Wie es morgen weitergeht, wissen wir noch nicht. Denn wir hören, dass auch die Straßen auf den nächsten Etappen kaum zu passieren sehen. Ich werde berichten.

In der Vorschule werden 61 Kinder in Mathe, Suaheli, Englisch und Kunst unterrichtet.
Patrick Pöhler/Malteser
In der Vorschule werden 61 Kinder in Mathe, Suaheli, Englisch und Kunst unterrichtet.
1 / 4
Durch den Regen werden aus den ohnehin nur holprig befahrbaren Schotterpisten Wasserstraßen.
Patrick Pöhler/Malteser
Durch den Regen werden aus den ohnehin nur holprig befahrbaren Schotterpisten Wasserstraßen.
2 / 4
Reifenwechsel: Der Regen ist so stark, dass selbst das Holen der Ersatzreifen vom Autodach zur Herausforderung wird.
Patrick Pöhler/Malteser
Reifenwechsel: Der Regen ist so stark, dass selbst das Holen der Ersatzreifen vom Autodach zur Herausforderung wird.
3 / 4
Irgendwie geht es weiter - und unser Tagebuch-Autor Patrick Pöhler lässt sich die Laune nicht verderben.
Patrick Pöhler/Malteser
Irgendwie geht es weiter - und unser Tagebuch-Autor Patrick Pöhler lässt sich die Laune nicht verderben.
4 / 4